Gleichwertige Lebensverhältnisse

Deutschland ist ein vielfältiges Land. Dabei sind die Lebensverhältnisse, die Landschaften, die Siedlungs- und Wirtschaftsstrukturen, die Anbindung an Zentren wie auch die Dialekte und Traditionen verschieden. Auch sind zwischen und innerhalb von Regionen unterschiedliche Potenziale und Entwicklungen zu beobachten. Die Bundesregierung setzt sich ressortübergreifend und mit unterschiedlichen Instrumenten für gleichwertige Lebensverhältnisse ein. Es geht nicht um Gleichmacherei sondern darum, ländliche wie städtische Regionen nachhaltig attraktiv, wirtschaftlich vital und lebenswert zu gestalten.

Was sind gleichwertige Lebensverhältnisse?

Gleichwertige Lebensverhältnisse in starken und lebenswerten Regionen in ganz Deutschland sind zentrales politisches Ziel der Bundesregierung. Sie sind wichtig für eine räumlich ausgewogene wirtschaftliche Entwicklung, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für Chancengerechtigkeit – und sie betreffen uns alle. Jede Bürgerin und jeder Bürger des Landes soll in der Region gut leben können, wo sie oder er gerne leben möchte. Und jedes Unternehmen soll am eigenen Standort gute Bedingungen vorfinden, damit es erfolgreich sein kann. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung unseres Landes lebt in ländlichen Räumen, vor allem in Klein- und Mittelstädten. Die Bundesregierung nimmt die Vielfalt, dezentrale Strukturen und Lebenswirklichkeiten dort besonders in den Blick.

Ziele der Politik für gleichwertige Lebensverhältnissen in ganz Deutschland sind:

  1. eine gerechte Verteilung von Ressourcen und faire Teilhabechancen für alle in Deutschland lebenden Menschen zu erreichen,
  2. Disparitäten zu verringern und deren Verfestigung zu verhindern sowie strukturschwachen Regionen zu stärken,
  3. die traditionelle Stärke Deutschlands mit seiner dezentralen Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur auch in Zeiten des Wandels zu erhalten,
  4. den Wegzug aus Regionen und den Druck auf die Ballungsräume mit seinen volkswirtschaftlichen Kosten und sozialen Folgen zu dämpfen sowie
  5. den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land zu sichern.

Von der Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse bis zum 1. Gleichwertigkeitsbericht

Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse

In der 19. Legislaturperiode begann mit der Arbeit der Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse eine intensive, ressort- und länderübergreifende Auseinandersetzung mit Themen der Chancengleichheit zwischen Stadt und Land sowie den verschiedenen Regionen Deutschlands.

An der Kommission waren alle 16 Bundesressorts, die drei Bundesbeauftragten, alle 16 Bundesländer und die drei Spitzenverbände der Landkreise, Städte und Gemeinden beteiligt. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) engagierte sich in der Kommission als "Anwalt" der ländlichen Räume. Die Arbeit zu verschiedenen Themenfeldern fand in sechs Facharbeitsgruppen statt:

  • Kommunale Altschulden,
  • Wirtschaft und Innovation,
  • Raumordnung und Statistik,
  • Technische Infrastruktur,
  • Soziale Daseinsvorsorge und Arbeit sowie
  • Teilhabe und Zusammenhalt der Gesellschaft.

Akteurinnen und Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft waren beratend eingebunden und konnten so punktuell die Arbeitsgruppen unterstützen.

Bereits nach einem halben Jahr intensiver Arbeit haben die Facharbeitsgruppen Berichte mit Handlungsempfehlungen erstellt. Die drei vorsitzführenden Ressorts BMI, BMEL und BMFSFJ haben auf dieser Grundlage wesentliche Schlussfolgerungen für den Handlungsbedarf auf Ebene des Bundes, aber auch der Länder und Kommunen, erarbeitet.

Fokus auf Ländliche Räume

Betrachtet wurden die Themen jeweils aus der Perspektive der Verdichtungsräume und der ländlichen Räume. Die Entwicklung der ländlichen Räume ist ein besonderes Anliegen des BMEL. Die ländlichen Regionen sind die Kraftzentren Deutschlands. Sie sind attraktive Lebensräume und Orte des Zuzugs, mittelständischer Wirtschaftskraft, niedriger Arbeitslosigkeit und hohen Engagements. Damit dies so bleibt, brauchen sie eine gute Ausstattung mit Infrastrukturen und Daseinsvorsorgeeinrichtungen, aber auch rechtliche Rahmenbedingungen, die den kleineren Strukturen ländlicher Unternehmen, Gemeindeverwaltungen und der Zivilgesellschaft gleichwertige Chancen bieten. Wichtige Daten und Informationen bieten der Landatlas des Thünen-Instituts und der Deutschlandatlas.

