Tagung des Rates (Landwirtschaft und Fischerei) am 24. Februar 2025 in Brüssel
Ergebnisbericht
Leitung der deutschen Delegation: Staatssekretärin Silvia Bender
Zusammenfassung
Im Mittelpunkt der Tagung des Rates standen die Marktlage, insbesondere nach der RUS Invasion in die Ukraine, und das sog. Rural-Proofing-Prinzip (Einführung eines Überprüfungsmechanismus zu Auswirkungen politischer Initiativen und Rechtssetzungsverfahren auf den ländlichen Raum). Agrarkommissar Hansen stellte die Vision der KOM zur Zukunft der Landwirtschaft vor und es fand ein erster Austausch statt. Die MS forderten teilweise eine angemessene finanzielle Ausstattung der GAP und die Beibehaltung der Zwei-Säulen-Struktur der GAP. Eine ausführliche Debatte ist für die nächste Sitzung des Rats (24. März 2025) vorgesehen.
Staatssekretärin Bender informierte mit einem Punkt unter ‚Sonstiges‘ über das Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) und die dazugehörige Agrarministerkonferenz, die im Januar 2025 in Berlin stattgefunden hat.
Außerdem ging SVK mit einem Punkt unter ‚Sonstiges‘ auf das Thema Tierschutz bei Jagdhunden ein. Der für Tierschutz zuständige Kommissar Varhelyi sagte Prüfung zu, ob eine Erweiterung des Regelungsbereichs des Verordnungsvorschlags angemessen sei.
Im Einzelnen
TOP Vision der KOM zur Zukunft der Landwirtschaft
Der POL-Vorsitz wies einleitend darauf hin, dass KOM ihre Vision erst am Mittwoch, 19. Februar 2025, verabschiedet habe. Eine ausführlichere Debatte sei für den März-Rat vorgesehen.
Agrarkommissar Hansen betonte, dass KOM eine europäische Landwirtschaftspolitik anstrebe, die die Ernährungssicherheit in Europa und die Stellung der Landwirtinnen und Landwirte in der Lebensmittelkette in den Blick nehme, einschließlich stabiler Einkommen.
Der Generationenwechsel müsse gefördert und die Wertschätzung für die Landwirtschaft gesteigert werden. Der Sektor müsse wettbewerbsfähig und zukunftssicher werden. Er nannte die vier vorgesehenen Prioritäten der Vision: a) Aufbau eines attraktiven Sektors, der einen fairen Lebensstandard sichert und neue Einkommensmöglichkeiten bietet, b) ein wettbewerbsfähiger und resilienter Sektor vor dem Hintergrund globaler Herausforderungen, c) ein zukunftssicherer Agrar- und Lebensmittelsektor, der Hand in Hand mit der Natur einhergeht, d) die Wertschätzung von Nahrungsmitteln und Förderung von fairen Lebens- und Arbeitsbedingungen in lebendigen ländlichen Gebieten.
Der Dialog zu den wesentlichen Teilen der Vision solle fortgesetzt werden; für den 8. Mai sei eine Konferenz geplant.
Die MS begrüßten die Vorlage der Vision und wiesen auf die Notwendigkeit hin, die in der Vision angekündigten Maßnahmen durch konkrete Vorschläge zu unterlegen. Viele MS hoben die GAP hervor, die mit einem eigenen Budget im MFR finanziell gut ausgestattet sein müsse. Teilweise wurde auch das Zwei-Säulen-Modell als erhaltenswürdig erwähnt sowie gekoppelte Investitionsbeihilfen. Viele MS wiesen auf die Notwendigkeit von Vereinfachungen und Steigerung der Attraktivität der Landwirtschaft hin, um den Generationswechsel zu fördern. Teilweise wurde auch die Notwendigkeit von Spiegelklauseln, Ernährungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors, gerechtes Einkommen für den Sektor, kleine Betriebe, kein Verkauf unter Produktionskosten, Innovation, freiwilliges Benchmarkingsystem, Klimaschutz, Krisenmanagement, Tierschutz, Umweltschutz und bessere Beratung genannt. Mehrere MS forderten, dass sich auch der SAL bzw. AGRIFISH-Rat mit dem Vereinfachungspaket der KOM beschäftigen solle, soweit es agrarbezogene Fragen betreffe. Einige MS wiesen auf die Bedeutung des Themas Wasserversorgung vor dem Hintergrund des Klimawandels hin.
Eine Reihe von MS, darunter DEU, betonten am dritten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine ihre ungebrochene Solidarität mit der UKR.
