Erweiterte Nährwertkennzeichnung: Verbraucherinnen und Verbraucher wollen Nutri-Score

Nutri-Score, BLL-Modell, Keyhole® oder MRI-Modell? Ein vereinfachtes, erweitertes Nährwertkennzeichnungs-System vorne auf der Lebensmittelverpackung ist ein zentraler Baustein einer ganzheitlich ausgerichteten Politik für eine gesunde Ernährung. Zudem war es ein Auftrag aus dem Koalitionsvertrag.

Was wünschen sich Verbraucherinnen und Verbraucher? Welches Modell der erweiterten Nährwertkennzeichnung wird von ihnen am besten wahrgenommen und verstanden? Das hat das Bundesernährungsministerium (BMEL) in einer repräsentativen Verbraucherforschung untersuchen lassen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) stellte die Ergebnisse der repräsentativen Verbraucherforschung am 30. September 2019 in Berlin vor.

Das Verbrauchervotum fällt eindeutig aus: Die Mehrheit der Befragten spricht sich für eine Kennzeichnung von Lebensmitteln mit dem Nutri-Score aus. Diesen werten die Verbraucher als am hilfreichsten und am leichtesten verständlich.

Für das BMEL ist das Ergebnis der Verbraucherforschung maßgeblich. Die erweiterte Nährwertkennzeichnung soll dem Verbraucher einen tatsächlichen Zusatznutzen geben und die gesunde Wahl zur leichten Wahl machen. Dafür ist es wichtig, dass das Modell von den Verbrauchern gut wahrgenommen und richtig verstanden wird.

Insgesamt wurden im Rahmen der repräsentativen Verbraucherforschung vier Modelle der erweiterten Nährwertkennzeichnung getestet:

Während Nutri-Score auf Platz 1 landet, belegt das MRI-Modell in der Befragung Platz 2. Das Keyhole®-Modell landet auf Rang 3. Das BLL-Modell fand den geringsten Zuspruch.

Was sagt Nutri-Score im Einzelnen aus?

Grafik zur Erklärung des Nutri-Score-Logos Schaubild Nutri-Score®
Grafik zur Erklärung des Nutri-Score-Logos © BMEL

Beim Nutri-Score zeigt eine fünfstufige Skala von A bis E den Gesamtscore für den Nährwert eines Produkts. Dazu werden der Brennwert sowie ernährungsphysiologisch günstige und ungünstige Nährstoffe miteinander verrechnet. Farben (grün bis rot) helfen bei der Orientierung. Verschiedene Lebensmittel der gleichen Kategorie sind so gut vergleichbar. Innerhalb einer Produktgruppe ist beispielsweise ein Lebensmittel mit grünem A die bezogen auf seinen Nährwert günstigere Wahl im Vergleich zu einem Lebensmittel mit einem gelben C.

Als erweiterte Nährwertkennzeichnung ist der Nutri-Score auf der Vorderseite von Lebensmittelverpackungen zu finden. Neben Deutschland wird der Nutri-Score auch in Frankreich, Belgien und der Schweiz verwendet. Weitere EU-Staaten, wie Luxemburg, die Niederlande und Spanien, planen ebenfalls seine Einführung.

Die repräsentative Verbraucherforschung: Was wurde untersucht?

Die Meinung der Verbraucher war für das BMEL elementar für die Einführung einer erweiterten Nährwertkennzeichnung in Deutschland. Um sie zu erfassen, untersuchte ein unabhängiges Forschungsinstitut

  • die Wahrnehmung und Wahrnehmbarkeit der verschiedenen Systeme,
  • die Verständlichkeit, also die Frage, ob ist ein bestehendes System auch objektiv verständlich ist, sowie
  • das Verständnis der Verbraucherinnen und Verbraucher und damit die Frage, ob die Verbraucher das vorliegende Modell zutreffend interpretieren.

Die qualitative Befragung wurde in Form von Gruppendiskussionen mit zehn Fokusgruppen durchgeführt. Diese zehn Gruppen wurden nach festgelegten Kriterien zusammengestellt, wie z.B. Durchmischung von Alter, Geschlecht, Regionen, Stadt und Land, Gruppen mit höherem und geringerem Bildungs- und Einkommensstatus. Auch ernährungsmitbedingte Erkrankungen flossen in die Auswahl ein. So konnten die Anforderungen das einzuführende System und damit die Fragestellung für die im Anschluss durchgeführte quantitative Befragung herauskristallisiert werden.

