Tagung des Rates (Landwirtschaft und Fischerei) am 26. / 27. Juni 2023 in Luxemburg
Ergebnisbericht
Leitung der deutschen Delegation: Bundesminister Cem Özdemir und Staatssekretärin Silvia Bender
Zusammenfassung
Ein Schwerpunkt der Tagung war die Gemeinsame Fischereipolitik: Präsidentschaftsschlussfolgerungen zum Fischereipaket der Kommission wurden von einer breiten Mehrheit der Mitgliedstaaten unterstützt, außerdem erörterte der Rat auf Basis einer Mitteilung der Kommission die Fangmöglichkeiten für das Jahr 2024.
Gemeinsam mit Österreich und den Niederlanden und unterstützt von weiteren Mitgliedstaaten forderte Bundesminister Özdemir die Kommission auf, ein Verbot der Pelztierhaltung in die anstehende Revision des EU-Tierschutzrechts aufzunehmen.
Der Rat führte zudem einen Meinungsaustausch zu Agrarhandelsfragen.
Auf Antrag Deutschlands und Frankreichs befasste sich der Rat auch mit den angekündigten Hilfspaketen aus der Agrarreserve.
Zum Abschluss seiner Präsidentschaft gab der schwedische Vorsitz Fortschrittsberichte über wichtige Dossiers ab. So diskutierte der Rat über den Beratungsstand der Verordnungen über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, über geografische Angaben und die Kennzeichnung von ökologischem Heimtierfutter.
Weitere Themen der umfangreichen Tagesordnung waren die One Health-Zusammenarbeit bei zoonotischen Gesundheitsgefahren, die Bestandsaufnahme nach dem UN-Gipfel zu Ernährungssystemen, Großraubtierpopulationen in Rumänien, das Netzwerk für Nachhaltigkeitsdaten landwirtschaftlicher Betriebe sowie GAP-Ausnahmeregelungen angesichts ungünstiger Wetterbedingungen.
Während des Mittagessens am Dienstag tauschten sich die Agrarministerinnen und -minister informell über die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik aus.
Schweden übergab zum Abschluss der Sitzung den Vorsitz des Agrarministerrats an Spanien.
Im Einzelnen - Montag, 26. Juni 2023
TOP Mitteilung über den Stand der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) und Konsultation zu den Fangmöglichkeiten für 2024
Der Rat diskutierte über die jährliche Mitteilung der Kommission zu den Fangmöglichkeiten für das kommende Jahr. Kommissar Sinkevičius würdigte die anhaltenden Verbesserungen bei der Nachhaltigkeit in fast allen Meeresbecken. Allerdings sei die Situation wichtiger Bestände in der Ostsee weiterhin kritisch. Dies sei zum einen auf Umweltfaktoren zurückzuführen, zum anderen auch darauf, dass Russland keine nachhaltige Fischerei umsetze. Für einen resilienten Fischereisektor seien weitere Anstrengungen und Investitionen in Dekarbonisierung und nachhaltige Fischereimethoden wichtig.
Die Mitgliedstaaten begrüßten die Mitteilung und die darin festgestellten Fortschritte. Sie unterstützten auch die Festlegung der Fangmöglichkeiten für 2024 auf Basis der wissenschaftlichen Gutachten und der bekannten Nachhaltigkeitsgrundsätze. Die großen Anstrengungen der Fischer müssten jedoch stärker gewürdigt werden, die EU-Flotten dürften im Vergleich mit Drittstaaten nicht benachteiligt werden. Viele sprachen sich auch dafür aus, eine Modernisierung und Erneuerung der EU-Flotte zu ermöglichen. Spanien kündigte an, den Rat bereits beim informellen Treffen im Juli 2023 in Vigo mit der Dekarbonisierung und Modernisierung der Flotten zu befassen.