Staatssekretärin Bender führte zudem insbesondere aus, dass der eingeschlagene Transformationspfad konsequent fortgesetzt werden müsse. Dazu gehöre auch, dass lebendige ländliche Regionen integraler Bestandteil der GAP bleiben müssten. Sie verwies auf das Positionspapier der Bundesregierung zur GAP nach 2027 vom Dezember 2024. Entscheidend sei, dass die zukünftige GAP einfacher und gezielter ausgestaltet werde. Die Erbringung von Leistungen im Gemeinwohlinteresse müsse zentraler Baustein sein, diese Leistungen müssten einkommenswirksam honoriert werden.
Kommissar Hansen hob insbesondere hervor, dass beim Thema Wasserversorgung noch weitere Arbeiten notwendig seien. Zudem wies er in Bezug auf das Thema MFR und angemessene finanzielle Ausstattung der GAP darauf hin, dass Vorhersehbarkeit für die Landwirte wichtig sei. Es mangele an Investitionen und jungen Menschen in der Landwirtschaft.
Der POL-Vorsitz entgegnete in Bezug auf die Forderung, der AGRIFISH-Rat solle das Vereinfachungspaket beraten, dass dieses Dossier im AStV-II behandelt werde.
TOP Marktlage
Kommissar Hansen informierte im Rahmen dieses regelmäßig wiederkehrenden TOPs über die aktuelle Situation auf den Agrarmärkten. Die Lage in wesentlichen Landwirtschaftssektoren sei stabiler als in 2024. Einige Sektoren gäben jedoch Anlass zur Sorge. Hansen erläuterte, dass für Getreide und Ölsaaten ein Rückgang der Ernten prognostiziert würde; nach zuletzt deutlichem Anstieg seien die Preise für Ölsaaten nun jedoch relativ stabil. Die Ernten in 2025/2026 würden voraussichtlich auf Durchschnittsniveau liegen. Die Zuckerpreise seien nach Rekordpreisen im letzten Jahr zurückgegangen, lägen jedoch etwas oberhalb der Weltmarktpreise. Bei Milch habe sich die Lage verbessert. Die EU-Rindfleischproduktion sei gestiegen, insgesamt sei die Handelsbilanz positiv. Dies gelte auch für Schweinefleisch, wobei die Exporte etwas rückläufig seien. Bei Geflügel seien die Preise und die Exporte gestiegen; wegen niedriger Importe (u.a. aus BRA) sei die Handelsbilanz deutlich positiv. Die Weinproduktion läge unterhalb des Durchschnittsniveaus und der Verbrauch sei rückläufig. Der Absatz (auch von Schaumwein) in den USA sei wieder leicht angestiegen. Widrige Wetterverhältnisse hätten sich insbesondere bei Obst (v.a. Orangen, Äpfel) negativ ausgewirkt.
Insgesamt seien hohe Betriebsmittelpreise herausfordernd für die EU-Landwirtschaft, insbesondere auch Energiepreise; die Preise für Düngemittel seien gestiegen.
Anlass zur Sorge gäbe die Verbreitung von Tierkrankheiten und die geopolitische Situation, auf die die Märkte nervös reagierten. Vor diesem Hintergrund werde KOM den Markt genau beobachten.
Kommissar Hansen ging abschließend auf die Nutzung der Agrarreserve ein; es würden derzeit die Anträge fünf weiterer MS geprüft.
Staatssekretärin Bender betonte die ungebrochene Unterstützung DEUs für die UKR. Sie wies darauf hin, dass die vorläufige Aussetzung der US-Unterstützung weite Teile des UKR Wirtschaftssektors betreffe und für viele Landwirtschaftsbetriebe neue und unerwartete finanzielle Herausforderungen bedeute. Auch deswegen sollte die UKR weiterhin ihre Agrarerzeugnisse exportieren können; dies stärke die UKR wirtschaftlich und sei ein aktiver Beitrag zur Vermeidung globaler und regionaler Versorgungskrisen und Ernährungsunsicherheit. Dabei sei es von strategischer Bedeutung, dass - vor dem Hintergrund der im Juni auslaufenden autonomen Handelsliberalisierungsmaßnahmen gegenüber der UKR - die EU ihren Priority Action Plan umsetze und zügig die Verhandlungen mit UKR vorantreibe. Für die UKR Wirtschaft sei ein nahtloser Übergang nach Auslaufen der Handelsliberalisierungsmaßnahmen essentiell. Sensible EU-Agrarinteressen müssten dabei in gebotenem Umfang berücksichtigt werden.
