Sachstandsbericht: Temporärer Fachausschuss für "vegane und vegetarische Lebensmittel"

Der temporäre Fachausschuss für "vegetarische und vegane Lebensmittel" der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) hat sich darauf verständigt, über den Fortschritt der Beratungen innerhalb dieses Fachausschusses wie folgt zu berichten:

Ausgangssituation bis Dezember 2018

Das Angebot veganer und vegetarischer Lebensmittel am Markt wächst aufgrund veränderter Ernährungsgewohnheiten in Deutschland. In diesem Umfeld entwickelt sich eine breite Produktpalette von veganen und vegetarischen Lebensmitteln, die sich in Darbietung und Bezeichnung auch an Lebensmittel mit Zutaten tierischen Ursprungs anlehnen. Bei derartigen Produkten werden Bestandteile tierischen Ursprungs teilweise oder vollständig durch solche ersetzt, die für eine vegane oder vegetarische Ernährungsweise geeignet sind.

Die Geschäftsordnung der DLMBK (§ 3 (6)) ermöglicht den Zusammenschluss der Präsidiumsmitglieder zu einem temporär arbeitenden Fachausschuss, wenn für allgemeine und fachausschussübergreifende Themen Klärungsbedarf besteht. Dieser Bedarf bestand aus Sicht des Präsidiums, das in seiner 52. Sitzung am 14. Oktober 2016 beschloss, sich mit dem Thema „vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeiten zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs“ zu befassen. Die Gründe dafür waren neben der wachsenden Marktbedeutung dieser Produkte auch eingegangene Anträge aus unterschiedlichen Kreisen.

Der temporäre Fachausschuss der DLMBK hatte sich zum Ziel gesetzt, unter Berücksichtigung der vorliegenden Anträge, bestehender Positionspapiere der unterschiedlichen Verbände und unter Beteiligung von Sachkundigen aller involvierten Interessengruppen einen übergeordneten Leitsatz zu erarbeiten. Die DLMBK folgte dabei dem Anspruch, mit einem neuen Leitsatz Klarheit für alle Interessensgruppen zu schaffen, um auch unter Berücksichtigung bestehender Leitsätze eine eindeutige Zuordnung der am Markt befindlichen Produkte in Kategorien wie vegetarische, vegane oder tierische Lebensmittel zu gewährleisten und somit für Transparenz am Markt zu sorgen.

Der Fachausschuss erarbeitete einen Leitsatzentwurf, um eine eindeutige Klassifizierung der Lebensmittel zu ermöglichen und auch Bezeichnungsklarheit zu schaffen. Die im Rahmen des Anhörungsverfahrens eingebrachten Einwendungen dazu wurden intensiv diskutiert und berücksichtigt. Beratung und Unterstützung erhielten die Fachausschussmitglieder durch Sachkundige verschiedener Kreise. Die besondere Schwierigkeit ergab sich vor allem dadurch, dass eine gefestigte Verkehrsauffassung für die verschiedenen Produktgruppen nicht zu erkennen war. Die Fachausschussmitglieder sahen daher überwiegend die Notwendigkeit, prägend in die Produktaufmachung einzugreifen. Zudem sollte Fehlentwicklungen in Bezeichnungen und Aufmachungen entgegengewirkt werden.

Nur durch einen systematischen Abgleich von Beschaffenheit und Aufmachung ließ sich für alle am Markt Beteiligten mehr Klarheit erzielen. Dies sollte sich vor allem auf vegane und vegetarische Lebensmittel auswirken, die sich an Bezeichnungen für Fleisch und Fleischerzeugnisse, Fisch und Fischerzeugnisse, Krebs- und Weichtiere und Erzeugnisse davon sowie Feinkostsalate, die insbesondere in den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches beschrieben sind, anlehnen. Für diese bestimmten veganen und vegetarischen Lebensmittel bedeuteten die Beschreibungen, dass Kennzeichnung und Aufmachung im Einzelfall anzupassen waren – selbst dort, wo ein Erzeugnis schon seit geraumer Zeit ohne Beanstandung im Handel war.

Der temporäre Fachausschuss hat an zehn Sitzungstagen einen Entwurf erarbeitet und dem Plenum vorgelegt. Am 21. August 2018 wurden die Leitsätze in einer zweiten Beratung und Abstimmung im Plenum letztendlich einstimmig beschlossen. Nach der rechtlichen und fachlichen Prüfung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wurde das Einvernehmen zur Veröffentlichung der Leitsätze vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erteilt. Die Leitsätze wurden im Dezember 2018 im Bundesanzeiger (BAnz AT 20.12.2018 B1) und im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl 2018 S. 1174) veröffentlicht.

Ausgangssituation: bis Ende 2022

Der Markt für vegane und vegetarische Lebensmittel zeigt seit Jahren wachsende Umsatzzahlen und eine steigende Vielfalt der Produkte. Einen an die DLMBK gerichteten Antrag nahm das Präsidium der DLMBK zum Anlass, als Fachausschuss für horizontale Fragestellungen erstmals Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs zu entwerfen, die von der Kommission angenommen und 2018 veröffentlicht wurden.

