Internationale Zusammenarbeit
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) setzt sich dafür ein, die internationale Zusammenarbeit zu stärken und ein kooperatives, auf internationale Gerechtigkeit ausgerichtetes Management der Agrobiodiversität zu erreichen.
Denn die Vielfalt der Arten, Sorten, Rassen und Stämme (genetische Ressourcen) bildet die Grundlage, um die Nahrungsmittel- und forstliche Produktion an die sich ändernden Klima - und Umweltbedingungen bzw. sich änderndes Konsumverhalten anzupassen. Somit sind die Erhaltung und die innovative, nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft und in der Folge auch für die Sicherung der Welternährung von grundlegender Bedeutung.
Aus diesem Grund werden in Zusammenarbeit mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und anderen internationalen Organisationen im Agrar- und Ernährungsbereich multilaterale Projekte zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit in den Bereichen Ernährung, Landwirtschaft, Fischerei und Forstwirtschaft u.a. zur Erhaltung genetischer Ressourcen durchgeführt.
Die Schwerpunkte der internationalen Zusammenarbeit sind hier:
- Verbesserung der Erfassung und Dokumentation des Zustands von genetischen Ressourcen z.B. durch globale Informationssysteme und Kapazitätsaufbau für genetische Ressourcen,
- Unterstützung der Erstellung der Weltzustandsberichte der FAO,
- Verbesserung der Erhaltungsinfrastruktur und der Nutzbarmachung von genetischen Ressourcen,
- Zugang und gerechter Vorteilsausgleich bei genetischen Ressourcen.
Aktuell unterstützt das BMEL Projekte mit der FAO zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung tiergenetischer, pflanzengenetischer, forstgenetischer und aquatisch genetischer Ressourcen. Weitere Projekte zur pflanzengenetischen Vielfalt werden mit dem Europäischen Kooperationsprogramm für pflanzengenetische Ressourcen (ECPGR), dem Internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGRFA) und dem Globalen Treuhandfonds für Nutzpflanzenvielfalt (CROP TRUST) ausgeführt.
Ziel der BMEL-Projekte ist es, die Vielfalt der genetischen Ressourcen für Landwirtschaft und Ernährung zu unterstützen und einen Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel, zur Ernährungssicherung und gegen den Biodiversitätsverlust zu leisten. Weitere Details zu den Projekten finden Sie hier.
FAO-Kommission für Genetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (CGRFA)
Eine zentrale Rolle im internationalen Verhandlungs- und Koordinationsprozess zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt in Landwirtschaft und Ernährung spielt seit über 40 Jahren die FAO-Kommission für genetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (CGRFA).
Die CGRFA befasst sich mit allen Komponenten der biologischen Vielfalt, die für Ernährung und Landwirtschaft von Bedeutung sind. Das beinhaltet neben Nutzpflanzen, Nutztieren, genutzten Baumarten, aquatischen Lebewesen, Mikroorganismen und Wirbellosen auch die Vielfalt aller nicht domestizierten Arten, die die Produktion ermöglichen – zum Beispiel Bestäuber oder Bodenorganismen. Querschnittsfragen wie der Zugang zu genetischen Ressourcen und der gerechte Vorteilsausgleich, Biotechnologie sowie Monitoring und Indikatoren werden ebenfalls von der Kommission behandelt.
Mit ihrem mehrjährigen Arbeitsprogramm legt die CGRFA Ziele und Meilensteine zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Agrobiodiversität fest. Das BMEL hat sein internationales Engagement zur Stärkung der Arbeit der CGRFA stetig ausgebaut und beteiligt sich an der Durchführung des Arbeitsprogramms mit verschiedenen Projekten.
Globale Aktionspläne in den Bereichen tiergenetischer, pflanzengenetischer, forstgenetischer und aquatisch genetischer Ressourcen, sowie der "Framework for Action on Biodiversity for Food and Agriculture" beschreiben Handlungsempfehlungen für die Umsetzung auf Mitgliedsstaaten-, regionaler und globaler Ebene.