Bundesminister Özdemir unterstützte die Mitteilung der Kommission. Weitere Schritte bei der Nachhaltigkeit seien notwendig, insbesondere in der Ostsee. Dort erschwerten die Eutrophierung und der Klimawandel eine Erholung der wichtigen Dorsch- und Heringsbestände. Erste positive Anzeichen für eine Erholung des Herings in der westlichen Ostsee zeigten, dass die ergriffenen Maßnahmen auch in angrenzenden Gebieten dieses Heringsbestands konsequent fortgesetzt werden sollten. Zu den anhaltend überfischten pelagischen Arten wie Makrele und Blauer Wittling im Nordostatlantik müssten die Küstenstaaten schnellstmöglich zu Aufteilungsvereinbarungen kommen. Deutschland sei dankbar für die Bemühungen der Kommission, die fischereipolitischen Beziehungen zu Norwegen zu verbessern und die Interessen der EU zu verteidigen. Dafür sei die Geschlossenheit der EU nötig, außerdem müsse auch eine Verknüpfung zu Fragen des Handels mit Fischereiprodukten geprüft werden. Für den Schutz des Europäischen Aals seien weitere Anstrengungen geboten. Hier sollten künftig auf EU-Ebene regional einheitliche Schließzeiten für jedes Meeresgebiet festgelegt werden.
TOP Schlussfolgerungen zum fischereipolitischen Paket der Kommission
Der schwedische Ratsvorsitz brachte die im Vorfeld erarbeiteten Schlussfolgerungen zum Fischerei-Paket der Kommission in den Rat ein, zu denen im Ausschuss der Ständigen Vertreter noch Einstimmigkeit vorgelegen hatte. Nunmehr konnte Italien unter Hinweis auf eine ablehnende Haltung seines Parlaments, insbesondere zu einem möglichen Verbot der grundberührenden Fischerei in Meeresschutzgebieten, den Text nicht mehr unterstützen. Umfassende Folgenabschätzungen seien nötig.
Bundesminister Özdemir unterstützte die von der Präsidentschaft vorgelegten Schlussfolgerungen als einen guten und akzeptablen Kompromiss und dankte für die Aufnahme einiger durch Deutschland eingebrachte Punkte, z. B. Formulierungen zum WTO-Abkommen zu Fischereisubventionen sowie zu Tierwohlaspekten in Fischerei und Aquakultur. Die Schlussfolgerungen sähen auch vor, dass bei Beschränkungen der mobilen grundberührenden Fischerei auch soziokulturelle Auswirkungen zu berücksichtigen seien und ein Dialog mit den relevanten Interessenträgern nötig sei.
Zahlreiche weitere Mitgliedstaaten meldeten sich zu Wort und unterstützten die Schlussfolgerungen. Einige mahnten aber zur Vorsicht bei möglichen Beschränkungen der grundberührenden Fischerei oder betonten die Notwendigkeit von Folgenabschätzungen sowie die stärkere Berücksichtigung sozioökonomischer Aspekte bei der Umsetzung des Pakets. Die EU-Fischerei dürfe gegenüber Drittstaaten nicht benachteiligt werden, vielmehr müsse bei Importen von Fischereierzeugnissen ein „level playing field“ hergestellt werden. Viele Mitgliedstaaten verwiesen im Zusammenhang mit der Dekarbonisierung der Fangflotte auf die nötige Erneuerung und Modernisierung der Fischereiflotte.
Kommissar Sinkevičius lobte den ausgewogenen Text der Schlussfolgerungen. Die Kommission werde sich bei der Verfolgung des Fischereipakets und der Energiewende in der Fischerei auf die Wissenschaft stützen und vorsichtig vorgehen.
Die Schlussfolgerungen wurden als breit (von 26 Mitgliedstaaten) unterstützte Schlussfolgerungen der Präsidentschaft angenommen.
TOP Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln
Der schwedische Vorsitz legte einen Fortschrittsbericht zur Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln vor. Nach der Bitte des Rates um ergänzende Folgeabschätzungen habe er Kompromissvorschläge zu verschiedenen Elementen des Vorschlags, u. a. zum integrierten Pflanzenschutz, erarbeitet.
Kommissarin Kyriakides lobte die erzielten Fortschritte und kündigte die Vorlage der ergänzenden Folgenabschätzung für den 5. Juli 2023 an. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass sachgerechte und ausgewogene Kompromisse auch zu den strittigen Elementen des Vorschlags erreicht werden können; die Kommission werde das ihre dazu beitragen.
Bundesminister Özdemir dankte dem Vorsitz für die Fortsetzung der Beratungen und die ausgearbeiteten Kompromisstexte. Rechtsverbindliche und harmonisierte Vorgaben zum integrierten Pflanzenschutz seien unerlässlich, sie müssten aber im weiteren Verlauf noch angepasst werden.