Die Lage auf den Agrarmärkten sei derzeit vergleichsweise stabil; einige Sektoren in DEU seien aber mit Schwierigkeiten konfrontiert: die Schweine- und Rinderhaltung aufgrund des Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche sowie der Weinmarkt aufgrund von rückläufigem Konsum und Kostensteigerungen. Die Empfehlungen der Hochrangigen Gruppe Wein (HLG) sollten zügig umgesetzt werden.
Zur UKR drückten viele MS ihre Solidarität aus und forderten, die Sanktionsliste zu erweitern, damit RUS und BLR eine Einnahmequelle abgeschnitten wird. Es sollten insbesondere Zölle auf Düngemittel aus RUS/BLR und die Förderung der EU-Produktion geprüft werden; einige MS beklagten die hohen Düngemittelpreise.
Die wichtigsten weinproduzierenden MS sahen – wie DEU – den Weinsektor vor großen Herausforderungen und forderten, dass die Empfehlungen der HLG schnellstmöglich umgesetzt werden.
Kommissar Hansen wies darauf hin, dass KOM an einem Abkommen mit der UKR (DCFTA) arbeite und dabei die EU-Interessen angemessen berücksichtigen werde. Es gelte, die Abhängigkeit der EU zu verringern, ggf. könnten Zölle die heimische Produktion ankurbeln. KOM habe die Absicht, Maßnahmen im Fall von Preissteigerungen zu ergreifen und werde darüber hinaus an Markttransparenz arbeiten. Eine Unterstützung aus der Agrarreserve werde für besonders betroffene MS geprüft.
Zum Weinsektor führte er aus, dass die dienststellenübergreifende Konsultation laufe und er davon ausgehe, einen Vorschlag zur Umsetzung der Empfehlungen der Hochrangigen Gruppe Wein Ende März/Anfang April vorzulegen (separat zu dem GMO-Vorschlag, der bereits in den zuständigen Gremien diskutiert werde).
TOP Rural Proofing
POL-Vorsitzender verwies einleitend auf die Arbeiten der vorherigen Präsidentschaften seit 2021, an die angeknüpft werde (z.B. die langfristige Vision zu den ländlichen Räumen). Es sei ein Kongress zu den ländlichen Räumen geplant (8.-10. Mai 2025). Wiederholt sei auch schon über das Rural-Proofing-Prinzip diskutiert worden (Einführung eines Überprüfungsmechanismus zu Auswirkungen politischer Initiativen und Rechtssetzungsverfahren auf den ländlichen Raum).
Kommissar Hansen betonte, dass lebenswerte ländliche Räume ein wichtiges Ziel seien; entsprechende Mechanismen müssten auf allen Ebenen umgesetzt werden. Das Rural-Proofing-Prinzip werde auch in der Vision zur Zukunft der Landwirtschaft angesprochen. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) könne die Herausforderung nicht allein bewerkstelligen. Das Thema müsse auch im Rahmen des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) bedacht werden. Es brauche klare Ziele und die Einbeziehung lokaler Gemeinschaften.
Erforderlich seien aber auch bessere Daten und eine bessere Abstimmung. Zudem müssten alle Politiken einbezogen werden, um Synergieeffekte zu schaffen.
Die MS unterstützten grundsätzlich die Zielsetzung des Rural Proofing und betonten teilweise eine verwaltungsmäßig einfache Umsetzung, die Fortführung des bewährten bottom-up-Ansatzes des LEADER und die Förderung des Generationswechsels.
Eine Reihe von MS sprach sich für die Fortführung der Zwei-Säulen-Struktur der GAP aus. Teilweise wurde eine kohärentere Ausgestaltung der verschiedenen Politikbereiche gefordert, damit um die Antragstellung zu vereinfachen.
Staatssekretärin Bender führte aus, dass das Rural Proofing ein sinnvolles Instrument der Politikgestaltung sein könne. Wichtig sei, dass eine frühzeitige, aktive Einbindung bereits bei der Konzeptionierung von Politik sichergestellt werde und die Ausgestaltung nicht zum Aufbau unnötiger Bürokratie führe. Effizienz und Effektivität der EU-Politik müssten gestärkt werden. Überlegungen zur Verbesserung der gleichwertigen Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land müssten in die Politik einfließen. Diese Überlegungen müssten dargestellt werden; diese Darstellung sollte grundsätzlich bei jedem Rechtsakt mit Auswirkungen auf ländliche Räume und relevanten Maßnahmen angemessen berücksichtigt werden.