Zuletzt (Stand 2023) wurde die Etablierung zwei neuer Arbeitsgremien entschieden: eine zwischenstaatliche technische Arbeitsgruppe (ITWG) für genetische Ressourcen von Mikroorganismen und Wirbellosen (MIGR) und ein Ad-Hoc Expertenteam für Biodiversität für Ernährung und Landwirtschaft (BFA). Mit diesem Beschluss kommt die Kommission ihrem Mandat nach, alle Komponenten der biologischen Vielfalt für Ernährung und Landwirtschaft abzudecken. Somit sollen zukünftig Fragen im Zusammenhang mit der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung von Mikroorganismen und Invertebraten und zu BFA beantwortet werden können. Ebenso werden Synergien innerhalb der FAO und mit anderen globalen Gremien gestärkt. Damit leistet die Arbeit der Kommission ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Ziele des Übereinkommens über die biologische Vielfalt und dem von den Vertragsparteien 2022 beschlossenen Globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming und Montreal (KM-GBF).
Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen (ITPGRFA)
Der im Jahr 2004 in Kraft getretene Internationale Vertrag über Pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGRFA) ist das erste rechtsverbindliche multilaterale Abkommen zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung genetischer Ressourcen und wird in enger Verbindung und Harmonie mit dem Übereinkommen über die Biologische Vielfalt umgesetzt.
Die Vertragsstaaten des ITPGRFA verpflichten sich, pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft langfristig zu erhalten und nachhaltig zu nutzen, dabei auf internationaler Ebene zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen und die Vorteile aus der Nutzung gerecht zu verteilen.
Zentrales Element des ITPGRFA ist das so genannte Multilaterale System des Zugangs und Vorteilsausgleichs (Access and Benefit-Sharing, ABS), aus dem pflanzengenetische Ressourcen unter erleichterten Bedingungen mit Hilfe einer einheitlichen Vereinbarung für die Nutzung verfügbar gemacht werden.
Zur Erleichterung des Informationsaustausches wird seit 2015 ein globales Informationssystem (GLIS) entwickelt. Mit Unterstützung der Bundesregierung wurde die IT Infrastruktur für GLIS aufgebaut und Standards zur Identifizierung und Dokumentation von PGRFA entwickelt. GLIS integriert und verstärkt existierende Informationssysteme, und schafft so einen globalen Zugangspunkt zu Informationen und Wissen, um die Kapazitäten zur Erhaltung, Management und Nutzung von PGRFA zu stärken.
Der Projektfonds des Internationalen Vertrages über pflanzengenetische Ressourcen, der in über 30 Ländern weltweit aktiv ist, zielt darauf ab, die Vielfalt der Nutzpflanzen zu erhalten und für eine nachhaltige Ernährungssicherung in Zeiten des sich beschleunigenden Klimawandels bereitzustellen.
Globaler Nutzpflanzenfonds (CROP TRUST)
Der Globale Treuhandfonds für Nutzpflanzenvielfalt (CROP TRUST) ist Teil einer globalen Architektur zum Schutz der biologischen Vielfalt der Kulturpflanzen und der mit Kulturpflanzen verwandten Wildarten. Dazu zählen das Übereinkommen über die Biologische Vielfalt, der globale Aktionsplan der FAO zur "Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft" und der "Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen". Der Fonds sichert die Erhaltung und Verfügbarkeit pflanzengenetischer Ressourcen und betreibt unter anderem die Weltsaatgutbank auf Spitzbergen, in der aktuell über 1,2 Mio. Muster aus aller Welt lagern. Deutschland ist der zweitgrößte Geber des Crop-Trust-Stiftungsfonds.
Deutschland hat den Fonds seit seiner Gründung im Jahr 2004 unterstützt und bisher jenseits der aktuellen Projektförderung über sieben Millionen Euro zum Stiftungskapital beigesteuert. Seit 2013 hat das BMEL sechs Projekte des Crop Trust mit über 2,7 Mio. € gefördert. Die Fördermittel des BMEL kommen beispielsweise der Aktualisierung bestehender Erhaltungsstrategien von u.a. Kartoffel, Yams und Hirse sowie der Entwicklung von neuen globalen Erhaltungsstrategien für Zitrusfrüchte, Vanille, Erbsen und anderen zugute.