Maßnahmen zur Stärkung gleichwertiger Lebensverhältnisse

Im Juli 2019 beschloss die Bundesregierung als erstes Ergebnis ein Maßnahmenpaket, das wichtige Prozesse in verschiedenen Politikbereichen anstieß. Dazu gehörten unter anderem die gerade für ländliche Räume relevanten und inzwischen etablierten und in den letzten Jahren weiterentwickelten Maßnahmen wie der Gleichwertigkeitscheck für Bundesgesetze oder die von drei Ressorts getragene Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt.

Folgende 12 prioritäre Maßnahmen gehörten zum Paket:

1. Mit einem neuen gesamtdeutschen Fördersystem strukturschwache Regionen gezielt fördern.

2. Arbeitsplätze in strukturschwache Regionen bringen.

3. Breitband und Mobilfunk flächendeckend ausbauen.

4. Mobilität und Verkehrsinfrastruktur in der Fläche verbessern.

5. Dörfer und ländliche Räume stärken.

6. Städtebauförderung und sozialen Wohnungsbau voranbringen.

7. Eine faire Lösung für kommunale Altschulden finden.

8. Engagement und Ehrenamt stärken.

9. Qualität und Teilhabe in der Kindertagesbetreuung sichern.

10. Barrierefreiheit in der Fläche verwirklichen.

11. Miteinander der Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen fördern.

12. Gleichwertige Lebensverhältnisse als Richtschnur setzen.

Im April 2021 beschloss das Bundeskabinett die Zwischenbilanz zur Umsetzung der Maßnahmen der Politik für gleichwertige Lebensverhältnisse in der 19. Legislaturperiode. Damit gab die Bundesregierung einen ersten Überblick zum Umsetzungsstand der einzelnen Maßnahmen. Zudem verdeutlichte sie die Bedeutung der Politik für gleichwertige Lebensverhältnisse als Querschnittsthema.

Erster Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung

In der 20. Legislaturperiode hat die Bundesregierung erstmals einen Gleichwertigkeitsbericht „Für starke und lebenswerte Regionen in Deutschland“ vorgelegt. Der Bericht stellt Stand und Entwicklung er Lebensbedingungen den Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland in einer thematisch großen Breite dar. Er beschreibt Maßnahmen und Initiativen der Bundesregierung zur Stärkung gleichwertiger Lebensverhältnisse und zeigt die regionale Verteilung und Wirkung regionalpolitischer Maßnahmen. Zudem bezieht er die Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger zu den Lebensbedingungen vor Ort mit ein.

Der Bericht zeigt die Vielfalt Deutschlands und seiner Regionen im Hinblick auf demografische, wirtschaftliche, infrastrukturelle und kulturelle Ausstattungen und Entwicklungen. Es gibt nicht nur starke und schwächere Regionen, sondern alle Übergänge.

Der Gleichwertigkeits-Bericht 2024 zeigt eine Annäherung der Regionen beispielsweise in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der Arbeitslosenquote, der Lebenserwartung oder der Ganztagsbetreuung. Dort nehmen Unterschiede ab! Aber: Viele Regionen stehen weiterhin vor großen Herausforderungen. Der zu erwartende Bevölkerungsrückgang gerade in den strukturschwächeren Räumen kann mit einer Schwächung der Fachkräftebasis, der wirtschaftlichen Lage und der kommunalen Haushalte einhergehen.

Zentrale Maßnahmen und Instrumente mit Beteiligung des BMEL

Die Bundesregierung trägt mit einer großen Vielzahl an Maßnahmen zur Stärkung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland bei.

Gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen

Die Förderung strukturschwacher Räume ist ein besonderes Anliegen. Die Bundesregierung plant die Weiterentwicklung des Gesamtdeutschen Fördersystems (GFS) und setzt auf eine bessere Verzahnung auch der weiteren regionalpolitischen Maßnahmen und den verstärkten Austausch mit den Kommunen, verbunden mit neuen Unterstützungsangeboten. Zum GFS gehören die Wirtschaftsförderung, die Förderung ländlicher Räume und die Städtebauförderung sowie weitere Bundesprogramme.