Die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuches geben keine unverrückbare Verkehrsauffassung wieder, sondern unterliegen einer regelmäßigen Überprüfung durch die DLMBK. Änderungsbedarf kann zum Beispiel durch gesetzliche Anpassungen oder mögliche Änderungen des Marktgeschehens begründet sein. Daher hat sich das Präsidium der DLMBK auf seiner 60. Sitzung mit der Frage beschäftigt, ob und inwieweit die 2018 erstmals veröffentlichten Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs die Bewährungsprobe im Markt bestanden haben. Einige der dafür zu klärenden Fragen lauten: Hat die amtliche Lebensmittelüberwachung hinsichtlich der beschriebenen Kriterien der gestuften sensorischen Ähnlichkeit noch weiteren Präzisierungs- und Klarstellungsbedarf? Gibt es eine klare, berechtigte Verbrauchererwartung, und hängt diese eventuell von den einzelnen Zielgruppen der Produkte ab? Wie steht es um die Akzeptanz der Leitsätze, die in einigen Teilen einen prägenden Charakter haben, bei Herstellern und Händlern? Darüber hinaus ging anbieterseitig ein Änderungsantrag ein, der vom Präsidium an den temporären Fachausschuss überwiesen wurde.

Der temporäre Fachausschuss 8 hatte daraufhin im November 2020 seine Arbeit wieder aufgenommen und über die genannten Fragestellungen beraten.

Es wurden verschiedene Punkte angepasst, geändert und versucht deutlicher darzustellen, allerdings konnte der überarbeitete Leitsatzentwurf im Juni 2022 nicht die erforderliche Mehrheit im Plenum der DLMBK erreichen. Somit behielt die im Dezember 2018 veröffentlichte Fassung der Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs weiterhin ihre Gültigkeit.

Zwischenzeitlich gab es zum 1. Juli 2022 eine Neuberufung der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission. Zudem ging im Sommer 2022 erneut ein gruppenübergreifender Antrag auf Wiederaufnahme der Beratungen zu den Leitsätzen ein, der vom Präsidium an den temporären Fachausschuss 8 überwiesen wurde.

Die Diskussion zu dem vorliegenden Änderungsantrag wurde in der 12. Sitzung des Fachausschusses am 8. Februar 2023 unter Beteiligung von Sachkundigen und weiteren Mitgliedern der DLMBK fortgesetzt. Der Änderungsantrag basierte auf dem bereits vorliegenden, überarbeiteten Leitsatzentwurf aus der vergangenen Berufungsperiode. Nach erneuter Bearbeitung der strittigen Punkte, die zuletzt zum Scheitern in der Plenarabstimmung geführt hatten, wurde der überarbeitete Leitsatzentwurf als geplante Neufassung von den anwesenden Fachausschussmitgliedern einstimmig beschlossen und durchlief anschließend ein Anhörungsverfahren.

Am 15. August 2023 traf sich der Fachausschuss zu seiner 13. Sitzung, um gemeinsam mit Sachkundigen über die eingegangenen Anmerkungen und Stellungnahmen zu diskutieren.

Ziele

Die Definition von veganen/vegetarischen Lebensmitteln in den Leitsätzen, die dem Beschluss der Verbraucherschutzministerkonferenz entspricht und somit die Grundlage für alle am Markt Beteiligten bildet, wurde beibehalten und nicht ausgeweitet.

Deutlicher dargelegt werden soll, dass die Angaben "vegan/vegetarisch" nicht mit Auslobungen bezüglich einer Abwesenheit von potentiell allergischen Stoffen oder Stoffen, welche Unverträglichkeiten auslösen können, gleichzusetzen sind, da technologisch unvermeidbare Spuren durchaus vorkommen könnten. Ebenso war man sich bei der Beratung einig, dass Begrifflichkeiten wie "fleischfrei" oder "pflanzenbasiert" nicht eindeutig genug sind, um mit der Auslobung vegan oder vegetarisch gleichgesetzt werden zu können.

Erneut intensiv beraten wurde über die grundsätzliche Frage, für welche Produkte die Leitsätze gelten sollen. Wie kann man den Anwendungsbereich so formulieren, dass dies für alle beteiligten Kreise nachvollziehbar ist? Wie verhindert man, dass nicht-intendiert an Lebensmittel tierischen Ursprungs angelehnte Bezeichnungen bzw. die entsprechenden Produkte fälschlicherweise in den Geltungsbereich der Leitsätze gezogen werden, z. B. das Sellerie-Schnitzel. Das Ziel ist, die Produkte zu erfassen, welche sich bewusst oder unbewusst mit ihrer Aufmachung und/oder Bezeichnung an Lebensmittel tierischen Ursprungs oder deren verkehrsübliche Bezeichnungen anlehnen. Diese Erzeugnisse sollen zu einem gewissen Grade mit den in Bezug genommenen Produkten tierischen Ursprungs auch vergleichbar sein. Die Erzeugnisse sollen drei Kriterien erfüllen: Sie werden augenscheinlich als vegane/vegetarische Lebensmittel angeboten, sie lehnen sich eindeutig an verkehrsübliche Bezeichnungen von Lebensmitteln mit tierischen Zutaten an und weisen gleichzeitig Ähnlichkeit zu dem in Bezug genommenen Lebensmitteln tierischen Ursprungs auf. Alle Kriterien müssen zusammen erfüllt sein, um unter den Anwendungsbereich der Leitsätze zu fallen. Vor diesem Hintergrund wurde über die in den geltenden Leitsätzen aufgeführten Ähnlichkeitskriterien besonders intensiv gesprochen. Der Ähnlichkeit zwischen Bezugs- und Ersatz-/Alternativprodukt kommt eine große Bedeutung zu; sie legt u. a. die Grundlage für die Wahl der verkehrsüblichen Bezeichnung. Der Fachausschuss war sich einig, dieses Prinzip weiterzuverfolgen.