Aufbauend auf den Ergebnissen der Gruppendiskussionen fand im August und Anfang September 2019 eine quantitative Befragung statt, die für die Bevölkerung in Deutschland repräsentative Ergebnisse erbrachte. Die rund 1600 Teilnehmer wurden auf Basis des ADM Mastersamples ausgewählt und Online- sowie Face-to-face interviewt.

Der bisherige und weitere Prozess: Wie geht es weiter?

In Deutschland – wie in der gesamten EU – besteht seit Ende 2016 für vorverpackte Lebensmittel eine verpflichtende Nährwertkennzeichnung. Der Koalitionsvertrag sieht eine Weiterentwicklung der Nährwertkennzeichnung und ein Verfahren hierfür vor. Daher hat sich das BMEL eng mit Vertretern der Koalitionsfraktionen, der Verbraucher- wie auch Lebensmittelwirtschaftsseite abgestimmt und auch Vertreter des Gesundheitsbereichs konsultiert. Zudem sind die zu beteiligenden Bundesressorts eng in den Prozess eingebunden.

Grafik über den zeitlichen Ablauf der Einführung der erweiterten Nährwertkennzeichnung in Deutschland Schaubild Prozess der Einführung der Erweiterten Nährwertkennzeichnung in Deutschland
© BMEL

Das Ziel des BMEL ist, ein System der erweiterten Nährwertkennzeichnung einzuführen, das einerseits den Verbrauchern einfach auf einen Blick eine Hilfestellung für die gesunde Wahl von Lebensmitteln gibt und anderseits von den Unternehmen bei möglichst vielen Lebensmitteln verwendet wird. Ausgehend von den europarechtlichen Vorgaben wird die Kennzeichnung freiwillig sein. Neben den Verbraucherschützern- und Vertretern des Gesundheitsbereichs haben sich auch viele Unternehmen bereits für die Einführung von Nutri-Score in Deutschland ausgesprochen.

Hilfestellung für Unternehmen – Einführung des Nutri-Score

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Die wichtigsten Schritte im Überblick

  • BMEL hatte das Max Rubner-Institut (MRI) beauftragt, ausgewählte relevante Nährwertkennzeichnungs-Systeme zu untersuchen. Der vorläufige Bericht wurde im April 2019 auf der Internetseite des BMEL veröffentlicht. Er bietet die wissenschaftliche Grundlage für den weiteren Entscheidungsprozess.
  • Zeitgleich hatte die Lebensmittelwirtschaft im April 2019 durch den Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) ein eigenes Nährwertkennzeichnungs-Modell entwickelt und vorgestellt. Dieses Modell hat das MRI ebenfalls untersucht. Die Bewertung durch das MRI wurde als Addendum zum vorläufigen Bericht im Mai 2019 vorgelegt.
  • Der MRI-Bericht und das Addendum gelten als vorläufig, da der laut Koalitionsvertrag ebenfalls zu berücksichtigende Bericht der EU-Kommission noch nicht vorliegt und insofern vom MRI noch nicht bewertet werden konnte.
  • Das BMEL hat das MRI zudem beauftragt, wissenschaftlich unabhängig ein eigenes Kennzeichnungssystem zu erarbeiten, das einen Brückenschlag zwischen den unterschiedlichen, in der Diskussion vertretenen Positionen darstellen soll. Das MRI hat seinen Modell-Vorschlag am 21. Mai 2019 veröffentlicht.
  • Auf der Grundlage dieser wissenschaftlichen Vorarbeiten haben sich Bundesministerin Klöckner, Vertreter der Koalitionsfraktionen, der Dachverband der Lebensmittelwirtschaft und der Verbraucherzentrale Bundesverband am 27. Juni 2019 darauf geeinigt, vier Modelle - BLL-Modell, Keyhole, MRI-Modell sowie Nutri-Score - in einer repräsentativen Verbraucherbefragung untersuchen zu lassen.
  • Die im September 2019 vorliegenden Ergebnisse sind eindeutig und zeigen: Für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland ist der Nutri-Score am hilfreichsten.
  • Basierend auf den Ergebnissen der Verbraucherforschung und der zurückliegenden gemeinsamen Diskussion mit den beteiligten Akteuren, hat das BMEL im Oktober 2019 einen Verordnungsentwurf vorgelegt, mit dem die Verwendung des Nutri-Score in Deutschland rechtlich verankert werden soll.
  • Nach Zustimmung aller beteiligten Ressorts wurde der Verordnungsentwurf im März 2020 bei der EU-Kommission notifiziert.
  • Nach Ablauf einer sechsmonatigen Stillhaltefrist hat der Bundesrat dem Verordnungsentwurf zugestimmt.
  • Die Verordnung ist im November 2020 in Kraft getreten und damit kann der Nutri-Score in Deutschland offiziell verwendet werden.
  • Als Mitglied des im Januar 2021 gegründeten Nutri-Score-Lenkungsausschusses ist Deutschland gemeinsam mit den Vertretern weiterer am Nutri-Score beteiligter oder interessierter Staaten an der Koordinierung und Einführung des Nutri-Score beteiligt. Der Ausschuss verfolgt in erster Linie das Ziel, mit Hilfe effizienter gemeinsamer Verfahren Lebensmittelunternehmen die Nutzung des Nutri-Score zu erleichtern, um kleine Unternehmen zu erreichen und mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Kontakt zu treten. Ein international besetztes Wissenschaftlergremium, in dem auch das MRI vertreten ist, berät über die wissenschaftliche Notwendigkeit und Sachdienlichkeit von Änderungen am Algorithmus.

