Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung

Die im Februar 2019 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vorgelegte Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung hat das Ziel, Lebensmittelabfälle entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette zu reduzieren. Dafür wird die Strategie kontinuierlich weiterentwickelt. Ziel des BMEL ist es, bis 2030 die Lebensmittelabfälle in Deutschland zu halbieren und Lebensmittelverluste zu verringern.

Lebensmittelabfälle in Deutschland

In Deutschland entstehen ca. 11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle im Jahr (Stand 2020). Wer also die Lebensmittelverschwendung reduziert, der betreibt aktiven Ressourcen- und Klimaschutz.

Lebensmittelabfälle entstehen in jedem Sektor– von der Primärproduktion bis zu den privaten Haushalten. Daher gilt, dass die Lebensmittelversorgungskette so zu gestalten ist, dass Lebensmittelabfälle und -verluste in jedem Sektor und an deren Schnittstellen reduziert und vermieden werden. Dafür braucht es Verhaltensänderungen bei allen Akteuren und eines verstärkten Blicks auf die Schnittstellen zwischen den Sektoren

  • Der größte Teil der Lebensmittelabfälle fällt bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu Hause an. Für eine deutliche Reduzierung bedarf es neben Maßnahmen zur Förderung von Verhaltensänderungen auch Veränderungen der Ernährungsumgebungen.
  • Um die im Koalitionsvertrag vereinbarte Verbindlichkeit der Reduzierung der Lebensmittelverschwendung zu erhöhen, wird geprüft, ob gesetzliche Änderungen erforderlich und zielführend sind.
  • Um Lebensmittelspenden noch weiter zu erleichtern, prüft das BMEL haftungs- und steuerrechtliche Erleichterungen gemeinsam mit anderen fachlich zuständigen Ressorts.

Erfassung des Lebensmittelabfallaufkommens in Deutschland

Die Messung von Lebensmittelabfällen erfüllt eine wichtige Rolle. Nur wenn bekannt ist, wo und weshalb Lebensmittel weggeworfen werden, können zielgerichtete Maßnahmen zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung ergriffen werden. Im Rahmen der EU-Berichterstattung wurde das Aufkommen der Lebensmittelabfälle über die gesamte Lebensmittelversorgungskette für Deutschland für das Jahr 2020 ermittelt und im Juni 2022 an die EU-Kommission berichtet. Eine ergänzende Rolle nahmen Messungen in den Dialogforen ein. Diese lieferten wichtige Daten, etwa um die Wirkung von Maßnahmen zu bewerten, die Art der Abfälle genauer zu erfassen und auch andere Stoffströme, die nicht der menschlichen Ernährung zu Gute kommen, vertieft zu betrachten.

Lebensmittelverschwendung ist ein großes Problem, das gerade mit Blick auf die Klimakrise dringend angepackt werden muss - und zwar überall dort, wo Lebensmittel tatsächlich verschwendet werden.

Cem Özdemir

Weiterentwicklung der Strategie

Der von den Regierungsparteien getragene Koalitionsvertrag sieht vor, „die Lebensmittelverschwendung verbindlich branchenspezifisch [zu] reduzieren, haftungsrechtliche Fragen [zu] klären und steuerrechtliche Erleichterung für Spenden [zu] ermöglichen“. BMEL strebt in diesem Rahmen an, die Lebensmittelabfälle entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette zu halbieren und Lebensmittelverluste zu reduzieren. Dazu wird die Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung kontinuierlich weiterentwickelt. Reduzierung der Lebensmittelverschwendung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft sind daher aufgefordert, sich aktiv in die Umsetzung einzubringen:

  • Für die Sektoren entlang der Lebensmittelversorgungskette - von der Primärproduktion, die Verarbeitung, den Groß- und Einzelhandel, die Außer-Haus-Verpflegung bis zu den privaten Haushalten wurden entsprechende Dialogforen eingerichtet: In diesen wurden gemeinsam und unter wissenschaftlicher Begleitung die größten Reduzierungspotenziale identifiziert, konkrete Maßnahmen zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen und -verlusten entwickelt und, wo möglich, sektorspezifische Zielvereinbarungen erarbeitet.
  • Das Bund-Länder-Gremium ist ein weiteres Element im Umsetzungsprozess. Es übernimmt die Aufgaben einer ressort- und länderübergreifenden Steuerung, begleitet die Umsetzung der Strategie und identifiziert weitere Handlungsfelder.
  • Die Arbeitsgruppe AG Indikator SDG 12.3 koordiniert die Berichterstattung über in Deutschland anfallende Lebensmittelabfälle im Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und der Abfallrahmenrichtlinie der Europäische Union. Mitglieder der Arbeitsgruppe sind Vertreterinnen und Vertreter aus BMEL, Thünen-Institut, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Umweltbundesamt und Statistischem Bundesamt.
  • Eine begleitende Evaluation der nationalen Strategie stellt sicher, dass Prozesse und Maßnahme auf ihren Nutzen hin überprüft und bei Bedarf im weiteren Verlauf optimiert werden können.
Grafik zur Struktur der Zusammenarbeit bei der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung Struktur der Zusammenarbeit bei der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung
Struktur der Zusammenarbeit bei der Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung © BMEL