Der CROP TRUST betreibt mit Genesys das weltweit größte Portal für Informationen über die in Genbanken aufbewahrte Pflanzenvielfalt. Durch die Unterstützung des BMEL wurde eine umfangreichere Beschreibung der Genbank-Akzession ermöglicht und vorhandene phänotypische Daten aus anderen Datenquellen mit den Akzessionen von Genbanken verknüpft. Somit wurden Strukturen geschaffen, um eine Inwertsetzung der in Genbanken erhaltenen Pflanzenvielfalt durch die Bereitstellung von Charakterisierungs- und Evaluierungsdaten für die Züchtung zu ermöglichen und in Genesys zu dokumentieren. Heute enthält Genesys mehr als 4 Millionen Genbank-Akzessionen, das ist etwa die Hälfte der geschätzten Gesamtzahl der Welt.
Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity - CBD)
Die CBD hat das Ziel der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt der Erde sowie des gerechten Vorteilsausgleichs aus der Nutzung der biologischen Vielfalt weltweit. Sie beinhaltet ein spezifisches Programm zur Agrobiodiversität, innerhalb dessen es für die Landwirtschaft und Ernährung wichtige themenübergreifende Initiativen gibt, u.a. zur Vielfalt der Bestäuber, der Vielfalt im Boden und für die Ernährung.
Unter chinesischem Vorsitz wurde Ende 2022 das „Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework“ verabschiedet. Dieses gilt als Kompass für die internationale Arbeit zur biologischen Vielfalt und bildet den neuen Rahmen zur Erhaltung der Biodiversität. Mit ambitionierten Zielen, wie etwa 30 % der Land- und Meeresfläche unter Schutz zu stellen, soll der GBF eine Trendwende gegen das Aussterben der Artenvielfalt einleiten. Seine Implementierung hat Auswirkungen auf die zukünftige Arbeit vieler Institutionen, so auch auf das Arbeitsprogramm der CGRFA.
Das Nagoya-Protokoll (PDF, 144KB, Datei ist nicht barrierefrei) ist ein Zusatzprotokoll zur CBD. Es wurde 2010 in Japan durch die Mitgliedstaaten der CBD beschlossen, um das souveräne Recht der Staaten über ihre genetischen Ressourcen zu stärken und die Umsetzung der Zugangs- und Vorteilsausgleichregelung der CBD (Access and Benefit-Sharing, ABS) zu konkretisieren. Das Protokoll ist am 12. Oktober 2014 in Kraft getreten und gibt den rechtlichen Rahmen für die Regelung von ABS vor.
Es sieht grundsätzlich vor, dass die Zugangs- und Vorteilsausgleichsbedingungen bilateral und von Fall zu Fall zwischen dem Ursprungsland der Ressource und dem Nutzer verhandelt werden sollen. Es sieht außerdem vor, dass die Vertragsstaaten die Nutzer genetischer Ressourcen in ihrem Land kontrollieren, um sicherzustellen, dass die Zugangsregelungen anderer Länder eingehalten werden.
Diese Art des bilateralen Austauschs kann allerdings für die Nutzung genetischer Ressourcen in der landwirtschaftlichen Forschung und Züchtung eine Herausforderung darstellen. Es ist sicherzustellen, dass dadurch – auch im Hinblick auf den Klimawandel – der wichtige internationale Austausch und die Nutzung genetischer Ressourcen nicht erschwert wird. Denn dieser intensive Austausch ist ein wichtiger Baustein für den notwendigen Züchtungsfortschritt und für die Anpassung landwirtschaftlich genutzter Tiere und Pflanzen an sich ändernde Umweltbedingungen.
Da das Nagoya Protokoll nach über 10 Jahren nicht den erhofften Erfolg gebracht hat, weil insbesondere zu wenig finanzieller Vorteilsausgleich stattgefunden hat, spielt das Thema „Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechter Vorteilsausgleich“ eine große Rolle im neuen GBF. Darin werden die Aufteilung der Vorteile sowohl für die Nutzung von genetischen Ressourcen und zugehörigem traditionellem Wissen als auch – neu eingeführt – für die Nutzung von digitalen Sequenzinformationen über genetische Ressourcen (DSI) angestrebt.
Die Frage, wie einerseits das angedachte Benefit-Sharing aus der Nutzung genetischer Ressourcen verbessert werden kann, anderseits der Zugang und die Nutzung der biologischen Vielfalt in dringend benötigter Forschung und Züchtung nicht durch die Regelungen behindert werden, bleibt somit auch nach über 10 Jahren eine Herausforderung. Für Benefit-Sharing aus der Nutzung von DSI ist derzeit ein multilaterales Benefit-Sharing-Instrument in Entwicklung.