Deutschland unterstütze den Kommissionsvorschlag und eine ambitionierte Reduktion der Verwendung und des Risikos von Pflanzenschutzmitteln. Gleichwohl gebe es noch offene Punkte: bei den sensiblen Gebieten, bei den Berechnungsmethoden, bei der Berücksichtigung schon erzielter Reduzierungen, beim Verwaltungsaufwand sowie bei den Unterstützungsmöglichkeiten für die Landwirtinnen und Landwirte. Deutschland werde dazu Vorschläge einbringen. Wichtig – auch für die Planungssicherheit in der Landwirtschaft - sei, dass es bei den künftigen Beratungen im Rat zu keinen Verzögerungen komme. Deutschland werde auch unter der nachfolgenden spanischen Präsidentschaft jede Anstrengung oder Initiative zur Fortsetzung ambitionierter Verhandlungen im Rat unterstützen.
Die Mitgliedstaaten äußerten sich entlang der bekannten Positionen. Verschiedene äußerte sich ähnlich wie wir. Vielfach wurde die Bedeutung der ergänzenden Folgenabschätzung betont. Diese müsse zunächst gründlich geprüft werden, insbesondere mit Blick auf die Ernährungssicherung und die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte. Die unterschiedlichen Ausgangssituationen und Vorleistungen müssten anerkannt werden. Eine Reihe von Mitgliedstaaten kritisierte den Kommissionsvorschlag und die ambitionierten Reduktionsziele sowie Anwendungsverbote in sensiblen Gebieten. Zunächst müssten Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz bereitstehen. Vereinzelt wurde auf die neuen genomischen Techniken (NGT) hingewiesen, die Alternativen darstellen könnten.
Der kommende spanische Vorsitz kündigte an, die Folgenabschätzung am 25. Juli 2023 im Rat zu behandeln. Danach werde er die Arbeiten fortführen und versuchen, eine Einigung zu dem politisch heiklen Vorschlag zu erreichen.
TOP Sonstiges
Populationen von großen Beutegreifern
Rumänien verwies auf die großen Populationen von Raubtieren wie Braunbären, Wölfen und Luchsen, welche die Tierhaltung in ländlichen Räumen gefährdeten; auch Menschen kämen zu Schaden. Für eine Koexistenz sei verbesserter Schutz der Haustierbestände notwendig, aber auch Anpassungen an der EU Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL), um ein Management der Raubtierpopulationen zu ermöglichen.
Zahlreiche Mitgliedstaaten unterstützen das Anliegen und berichteten über Probleme auch durch andere Raubtier-Arten, z. B. Schakale oder – mit Blick auf die Fischerei - Kormorane und Seehunde. Gefordert wurden neben einer Änderung der FFH-RL auch ein verbessertes Monitoring der Populationen, eine Kompensation von Tierverlusten und eine europäische Finanzierung von Schutzmaßnahmen.
Die deutsche Delegation wies darauf hin, dass die Erfolge des Artenschutzes im Falle der Wolfspopulationen auch zu Herausforderungen führten. Deutschland dränge mit der Landwirtschaft auf Lösungen, die den Schutz der Weidetiere sicherten und das Vertrauen in den Artenschutz bewahrten. Wichtig sei auch eine Harmonisierung der Monitoring-Ansätze und eine engere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten. Für eine Änderung der FFH-RL bestehe derzeit jedoch kein Handlungsbedarf.
Kommissar Sinkevičius betonte, die Kommission strebe eine ausgewogene Koexistenz innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens an; die Mitgliedstaaten sollten präventiv handeln und Verluste der Landwirtschaft abfedern. Der Schutz der Wildtiere sei jedoch wichtig; in begründeten Fällen könnten die Mitgliedstaaten jedoch auch individuelle Ausnahmen für das Populationsmanagement beantragen.
Ätherische Öle
Bulgarien thematisierte die Überarbeitung der Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von chemischen Stoffen und Gemischen und deren Auswirkungen auf die Produktion von ätherischen Ölpflanzen in der EU. Die Mitgliedstaaten befürchteten durch die in diesem Rahmen vorgeschlagene veränderte Einstufung von ätherischen Ölen wirtschaftliche Einbußen und damit zusammenhängend eine Standortgefährdung der heimischen Produktion.
