Fachkonferenz präsentiert Erkenntnisse aus Hauptamt stärkt Ehrenamt
Mit einem abwechslungsreichen Programm wurden die Erkenntnisse des vom BMEL geförderten Verbundvorhabens Hauptamt stärkt Ehrenamt in Berlin und digital Interessierten aus Politik, Verwaltung und Praxis vorgestellt. Ganz im Sinne des auf Wissenstransfer ausgerichteten Bundesprogramms Ländliche Entwicklung und Regionale Wertschöpfung (BULEplus) bereicherten Akteure aus den beteiligten Landkreisen, Wissenschaft, Politik und Engagementpraxis die Konferenz mit ihren Erfahrungen und Impulsen.
Wie hauptamtliche Strukturen zur Stärkung des Ehrenamts in ländlichen Räumen aufgebaut und verbessert werden können, haben 18 Landkreise im Verbundprojekt Hauptamt stärkt Ehrenamt von Januar 2020 bis Juni 2023 erprobt. Das BMEL, welches das Vorhaben gemeinsam mit dem Deutschen Landkreistag (DLT) initiiert hat, reagierte damit auf verbreitete Forderungen aus den Reihen der Ehrenamtlichen, nach einer stärkeren Unterstützung aus der örtlichen Verwaltung. Über die gesamte Projektlaufzeit wurden dafür Fördermittel in Höhe von rund 6 Mio. Euro aufgewendet. Die beteiligten Landkreise haben damit unterschiedliche Ansätze für eine Unterstützung des freiwilligen Engagements vor Ort erprobt.
Auf der Fachkonferenz "Hauptamt stärkt Ehrenamt – Für ein starkes Engagement in ländlichen Räumen", die am 13. Mai 2024 in Berlin und online stattfand, standen die Vorstellung und Diskussion der Erfahrungen und Ergebnisse aus dem Verbundvorhaben im Mittelpunkt. Teilnehmende erhielten die Möglichkeit, erfolgreiche Beispiele für die Stärkung des Ehrenamts durch hauptamtliche Strukturen kennenzulernen, in den Austausch mit anderen Interessierten und Verantwortlichen zu treten und gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Praxis Gestaltungsmöglichkeiten zu diskutieren. Sie konnten zudem erfahren, welche Organisationsformen und Angebote sich unter unterschiedlichen regionalen Bedingungen in den Landkreisen bewährt haben, um Engagierte bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit zu unterstützen. In Ihrer Eröffnungsansprache vor über 250 Personen unterstrich Claudia Müller, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, die Relevanz des Ehrenamts als eine Säule der Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Prof. Hans-Günter Henneke, Hauptgeschäftsführer des DLT, erläuterte anschließend die Besonderheiten ländlicher Räume als Ausgangsbedingungen für freiwilliges Engagement auf dem Land.
Erfolgreiches Zusammenwirken von Hauptamt und Ehrenamt
Die Präsentation der Ergebnisse aus der fachlichen Auswertung der Fördermaßnahme erfolgte durch das Team von Kienbaum Consultants International. Der Schwerpunkt lag dabei auf der praktischen Umsetzung sowie der Wirkung des Verbundvorhabens in den Landkreisen. Hierbei wurden fünf wesentliche Erkenntnisse vorgestellt:
- Die Verortung hauptamtlicher Stellen auf Landkreisebene zur Stärkung des Ehrenamts hat sich bewährt. Dort können Ressourcen gebündelt und Synergien erzeugt werden. Es empfiehlt sich, neben den zentralen Unterstützungsstrukturen bestimmte Angebote – unter Einbindung der Gemeinden – auch dezentral zu verankern.
- Die systematische Vernetzung im Landkreis ist die Basis für eine effiziente und effektive Angebotskonzeption. So können Angebote mit anderen Stellen in der Landkreisverwaltung, mit den Gemeinden sowie mit weiteren Akteuren, die das Ehrenamt unterstützen, bedarfsgerecht abgestimmt werden.
- Die Arbeit im Verbund hat wesentlich zum Transfer von Best Practices beigetragen. Die Erarbeitung von Problemlösungen im Verbund war zielführend, insbesondere bei ähnlichen operativen Herausforderungen, und hat einen wesentlichen Beitrag zum Wissenstransfer geleistet.
- Digitale Angebote bilden eine wesentliche Säule der Unterstützung - auch über die Pandemiezeiten hinaus. Die Digitalisierung von Angeboten ermöglicht gerade in ländlichen Räumen eine bessere Zielgruppenerreichung in der Fläche sowie teilweise eine effizientere Umsetzung von Angeboten.
- Verstetigung der Angebote, zur Deckung des fortbestehenden Unterstützungsbedarfes, kann auch mit eingeschränkten Ressourcen gelingen. Dabei ist eine Weiterführung in verschiedenen Modellen möglich, bei denen dem Landkreis in der Regel mindestens eine Vernetzungs- und Lotsenfunktion zukommt.