Förderung der ländlichen Entwicklung

Das BMEL fördert die Integrierte ländliche Entwicklung (Dorfentwicklung, Grundversorgung, Regionalbudget) als wichtiger Teil der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK-ILE) und des GFS. Auch die und die EU-Förderung der ländlichen Entwicklung im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (insbesondere ELER und LEADER) unterstützt ländliche Regionen.

Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt

Ein Ergebnis aus der Arbeit der Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse war die Errichtung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE), gegründet als gemeinsames Vorhaben von BMEL, BMFSFJ sowie BMI im Jahr 2020 mit Sitz in Neustrelitz. Ein Arbeitsschwerpunkt der Stiftung liegt auf der Stärkung des Engagements in ländlichen und strukturschwachen Regionen.

Gleichwertigkeits-Check bei Gesetzesvorhaben

Frühzeitige Folgenabschätzungen bei der Rechtssetzung können zur besseren Berücksichtigung räumlich-struktureller Unterschiede beitragen. Um die räumliche Wirkung von grundsätzlich allen Gesetzesvorhaben des Bundes schon bei Erarbeitung und letztlich bei der parlamentarischen Beschlussfassung zu erfassen, bekennt sich die Bundesregierung dazu, den Gleichwertigkeitscheck (GL-Check) im Rahmen der Bundesgesetzgebung konsequent anzuwenden. Ziel des GL-Checks ist es, für die im Grundgesetz verankerte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu sensibilisieren und in Gesetzgebungsverfahren die Auswirkungen auf diese abzuschätzen. Die Auseinandersetzung mit dem Thema ist insoweit auch ein Beitrag zu besserer Rechtsetzung. Im Sinne der ländlichen Entwicklung eignet sich das Instrument, um Strukturunterschiede zwischen städtischen und ländlichen Räumen transparent aufzuzeigen, im Bemühen, diese Unterschiede bei der Gesetzgebung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu berücksichtigen und in die notwendigen Abwägungen einfließen zu lassen. Typischerweise erhalten auf diese Weise bei der Zusammenarbeit entsprechend der „Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien“ die Ressorts der Bundesregierung eine frühzeitige Gelegenheit, die durch sie vertretenen Interessen (beispielsweise unterschiedliche Auswirkungen im Bundesgebiet auf Kommunalfinanzen, Erwerbschancen, Mobilität, Daseinsvorsorge) in den Gesetzgebungsprozess einfließen zu lassen.

Deutschlandatlas

Gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land sind für die Politik des BMEL und für seine Forschungsinstitute seit langem eine wichtige Aufgabe. Bereits 2016 wurde vom Thünen-Institut der Thünen-Landatlas erstmals online geschaltet. Seit 2019 betreiben das BMWSB (seit 2021), BMI, BMEL sowie BMFSFJ mit fachlicher Unterstützung vom Statistischen Bundesamt,  Thünen-Institut sowie Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) den Deutschlandatlas. Auf damals zunächst 56 interaktiven Karten bildete dieser die wichtigsten Fakten über das Leben in den Kreisen und kreisfreien Städten Deutschlands ab. In den letzten Jahren wurde der Deutschlandatlas kontinuierlich weiterentwickelt und regelmäßig aktualisiert. Inzwischen zeigen 82 interaktive Karten die Lebens- und Standortbedingungen in den Regionen Deutschlands. Sie veranschaulichen, wie unterschiedlich unser Land und seine Regionen sind – ob bei der Landnutzung oder der demografischen Entwicklung, beim Einkommen oder bei der Erreichbarkeit von Läden, Schulen und Krankenhäusern. Ein gutes Monitoring ist die beste Grundlage, um mit zielgerichteter, effektiver Strukturpolitik gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen.

Innovative Ansätze und Wissenstransfer für ländliche Räume

Um Innovationen und Wissen für ländliche Räume, Infrastrukturen sowie lebendige Dorfstrukturen zu voranzubringen, fördert BMEL Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) im Rahmen des Bundesprogramms Ländliche Entwicklung und regionale Wertschöpfung (BULEplus), beispielsweise zur Nahversorgung, ländlicher Mobilität oder Kultur.

Die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist und bleibt eine wichtige Querschnittsaufgabe für die kommenden Jahre. Um die genannten Ziele zu erreichen, sind gemeinsame Anstrengungen auf allen Ebenen notwendig.

 

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