Die wortnehmenden Mitgliedstaaten befürworteten überwiegend das Anliegen, einige verwiesen jedoch auf die sachgerechte Einstufung dieser Gemische von ätherischen Ölen im federführenden Umweltrat und unterstützten den Ansatz der Kommission und des Vorsitzes. Dies entspricht auch der deutschen Haltung.
Kommissarin Kyriakides betonte, dass ätherische Öle häufig auch kanzerogene Substanzen enthielten und die diskutierte Regelung deshalb auch diese ätherischen Öle umfassen müssten. Die Kommission nehme jedoch die Sorgen der Mitgliedstaaten wahr und suche nach ausgewogenen Lösungen, z. B. durch Übergangsfristen und begründete Ausnahmemöglichkeiten.
Verbot der Pelztierzucht
Bundesminister Özdemir forderte gemeinsam mit Österreich und den Niederlanden, Haltung und Zucht von Pelztieren europaweit zu verbieten. Er forderte die Kommission auf, in ihren Legislativvorschlägen zur Revision des EU-Tierschutzrechts ein Verbot der Pelztierhaltung aufzunehmen. Dabei sollte auch – unter Berücksichtigung der handelsrechtlichen und –politischen Aspekte – ein Verbot des Inverkehrbringens von Erzeugnissen aus Pelztierhaltung geprüft werden.
In kommerziellen Pelzfarmen könne kein zufriedenstellendes Tierschutzniveau für diese Wildtiere erreicht werden, die Haltung zum Zweck der Pelzgewinnung sei ethisch nicht vertretbar; seit COVID-19 wisse man auch um die Gefahren für die menschliche Gesundheit. Die Initiative „Fur Free Europe“ belege mit mehr als 1,5 Millionen gesammelten Unterschriften die große Unterstützung in der Zivilgesellschaft für ein EU-weites Verbot.
Die Mitgliedstaaten unterstützten mehrheitlich das Anliegen, eine Reihe wies auf bereits national eingeführte Haltungsverbote hin. Verschiedene Mitgliedstaaten äußerten sich kritischer und wiesen auf mögliche Arbeitsplatzverluste hin, forderten Folgenabschätzungen und Kompensationen für die betroffenen Betriebe.
Kommissarin Kyriakides erkannte die vorgetragenen Begründungen an, die gesellschaftlichen Erwartungen seien der Kommission bewusst. Andere Landwirtschaftliche Nutztiere stünden bei den intensiven Arbeiten der Kommission derzeit im Vordergrund, auch ein Gutachten der Europäischen Lebensmittelbehörde zur Pelztierhaltung liege derzeit noch nicht vor. Die Kommission werde Ende des Jahres mit Vorschlägen auf den Rat zukommen.
Stärkung der sektorübergreifenden One Health-Zusammenarbeit bei zoonotischen Gesundheitsgefahren
Der schwedische Ratsvorsitz informierte zum Stand der von ihm initiierten gemeinsamen Arbeiten der Leitenden Veterinärbeamtinnen und -beamten (CVO) sowie der leitenden Medizinalbeamtinnen und -beamten (CMO) zu Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können.
Kommissarin Kyriakides und eine Reihe von Mitgliedstaaten dankten für die Initiative des schwedischen Vorsitzes und unterstrichen die Bedeutung intersektorieller Zusammenarbeit u. a. für die Pandemievorbeugung oder die Vermeidung von Antibiotikaresistenzen. Zum Teil verwiesen die Mitgliedstaaten auf eigene Initiativen, teilweise auch auf den Bedarf von Finanzinstrumenten.
Bestandsaufnahme zum UN-Gipfel zu Ernährungssystemen
Im September 2021 fand in New York der UN-Gipfel zu Ernährungssystemen statt. Eine erste Nachfolgekonferenz zur Bestandsaufnahme der Transformation der weltweiten Ernährungssysteme soll vom 24. bis 26. Juli 2023 in Rom stattfinden. Die Präsidentschaft und Italien als Gastgeber der Konferenz warben für eine hochrangige Teilnahme. Für Deutschland werden Bundesminister Özdemir und Staatssekretär Flasbarth (BMZ) zu der Konferenz reisen.