In Ergänzung zu der Ergebnispräsentation aus der Fachauswertung berichteten sieben der an Hauptamt stärkt Ehrenamt beteiligten Landkreise im Rahmen eines Galerierundgangs von ihren eigenen Erfahrungen. An den verschiedenen Stationen des Galerierundgangs konnten die Teilnehmenden lernen, wie die Projektbeteiligten ihre Ideen unter unterschiedlichen regionalen und organisatorischen Ausgangsbedingungen umgesetzt haben. Wichtige Bausteine waren dabei unter anderem eine Identifikation der Bedarfe, eine gute Öffentlichkeitsarbeit und Zielgruppenansprache sowie der zielgerichtete Einsatz digitaler Werkzeuge. Die Gespräche zwischen Projektverantwortlichen und Teilnehmenden drehten sich auch um die Vielfalt des Engagements, wichtige Trends und den Einfluss der Demografie auf die Engagementlandschaft.
Ein Engagement in Bewegung braucht passgenaue Unterstützung
Prof. Dr. Marc Redepenning, Professor für Kulturgeographie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, eröffnete mit einem wissenschaftlichen Impuls den Nachmittag. Dabei referierte er über Gelingensbedingungen und Herausforderungen des zivilgesellschaftlichen Engagements in ländlichen Räumen und stellte auch ausgewählte Erkenntnisse aus dem im Rahmen des BULEplus geförderten Forschungsprojekts "Säulen des Engagements" vor.
Er führte aus, dass sich Engagierte nicht selten parallel sowohl auf formalisierten als auch auf weniger formalisierten (‚fluiden‘) Engagementfeldern bewegen. Dabei finden Aktivitäten im weniger formalisierten Engagement oft unter dem Dach eines Vereins statt. Dies erfordere, so Redepenning, möglicherweise eine neue Sicht auf den Verein als Institution des Ehrenamts sowie mehr Sensibilität für Ermöglichungsräume und Ermöglichungsstrukturen des Engagements. Den Kommunen wiederum komme in Bezug auf ehrenamtliches Engagement eine hohe Bedeutung als Vermittlungsstelle und für die Informationsweitergabe zu. Damit einher gingen auch neue Anforderungen für die Unterstützung durch das Hauptamt, etwa Mentoring, Mediation und Coaching. Die Notwendigkeit, auch das weniger formalisierte Ehrenamt zu stärken, liegt dabei für Redepenning auf der Hand: "Ohne die Aktivitäten, die nebenherlaufen, wäre das Dorfleben weniger integrativ".
Anschließend diskutierten erfahrene Expertinnen und Experten aus Politik und Praxis, wie die Stärkung des freiwilligen Engagements in ländlichen Räumen gelingen kann. Nikola Ornig, Projektleiterin bei Kienbaum, befragte diese zu ihren Sichtweisen, Erfahrungswerten und Expertisen. Stellvertretend für viele Engagierte plädierten Steffi Scholer und Olaf Beyer dafür, Wertschätzung nicht nur an Pauschalen und Auszeichnungen festzumachen, sondern vor allem daran, dass es dauerhaft tätige und gut vernetzte Ansprechpersonen sowie punktuelle, bedarfsorientierte Unterstützung für Ehrenamtliche gibt.
Tanja Schweiger, Landrätin des am Verbundvorhaben beteiligten Landkreises Regensburg, unterstrich die Notwendigkeit, langfristig zu denken und funktionierende Schnittstellen zu den bestehenden Verbänden zu schaffen, weil die Stärkung des Ehrenamts nur „eine gemeinsame Entwicklung“ sein kann. Während Ralf Göbel, Unterabteilungsleiter im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), die unterschiedlichen Ansatzpunkte aufzeigte, die das BMI als eines der verantwortlichen Ministerien für den gesellschaftlichen Zusammenhalt verfolgt, gab Jan Holze, Vorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) einen Überblick über die vielfältigen Unterstützungsangebote der Stiftung für die freiwillig Engagierten.
Birgit Bursee, Vorstandsvorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (bagfa), betonte ebenfalls die Relevanz der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure in Verwaltung und Zivilgesellschaft. So würden auch die Freiwilligenagenturen ihre Arbeit von Beginn an im Tandem denken, denn: Ehrenamtsunterstützung "funktioniert nicht ohne die Verwaltung". Aus dem Publikum wurden darüber hinaus Fragen zur Ausgestaltung einer Anerkennungskultur gestellt sowie Hinweise darauf gegeben, wie sich das Ehrenamt perspektivisch verändern werde. So brachte eine Teilnehmende an, dass man sich auch auf einen verstärkten Wunsch nach Flexibilität bei jungen Menschen einstellen müsse.
Zum Abschluss bedankte sich Dr. Klaus Heider, Leiter der Abteilung "Ländliche Entwicklung, Digitalpolitik, Innovation" im BMEL, bei allen Beteiligten. Er erläuterte, dass die Unterstützung von Engagement und Ehrenamt weiter gemeinsames Anliegen von BMEL, BMI und dem Bundeministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bleiben werde, die gemeinsam die DSEE finanzieren. Er unterstrich, dass die Unterstützung, Anerkennung und Wertschätzung des Engagements vieler Bürgerinnen und Bürger durch die Verwaltungen aller Ebenen – Bund, Länder, aber besonders der Verwaltungen vor Ort in Gemeinden und Landkreisen – von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Erleichterung und Förderung bürgerschaftlichen Engagements sei. Dr. Haider hofft, dass das Vorhaben und die Fachkonferenz wichtige Impulse für die Praxis geben können.