Dialogforen Primärproduktion und Verarbeitung

Laut aktueller Zahlen aus der EU-Berichterstattung für das Berichtsjahr 2020, die das Statistische Bundesamt im Auftrag des BMUV im Jahr 2022 erhoben hat, verursacht der Verarbeitungssektor einen Anteil von 15 Prozent der jährlich rund 11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfällen in Deutschland. Auf die Primärproduktion entfallen 2 Prozent. Dabei berücksichtigt sind allerdings nur solche Abfälle, die über die genehmigungsbedürftige Abfallentsorgung gesammelt werden. Andere Stoffströme, darunter die Verwertung als Tierfutter oder in hofeigenen Biogasanlagen sowie Verluste, die vor und während Ernte sowie Schlachtung entstehen, sind den EU-Vorgaben bzw. der Abfalldefinition entsprechend nicht erfasst.

Die Dialogforen für die Reduzierung der Lebensmittelabfälle in der Primärproduktion und der Verarbeitung von Lebensmitteln wurden von 2020 bis 2022 von der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) koordiniert. Das Johann Heinrich von Thünen-Institut begleitete beide Dialogforen wissenschaftlich mit dem Ziel, die Datenlage für diese Sektoren zu verbessern.

Für die einzelnen Branchen und Produktgruppen wurde ein intensiver Informations- und Erfahrungsaustausch über ‚Runde Tische‘ organisiert. Gemeinsam mit Betrieben und Unternehmen wurden dabei u. a. konkrete Maßnahmen zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen identifiziert, in Demonstrationsbetrieben getestet und auf ihre Nachhaltigkeit hin bewertet. Die Maßnahmen setzten sowohl in der Primärproduktion und in der Verarbeitung als auch an der Schnittstelle zu vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen an.

Dialogforum für den Groß- und Einzelhandel

Das Dialogforum für den Groß- und Einzelhandel wurde von September 2019 bis Jahresende 2022 von dem Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP) koordiniert und dem Johann Heinrich von Thünen-Institut für Marktanalyse wissenschaftlich begleitet. In verschiedenen Arbeitstreffen wurden zahlreiche wirkungsvolle Reduzierungsmaßnahmen identifiziert und bewertet (vgl. Abschlussbericht). Zudem fanden Dialogforen-übergreifende Workshops und Veranstaltungen statt, z. B. zur Anwendung Künstlicher Intelligenz.

Um die Reduzierung der Lebensmittelabfälle im Groß- und Einzelhandel über einen längeren Zeitraum abzubilden, haben die Mitglieder Maßnahmen ergriffen, um die Datenlage zu verbessern und vorhandene Datenquellen zu ergänzen. In einem Zwischenbericht wird der Stand der Umsetzung bis Anfang 2021 und in zwei Monitoringberichten die Datenlage dargestellt.

Am 27. Juni 2023 haben das BMEL und 14 Unternehmen des deutschen Lebensmittelgroß- und Einzelhandels eine Vereinbarung zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen abgeschlossen. Mit dem "Pakt gegen Lebensmittelverschwendung" verpflichteten sich die unterzeichnenden Unternehmen auf konkrete Reduzierungsziele und verpflichtende Reduzierungsmaßnahmen – sowohl im eigenen Unternehmen als auch an den Schnittstellen zu den vor- und nachgelagerten Bereichen der Lebensmittelversorgungskette. Die Vereinbarung gilt bis zum 31. Dezember 2031 und setzt den Rahmen für den weiteren Austausch des BMEL mit dem Lebensmittelhandel. Die Umsetzung der Zielvereinbarung, insbesondere die Zielerreichung wird durch das Thünen-Institut für Marktanalyse als unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des BMEL begleitet und überprüft.

Dialogforum Außer-Haus-Verpflegung

Im Außer-Haus-Markt könnten 30 bis 50 Prozent der dort entstehenden Lebensmittelabfälle eingespart werden. Dies zeigen Ergebnisse der durchgeführten Abfallmessungen und -analysen von United against Waste e.V. in Kooperation mit unterschiedlichen Betrieben. Im Rahmen des Dialogforums Außer-Haus-Verpflegung konnten zwölf Modellbetriebe während der dreijährigen Projektlaufzeit eine durchschnittliche Reduzierung der Lebensmittelabfälle um 25 Prozent erreichen.