Im Einzelnen - Dienstag, 27. Juni 2023
TOP Handelsbezogene Agrarfragen
Kommissar Wojciechowski berichtete von positiven Entwicklungen beim Handelsvolumen und der Handelsbilanz der EU und informierte über den aktuellen Stand der Verhandlungen über bilaterale Abkommen mit Australien, Indien sowie über die Beziehungen zu wichtigen Partnern wie dem vereinigten Königreich und den USA. Er ging auch auf die Verlängerung der Zollaussetzungen gegenüber der Ukraine und die Beziehungen zur Republik Moldau ein. In Bezug auf die bilateralen Abkommen überarbeite die Kommission eine Studie zur kumulativen Folgenbewertung. Weiter informierte der Kommissar über seine Aktivitäten im Kontext von G7, G20, in der WTO und über seine beabsichtigten Reisen nach Japan und Indien.
Staatssekretärin Bender begrüßte für Deutschland die Verlängerung der autonomen Zollaussetzung für Waren aus der Ukraine. Dabei müsse die Integrität des Binnenmarktes stets erhalten bleiben. Deutschland sehe die Verlängerung der erlassenen Importbegrenzungsmaßnahme sehr kritisch. Wichtig sei es, dauerhafte, funktionierende Solidaritätskorridore zu gewährleisten.
Die Staatssekretärin unterstützte die Kommission bei einer aktiven Agrarhandelspolitik und bei einer ambitionierten bilateralen Handelsagenda, um die strategischen Interessen der EU und die globalen Nachhaltigkeitsziele zu verfolgen. Dabei vertraue sie darauf, dass die Kommission hart verhandele, um die besonders sensiblen Bereiche der europäischen Landwirtschaft zu schützen und z. B. das Abkommen mit dem MERCOSUR noch in diesem Jahr zu finalisieren. Dabei sei für Deutschland die Vereinbarung eines zusätzlichen Instruments für Nachhaltigkeit wichtig.
Generell müsse die Umsetzung des Green Deal mit multilateralen, bilateralen und autonomen Maßnahmen verzahnt werden. Gleichzeitig müsse auf die Vereinbarkeit mit dem WTO-Recht geachtet werden, denn die Einhaltung dieses Regelwerks fordere die EU auch von ihren Handelspartnern ein. Kommunikation und Dialog mit den Handelspartnern seien nötig, um diese davon zu überzeugen, dass es der EU nicht um Abschottung, sondern um die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen gehe, zu denen sich auch die Partner grundsätzlich bekennen. Auch sollte die EU in Vorbereitung der nächsten WTO-Ministerkonferenz aktiv auf die Entwicklungsländer zugehen und darauf hinwirken, die Blockade der Agrarverhandlungen zu lösen.
Die Mitgliedstaaten unterstützten insgesamt die Arbeiten und Bemühungen der Kommission. Viele betonten die Bedeutung regelmäßiger kumulativer Folgenabschätzungen und äußerten Besorgnis über die Folgen der Handelsliberalisierung gegenüber Australien und dem MERCOSUR auf die Märkte sensibler Produkte in der EU. Betont wurde auch die Bedeutung des beabsichtigten zusätzlichen Nachhaltigkeitsinstruments und des Schutzes geographischer Angaben. Die Kommission wurde aufgefordert, die Interessen der europäischen Landwirtschaft hart zu verteidigen. Die Mitgliedstaaten unterstützten die Solidarität gegenüber der Ukraine, ihre Anrainer verwiesen jedoch auf die Belastungen auf ihren Märkten.
TOP Sonstiges
Finanzierung von Hilfspaketen aus der Agrarreserve
Staatssekretärin Bender und Frankreich dankten der Kommission für das am Montag vorgelegte und verabschiedete zweite Hilfspaket und die Informationen über das geplante dritte Paket. Sie erinnerten an das gemeinsam mit weiteren Mitgliedstaaten verfasste Schreiben. Das darin enthaltene Anliegen, mehr Transparenz über die aus der Agrarreserve finanzierten Hilfsmaßnahmen zu erhalten und die Verteilung der Gelder datenbasiert und schlüssig zu begründen, bestehe weiterhin. Sie begrüßten die von der Kommission geplante hochrangige Sitzung und eine grundlegende Diskussion – auch im Rat - wie die Verwaltung der Agrarreserve künftig erfolgen solle.