Warum bedarf es einer erweiterten Nährwertkennzeichnung?

In Deutschland sind 47 Prozent der Frauen, 62 Prozent der Männer und 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig. Zu viel Zucker, Fette, gesättigte Fettsäuren und zu viel Salz sind nicht die einzigen, aber wichtige Gründe für die Entstehung von ernährungsmitbedingten Krankheiten wie Übergewicht oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Neben einer Vielzahl von Maßnahmen zur Förderung einer gesunden Ernährung ist ein vereinfachtes, erweitertes Nährwertkennzeichnungs-System ein wichtiger Baustein der Ernährungspolitik des BMEL: Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher einfach erkennen können, wie ein Lebensmittel hinsichtlich der Nährstoffe beschaffen ist, fällt die Orientierung leichter und die gesunde Wahl wird einfacher. Eine verständliche Darstellung auf der Vorderseite des Lebensmittels (Front-of-Pack) kann so die Produktauswahl und damit die Nährstoffzufuhr ernährungsphysiologisch günstig beeinflussen.

Das BMEL strebt daher mit dem Nutri-Score eine Kennzeichnung an, die klar ist, sich an der Lebensrealität der Verbraucherinnen und Verbraucher orientiert und auf vielen Lebensmitteln zur Anwendung kommt. Das heißt: Eine Kennzeichnung, die auf einen Blick für Verbraucher verständlich ist.

Hintergrund: Welche Nährwertkennzeichnungs-Modelle haben andere Länder? Der MRI-Bericht.

Weltweit gibt es verschiedene Nährwertkennzeichnungs-Modelle mit unterschiedlichen Zielrichtungen und Zielgruppen. Während manche die Energie- oder Nährwertgehalte eines Produktes einzeln beschreiben oder bewerten (wie bei der britischen Ampel), geben andere eine zusammenfassende Bewertung des Gesundheitswerts eines gesamten Produkts (wie bei Keyhole®, Nutri-Score oder australisch-neuseeländischem Health Star Rating).

In seinem Bericht hat das MRI insgesamt zwölf relevante Nährwertkennzeichnungs-Modelle sowie den in Finnland vorgeschriebenen Salz-Warnhinweis mithilfe von 18 Kriterien untersucht. Die Kriterien fußen dabei auf ernährungsphysiologischen und sozialwissenschaftlichen Gesichtspunkten (z.B. Eignung für Produktgruppen, Verbraucherfreundlichkeit, Wertung von günstigen und ungünstigen Inhaltsstoffen, Orientierung an wissenschaftlich fundierten Referenzmengen).Zudem hat das Max Rubner-Institut ein System entwickelt, das an denselben Kriterien gemessen wurde und einen Brückenschlag zwischen rein wiederholenden Nährwertangaben und in den Ampelfarben bewertenden Modellen darstellt.

Der MRI-Bericht verdeutlicht die unterschiedlichen Zielsetzungen der bestehenden Modelle sowie des vorgeschlagenen BLL-Modells. Er benennt die damit verbundenen Stärken und Schwächen der untersuchten Nährwertkennzeichnungs-Systeme. Jedes vorhandene Kennzeichnungs-System habe Licht und Schatten, so die Wissenschaftler. Kein Nährwertkennzeichnungs-Modell ist damit uneingeschränkt zu empfehlen oder abzulehnen. Der Bericht schafft Vergleichbarkeit und damit eine wissenschaftlich fundierte Diskussionsgrundlage. Die Ergebnisse wurden in den Prozess zur Entwicklung eines vereinfachten, erweiterten Nährwertkennzeichnungs-Systems für Deutschland einbezogen.

 

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