Das Dialogforum hat unter Koordinierung des WWF Deutschland im April 2021 eine Zielvereinbarung verabschiedet. In der Vereinbarung erklären sich die unterzeichnenden Verbände bereit, auf eine Verringerung der Lebensmittelabfälle bis 2025 um 30 Prozent und bis 2030 um 50 Prozent hinzuwirken. Die Vereinbarung umfasst die Breite des Sektors, von Betriebskantinen über Hotels bis hin zu Krankenhäusern, Seniorenheimen und Schulen. Damit sich möglichst viele Betriebe der Außer-Haus-Verpflegung an der Umsetzung der Zielvereinbarung beteiligen, finanziert das BMEL seit Januar 2022 die Kompetenzstelle Außer-Haus-Verpflegung (KAHV). Geleitet wird diese von United Against Waste e. V. (UAW). Die KAHV berät gastronomische Betriebe, die sich der Strategie anschließen möchten. Das Thünen-Institut führt als wissenschaftlicher Partner Nachhaltigkeitsbewertungen durch, die aufzeigen, wie effektiv die umgesetzten Reduzierungsmaßnahmen sind.

Dialogforum Private Haushalte

59 Prozent der in Deutschland anfallenden Lebensmittelabfälle entsteht bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern in den privaten Haushalten. Im Rahmen des ersten Dialogforums für die privaten Haushalte wurden daher bereits vorhandene, erfolgversprechende Ansätze und Maßnahmen zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung identifiziert, in Zusammenarbeit mit bereits auf diesem Feld tätigen Akteurinnen und Akteuren getestet und mit Hilfe einer im Dialogforum entwickelten einheitlichen Messmethode auf ihre Wirksamkeit hin überprüft. In regelmäßigen Netzwerktreffen brachten die Projektpartner Slow Food, Ecologic Institute und die Technische Universität Berlin alle relevanten Akteure an einen Tisch.

Aufgrund der großen Bedeutung der privaten Haushalte für die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung fördert das BMEL die Fortsetzung des Projekts. Das Dialogforum private Haushalte 2.0. ist im Oktober 2023 gestartet und wird von Slow Food Deutschland und der TU Berlin koordiniert. Es soll in den kommenden drei Jahren die entwickelten Messmethoden optimieren und als anwenderfreundliche App-Funktion zur Verfügung zu stellen, gemeinsam mit externen Partnern neue, wirksame Maßnahmen an verbrauchernahen Schnittstellen entwickeln und umsetzen und die weitere Vernetzung und den Austausch aller relevanten Akteure fortführen. Zudem wird das Dialogforum eng mit der BMEL-Initiative Zu gut für die Tonne! zusammenarbeiten.

Weitere Schritte der Umsetzung

In Umsetzung des Koalitionsvertrages werden außerdem Maßnahmen im Bereich des Haftungs- und des Steuerrechts geprüft, die die Weitergabe von Lebensmitteln erleichtern sollen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen unter anderem in die geplante Überarbeitung des „Leitfadens zur Weitergabe von Lebensmitteln“ einfließen und so einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Informationen über bereits bestehende steuerrechtliche Erleichterungen bei der kostenlosen Weitergabe nicht verkaufter Lebensmittel sind hier abrufbar.

Eine Anpassung der EU-Vermarktungsnormen für Obst und Gemüse, die im Januar 2025 in Kraft tritt, kann sich positiv auf die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung auswirken. Denn es erfolgt unter anderem eine Ausweitung der Ausnahmen von den Vermarktungsnormen: Erzeugnisse, die nicht den Vermarktungsnormen unterliegen, können mit der Kennzeichnung „zur Verarbeitung“ an den Verbraucher abgegeben werden, sodass weniger Obst und Gemüse im Abfall landet.

Förderung der Tafel Deutschland

Das BMEL förderte von 2019 bis Ende 2022 das Projekt „Tafel macht Zukunft – gemeinsam digital“. Im Projekt wurde die sogenannte „Eco-Plattform“ entwickelt, mit der der Spendenprozess für nicht verkaufte, noch genießbare Lebensmittel mittels digitaler Tools (digitalisierte Lieferscheine und Routenplanung) vereinfacht und verbessert werden kann (Projekt "eco-Plattform" der Tafel Deutschland e.V. ). Die eco-Plattform adressiert die Schnittstelle zwischen lebensmittelspendenden Unternehmen und den lokalen Tafeln.

Aufbauend auf diesem Projekt fördert das BMEL seit Oktober 2023 für einen Zeitraum von drei Jahren ein neues Digitalisierungsprojekt („TafelConnect“). Dabei wird der Spendenprozess bei Großspenden (mehr als zehn Paletten) u.a. von Herstellern über den Tafel-Dachverband und regionalen Verteilerzentren ebenfalls digitalisiert.

Zu gut für die Tonne! als Ausgangspunkt

Im März 2012 startete das BMEL die Initiative Zu gut für die Tonne!. Damit wurde das Thema Lebensmittelverschwendung stärker in die Öffentlichkeit gebracht und Verbraucherinnen und Verbraucher für eine höhere Wertschätzung von Lebensmitteln sensibilisiert. Zu gut für die Tonne! wird kontinuierlich weiterentwickelt und auf die gesamte Lebensmittelversorgungskette ausgeweitet. Maßnahmen und Fortschritte der Strategie werden regelmäßig auf www.zugutfuerdietonne.de veröffentlicht.

Erschienen am im Format Basistext

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