Kommissar Wojciechowski räumte ein, dass sich der Entscheidungsprozess über die Hilfsmaßnahmen hingezogen hatte. Die Kommission habe die verschiedenen Ursachen der Marktprobleme – die Folgen der Invasion in die Ukraine, Tierseuchen, extreme Wetterereignisse – gründlich geprüft. Im Ergebnis schlage sie eine sachgerechte, ausgewogene Verwendung der Agrarreserve vor. Ein Vergleich des Umfangs der zusätzlichen Importe von Getreide und Ölsaaten in die fünf Anrainer-Mitgliedstaaten, welche die erwarteten zusätzlichen Importe des MERCOSUR in die gesamte EU bei weitem übersteige, zeige, dass die ersten beiden Hilfspakete für die Anrainer-Mitgliedstaaten notwendig waren. Die Kommission arbeite weiter intensiv an der Logistik der Solidaritätsrouten. Die Schutzklauseln sollten zum 15. September 2023 auslaufen können.
Des Weiteren informierte Kommissar Wojciechowski über das beabsichtigte dritte Hilfspaket. Das Paket, durch das 330 Mio. Euro an 22 Mitgliedstaaten verteilt werden sollen, gehe auf verschiedene aktuelle Herausforderungen ein – u. a. mit einem Schwerpunkt bei den Folgen extremer Wetterereignisse. Die Gelder könnten unmittelbar an die Betriebe verteilt oder z. B. für die Krisendestillation bei Wein verwendet werden.
Die Mitgliedstaaten dankten der Kommission für die vorgelegten Hilfspakete, betonten ihre Solidarität mit der Ukraine sowie innerhalb der EU und unterstrichen deren Notwendigkeit durch Schilderungen der vorliegenden Probleme. Insbesondere die Unterzeichner des angesprochenen Schreibens an die Kommission dankten Frankreich und Deutschland für die Initiative. Sie unterstrichen das Anliegen, bei der Verwaltung der Agrarreserve Transparenz zu schaffen, und begrüßten ebenfalls die für September angekündigte hochrangige Sitzung.
Ungünstige Wetterbedingungen und die Notwendigkeit bestimmter Ausnahmeregelungen im Rahmen der GAP
Der Rat befasste sich erneut mit den Auswirkungen der Klimakrise auf die Landwirtschaft. Eine Reihe von Mitgliedstaaten beklagte geringe Niederschläge und befürchtet erhebliche Ernteverluste. Sie forderten die Kommission auf, insbesondere bei den Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ) Abweichungen von den vereinbarten Regelungen zuzulassen.
Staatssekretärin Bender begrüßte angesichts der extremen Wetterbedingungen in großen Teilen Europas eine Evaluierung durch die Kommission, wie in dieser schwierigen Situation geholfen werden könnte. Dabei ständen für Deutschland insbesondere Maßnahmen wie erhöhte Vorschusszahlungen an erster Stelle. In Bezug auf weitere Ausnahmen von den Bewirtschaftungs- und Umweltstandards der GAP sollte aber die Verlässlichkeit des EU-Gesetzgebungsprozesses nicht durch ständige Anpassungen allein aus Witterungsgründen in Frage gestellt werden. Vielmehr zeigten die Witterungsereignisse die Dringlichkeit sowohl ambitionierten Klimaschutzes als auch geeigneter Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel.
Die zahlreichen wortnehmenden Mitgliedstaaten beschrieben die Probleme in ihren Ländern und forderten generell Flexibilität bei der Umsetzung der Standards. Teilweise wurde auch das Anliegen, Ausnahmen von den Anforderungen der GLÖZ-Standards zu genehmigen, unterstützt.
Kommissar Wojciechowski verwies darauf, dass die Kommission bereits die Agrarreserve mobilisiert habe, höhere Vorschusszahlungen in beiden Säulen der GAP gestatte und im Kommissionsrecht Flexibilität bei der Umsetzung der GAP ermöglicht habe. Darüber hinaus werde sich die Kommission sehr offen für Überarbeitungen der Strategiepläne zeigen, die z. B. auf Investitionen in den Wiederaufbau von Infrastrukturen oder Tierbeständen zielten. Ebenso werde die Kommission Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Rahmen von nationalen Beihilfen unverzüglich prüfen und genehmigen.