Um die Unterscheidung zwischen hinreichender und weitgehender sensorischer Ähnlichkeit nachvollziehbarer zu machen, war es Konsens, für die sensorischen Dimensionen Aussehen, Geruch, Geschmack, Mundgefühl, Textur und Konsistenz wissenschaftlich korrekte Definitionen aufzunehmen, die so formuliert werden, dass sie anwenderfreundlich und verständlich sind. Auf die Definition der retronasalen Dimension wurde als Spezialfall nicht explizit eingegangen, da diese bereits durch die aufgeführten Eigenschaften mit abgedeckt ist.

Auch die ersetzenden Zutaten mit ihren sensorischen Eigenheiten wie Tofu, Seitan und Tempeh wurden besprochen. Diese werden schon sehr lange für vegane und vegetarische Lebensmittel verwendet. Im Leitsatzentwurf haben sie nun spezifische Beschreibungen erhalten.

Und letztlich wurden die Begrifflichkeiten "hinreichende und weitgehende sensorische Ähnlichkeit" selbst beschrieben, um die Unterscheidung greifbarer werden zu lassen. Eine hinreichende Ähnlichkeit bedeutet eine deutlich wahrnehmbare Ähnlichkeit, welche als Mindestvoraussetzung gegeben sein muss, um die Anlehnung an Begrifflichkeiten von Lebensmitteln tierischen Ursprungs zu rechtfertigen, wohingegen eine weitgehende sensorische Ähnlichkeit tatsächlich eine nahezu umfassende Ähnlichkeit bedeutet. Hier treten nur geringe Abweichungen bezüglich der ersetzenden Zutaten und deren Eigenschaften auf. Es wurde dabei noch einmal deutlich gemacht, dass Anlehnungen an tierische Premiumprodukte und gewachsene Fleisch- bzw. Fischstücke mit diesem hohen Anspruch an die weitgehende Ähnlichkeit einhergehen.

Darüber hinaus wurden im Leitsatzentwurf die Namen von geänderten Leitsätzen angepasst und einige Beispiele spezifischer Wurstwaren im Abschnitt 2 "Besondere Beurteilungsmerkmale" für bestimmte vegane und vegetarische Lebensmittel aktualisiert.

Um die Übersichtlichkeit zu verbessern, entschied sich der Fachausschuss, bei den verschiedenen Produktgruppen in der Leitsatznummer 2 "Besondere Beurteilungsmerkmale" jeweils eine Unterscheidung in "Übliche Anlehnungen" und "Unübliche Anlehnungen" vorzunehmen. Die Liste der üblichen Bezeichnungen wurde erweitert, allerdings unter Beibehaltung der qualitativen Anforderungen. Es soll damit dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es in dem Segment der spezifischen Wurstwaren "Salami", "Lyoner" oder auch "Wiener" bereits eine durchaus nennenswerte Zahl an vegan/vegetarischen Ersatz-/ Alternativprodukten gibt, die auch die sensorischen Anforderungen an das Bezugsprodukt erfüllen. Darüber hinaus wurden die aufgeführten Beispiele für Bezeichnungen der Lebensmittel gegenüber den derzeit gültigen Leitsätzen überarbeitet.

Im Bereich der Anlehnungen an Fischprodukte wurden einige mögliche Bezeichnungen aus der Beispiel-Liste gestrichen, da sie derzeit keine Marktrelevanz besitzen.

Bei Anlehnungen an Feinkostsalate wurde lediglich auf übliche Anlehnungen hingewiesen.

Letztendlich wurde der final überarbeitete Leitsatzentwurf als geplante Neufassung von den anwesenden Fachausschussmitgliedern einstimmig beschlossen.

Weitere Schritte

Der vom Fachausschuss erarbeitete neue Leitsatzentwurf wird nun dem Plenum der DLMBK als final erarbeitete Leitsatzempfehlung zur Beratung und Abstimmung im November 2023 vorgelegt werden.

Bei einer positiven Abstimmung im Plenum erfolgt anschließend die Rechtsprüfung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie die Herstellung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Wurde dies erfolgreich abgeschlossen, können die Leitsätze veröffentlicht werden.

Die Neufassung wird bei entsprechender Annahme schließlich im Bundesanzeiger und im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht.

Stand: 21.09.2023

Erschienen am im Format Artikel

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