Zudem führte Staatssekretärin Bender aus, dass erstens die ländliche Entwicklung integraler Bestandteil der GAP bleiben und mit einem Mindestbudget ausgestattet sein, und zweitens auch die GAP selbst die ländliche Entwicklung mitdenken müsse.
Grundlegend wichtig bleibe die Förderung des bottom-up-Ansatzes von LEADER. Partizipative Ansätze sollten auch in anderen Politikbereichen, wie insbesondere der Kohäsionspolitik, ausgeweitet und gestärkt werden. Auch sollten die Bemühungen der Kommission zur Vereinfachung in Verbindung mit dem Rural Proofing zu Ergebnissen führen; insbesondere, um für die Förderempfänger eine einfache Abwicklung mit ähnlichen, komplementären Regeln zwischen den Politikbereichen zu ermöglichen.
Der Vorsitz hielt fest, dass übereinstimmend ein kohärenter Politikansatz mit dem Ziel einer Steigerung der Attraktivität des ländlichen Raums für erforderlich gehalten werde. Die von den MS vorgetragenen Punkte würden bei der weiteren Beratung dieses Dossiers aufgegriffen.
Unter dem TOP Sonstiges wurden folgende Punkte behandelt:
a) Global Forum for Food and Agriculture (DEU)
Staatssekretärin Bender dankte im Namen von Bundesminister Özdemir den anwesenden Agrarministerinnen und -ministern sowie Kommissar Hansen für deren Teilnahme an diesem bedeutsamen agrarpolitischen Jahresauftakt.
Es sei eine große Freude gewesen, dass 63 Agrarministerinnen und -minister sowie hochrangige Vertreterinnen und Vertreter von 14 internationalen Organisationen teilgenommen hätten. Das politische Highlight sei die Berliner Agrarministerkonferenz gewesen, auf der ein ambitioniertes Abschlusskommuniqué einstimmig angenommen wurde.
Das Thema sei „Bioökonomie nachhaltig gestalten“ gewesen. In unterschiedlichen Formaten seien Schwerpunkte einer nachhaltigen Bioökonomie diskutiert worden, darunter
o nachhaltige Produktion und nachhaltige Nutzung von Biomasse
o die Stärkung von Innovationen und
o die Gestaltung fairer Rahmenbedingungen.
Im Abschlusskommuniqué werde das Potential einer nachhaltigen Bioökonomie als Einkommensquelle und zur Realisierung des Rechts auf angemessene Nahrung hervorgehoben. Eine nachhaltige Bioökonomie sollte zusammen mit einer Kreislaufwirtschaft vorangebracht und stärker auf internationaler Ebene zusammengearbeitet werden. Die negativen Auswirkungen des RUS Angriffskrieges gegen die UKR auf die weltweite Ernährungssicherheit wurden genannt und die „Grain from Ukraine“ Initiative gewürdigt. Staatssekretärin Bender lud zum 18. Global Forum for Food and Agriculture im Januar 2026 nach Berlin ein.
Die wortnehmenden MS und Kommissar Hansen würdigten die erfolgreiche Durchführung des GFFA und hoben die Wichtigkeit der Bioökonomie hervor. Der Kommissar betonte, dass in der Vision die Möglichkeit der zusätzlichen Einkommensgenerierung durch Bioökonomie genannt werde.
b) Tierschutz, Jagdhunde (SVK)
SVK betonte einleitend die zunehmende Bedeutung des Tierschutzes in der öffentlichen Wahrnehmung. Daher müssten Hunde und Katzen umfassend in der EU geschützt werden; es bestehe eine Notwendigkeit, auf die besondere Situation von Jagdhunden einzugehen.
Die wortnehmenden MS unterstützten den Ansatz, Jagdhunde im Rahmen des KOM –Vorschlags besonders in den Blick zu nehmen und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Sinne des Tierwohls zu verbessern.
Kommissar Várhelyi erinnerte an die Position der KOM, wonach das Tierwohl von Jagdhunden gleichermaßen geschützt werden müsse; auch die EFSA-Stellungnahme habe nicht zwischen Jagdhunden und Hunden unterschieden. Der Vorschlag stelle aber keine Regelungen für private Halter auf und befasse sich nicht mit dem Töten von Hunden und Katzen; dies falle in die Zuständigkeit der MS. Er sagte aber Prüfung zu, ob eine Erweiterung des Regelungsbereichs angezeigt sei.