Weiter erklärte Kommissar Wojciechowski, dass viele Mitgliedstaaten bereits Instrumente für mehr Resilienz und Krisenmanagement in ihren Strategieplänen vorgesehen hätten. Es empfehle sich, die GAP und die Strategiepläne grundsätzlich stärker in diese Richtung auszurichten. Die Kommission bleibe aufgeschlossen für Änderungen der Strategiepläne, wenn damit auf spezifische Probleme eingegangen werden soll.
Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik
Während des Mittagessens tauschten sich die Agrarministerinnen und Agrarminister informell über die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik aus.
Kommissar Wojciechowski stellte den Rahmen für die Weiterentwicklung der GAP vor. Die Mitgliedstaaten sprachen sich für eine rechtzeitige Vorlage von Kommissionsvorschlägen aus. Es wurde dabei auf die jetzt noch nicht ausreichenden Erfahrungen mit der aktuellen GAP hingewiesen. Überwiegend wurde im Hinblick auf die Kontinuität und Planbarkeit der Regeln für die Betriebe eine Evolution auf Basis der aktuellen GAP und keine komplette Überarbeitung der GAP-Regeln gefordert.
Thema vieler Wortmeldungen war das Erfordernis besserer Kriseninstrumente, die über Marktkrisen hinaus auch für Naturkatastrophen, wie Dürren und Überschwemmungen, benötigt würden. Die Frage der Auswirkungen und der Finanzierung von zusätzlich auf die Landwirtschaft zukommenden Auflagen zur Umsetzung des Green Deal und der Farm-to-Fork-Strategie wurde mehrfach angesprochen. Die Zielsetzung und Verfolgung der Nachhaltigkeit der Land- und Ernährungswirtschaft wurde nicht in Frage gestellt, allerdings sollte die Balance zwischen den Zielen der GAP gemäß EU-Vertrag, den Erfordernissen der Ernährungssicherung und Ernährungssouveränität – auch als Teil der strategischen Autonomie der EU – sowie der ländlichen Räume beachtet werden. Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen, aber auch wegen der Inflation, wurde von mehreren eine bessere Finanzausstattung der GAP nach 2027 sowie eine fairere Verteilung der Zahlungen gefordert.
Für die Steigerung der Produktivität, aber auch als Instrument der Vereinfachung der GAP-Verwaltung wurden Innovation und neue Technologien, besonders die Digitalisierung, angesprochen. Bezüglich der Vereinfachung der GAP wurde oft eine Abkehr von übermäßigen Detailvorgaben in den Strategieplänen hin zu kürzeren Strategieplänen mit echten strategischen Ausrichtungen, verbunden mit mehr Subsidiarität und Flexibilität für Mitgliedstaaten und Regionen genannt. Mitgliedstaaten wiesen auch auf die externe Dimension der Agrarpolitik und die angestrebte Erweiterung der EU hin und sprachen sich für eine rechtzeitige Vorbereitung auf die damit verbundenen Herausforderungen aus. Als wichtige, bei der Ausrichtung der GAP stärker zu berücksichtigende Aspekte wurden der Generationswechsel und die Attraktivität der Landwirtschaft als Berufsfeld genannt. Hier wurden mehr Anstrengungen bei Aus- und Weiterbildung der in der Landwirtschaft Tätigen gefordert.
Staatssekretärin Bender betonte insbesondere, dass eine Weiterentwicklung für die neue Förderperiode ab 2027 frühzeitig auf den Weg gebracht werden sollte. Im Mittelpunkt stehe für Deutschland die Überlegung, die Zahlungen der GAP nicht nach der bewirtschafteten Fläche zu berechnen, sondern an Leistungen für den Klima-, Umwelt-, Biodiversitäts- und Tierschutz zu knüpfen. Zudem seien Vereinfachungen, finanzielle Flexibilität und genügend Zeit für die Umsetzung der Reform erforderlich.
Verordnung über geografische Angaben und Qualitätskennzeichen
Der schwedische Vorsitz betonte die Bedeutung der geografischen Angaben und Qualitätskennzeichen auf Lebensmitteln und benannte kurz die wesentlichen Ziele, die mit der Überarbeitung der Verordnung angestrebt werden. Nach der Einigung über ein Ratsmandat habe am 6. Juni der Trilog begonnen. Er sei zuversichtlich, dass der spanische Vorsitz die Arbeiten erfolgreich zu Ende führen werde.
Kommissar Wojciechowski dankte dem Vorsitz und teilte dessen Ausführungen hinsichtlich der Bedeutung des Vorschlags. Wichtig sei der Kommission, die möglichen Beiträge zur Nachhaltigkeit zu stärken. Einige Vorschläge des Europäischen Parlaments, z. B. im Weinsektor, seien aus Sicht der Kommission bedenklich, sie könnten zu Komplexität und Doppelungen führen. Er sei aber zuversichtlich, dass eine Einigung gefunden werden könne, und wünsche dem übernehmenden spanischen Vorsitz viel Erfolg.
Auch die Mitgliedstaaten dankten dem schwedischen Vorschlag und wünschten dem spanischen Vorsitz viel Erfolg, wiesen dabei z. T. auf ihre Prioritäten hin.
Staatssekretärin Bender begrüßte ausdrücklich, dass der Nachhaltigkeitsaspekt Eingang in den Geoschutz finden solle. Für kleine Erzeuger sollten keine neuen Hürden entstehen. Kostenträchtige zusätzliche Elemente sollten für die Erzeuger grundsätzlich fakultativ sein. Dazu gehöre auch, dass ein verbessertes Anerkennungssystem für Erzeugervereinigungen von den Mitgliedstaaten näher ausgestaltbar sei. Zudem sollte der nach langen Verhandlungen erreichte Kompromiss mit Bezug auf Domainnamen erhalten bleiben.
Netzwerk für Nachhaltigkeitsdaten landwirtschaftlicher Betriebe (FSDN)
Die Kommission schlägt in einem Verordnungsentwurf vor, das bisher rein betriebswirtschaftliche Informationsnetz landwirtschaftlicher Buchführungen zu einem Farm Sustainability Data Network (FSDN) umzuwandeln. Mit diesem sollen zusätzliche ökologische und soziale Daten und Informationen auf Betriebsebene erhoben werden.
Derzeit wird der Vorschlag im Trilog beraten. Der schwedische Vorsitz gab dem Rat einen Überblick über den Verhandlungsstand. Auf der Grundlage des erteilten Ratsmandats habe am 1. Juni 2023 der Trilog begonnen. Eine Trilog-Einigung könne ggf. noch am 29. Juni 2023 unter schwedischem Vorsitz erreicht werden. Die Mitgliedstaaten dankten für die geleistete Arbeit, wünschten für die anstehenden Verhandlungen viel Erfolg und verwiesen auch hier auf wichtige Anliegen.
Staatssekretärin Bender unterstrich, dass die Teilnahme für die landwirtschaftlichen Betriebe freiwillig bleiben solle. Der Vorschlag des Europäischen Parlaments, durch Anreize die Teilnahmebereitschaft erhöhen zu können, sei jedoch akzeptabel. Die vom Europäischen Parlament gewünschte Möglichkeit für die Kommission, zu einem späteren Zeitpunkt zusätzliche Themen in den Anhang der Verordnung aufzunehmen, könne mit den ergänzenden Formulierungsvorschlägen der Präsidentschaft hinsichtlich des „no-opinion“-Verfahrens akzeptiert werden. Diese Forderungen wurden von einer Reihe wortnehmender Mitgliedstaaten geteilt.
Kommissar Wojciechowski betonte die hohe Bedeutung von umfassenden Daten zu allen Dimensionen der Nachhaltigkeit. Eine ausbalancierte Einigung sei möglich.
Kennzeichnung von ökologischem Heimtierfutter
Der schwedische Ratsvorsitz informierte über die am 6. Juni 2023 im Trilog erreichte politische Einigung über die Kennzeichnung von ökologischem Heimtierfutter. Die Regelung schaffe die Grundlage für eine EU-weit harmonisierte, praktikable Kennzeichnung mit dem EU-Bio-Logo, sofern mindestens 95 Prozent der Zutaten ökologisch erzeugt wurden. Voraussichtlich werde das Europäische Parlament die Regelung im September im Plenum annehmen, der Rat im Oktober.