Tagung des Rates (Landwirtschaft und Fischerei) am 27. Januar 2025 in Brüssel
Ergebnisbericht
Leitung der deutschen Delegation: Bundesminister Özdemir
Zusammenfassung
Im Mittelpunkt der Tagung des Rates standen handelsbezogene Agrarfragen, insbesondere das Mercosur-Handelsabkommen und der Handel mit der Ukraine.
Außerdem beriet der Rat die Vorschläge zur grenzüberschreitenden Durchsetzung der Richtlinie über unlautere Handelspraktiken (UTP-Richtlinie) und zur Änderung der Verordnung über die Gemeinsame Marktorganisation (GMO). Die MS begrüßten grundsätzlich die Zielsetzung der Vorschläge, die Stellung der Landwirtschaft in der Lieferkette zu stärken, jedoch müsse man die konkrete Umsetzung noch vertieft beraten.
Zudem wurden der GAP-Leistungsabschluss und weitere Vereinfachungen diskutiert. Die MS begrüßten grundsätzlich die Ankündigung der KOM, zeitnah Vereinfachungen voranzubringen.
Bundesminister Özdemir informierte mit einem Punkt unter Sonstiges über den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in Brandenburg und die ergriffenen Maßnahmen. KOM und MS begrüßten die schnelle Reaktion und äußerten Solidarität.
Außerdem forderte Bundesminister Özdemir die Kommission auf, geeignete Maßnahmen zur Vereinfachung im Bereich Öko-Recht und zur Verringerung des Verwaltungsaufwands zu ergreifen. Diese Initiative wurde von vielen MS unterstützt.
Im Einzelnen
TOP Arbeitsprogramm des Vorsitzes
Der neue POL-Vorsitz stellte sein Arbeitsprogramm für das 1. Halbjahr 2025 vor und betonte, dass die POL Ratspräsidentschaft eine europäische Landwirtschaftspolitik anstrebe, welche die Ernährungssicherheit in Europa und die Stellung der Landwirtinnen und Landwirte in der Lebensmittelkette in den Blick nehme, einschließlich stabiler Einkommen.
TOP Handelsbezogene Agrarfragen und TOP faire internationale Handelspraktiken
Kommissar Hansen informierte im Rahmen dieses regelmäßig wiederkehrenden TOPs über die aktuellen Entwicklungen und den Stand der Verhandlungen über verschiedene Handelsabkommen. Er ging dabei insbesondere auf das Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten (Einigung vom 6. Dezember 2024) ein, das viele Chancen eröffne und die berechtigten Interessen der EU-Landwirtschaft berücksichtige (insbesondere Schutzmaßnahmen); zudem sei die Bildung einer Reserve von 1 Mrd. € geplant, um bei Marktverwerfungen reagieren zu können. Die importierten Produkte müssten die Gesundheitsanforderungen der EU einhalten.
Er ging auch auf die langfristige Anpassung der Zölle innerhalb des Abkommens zur vertieften und umfassenden Freihandelszone mit der Ukraine ein.
Die Handelsbeschränkungen seitens China und ein Anti-Dumping-Verfahren zu Milchprodukten würden mit Sorge beobachtet. Gegen eine missbräuchliche Verwendung von WTO-Recht werde KOM konsequent vorgehen.
Zusammen mit dem TOP Handel wurde ein von LUX eingebrachter Punkt unter Sonstiges (faire internationale Handelspraktiken) behandelt. LUX forderte die KOM auf, keine neuen Importtoleranzen für in der EU nicht genehmigte Pflanzenschutzmittel für die Einfuhr aus Drittstaaten festzulegen bzw. bestehende Importtoleranzen abzusenken. Zudem forderte LUX ambitionierte Kapitel zu nachhaltigen Ernährungssystemen in den EU Freihandelsabkommen. Die LUX-Initiative wurde von vielen MS unterstützt.
Viele MS sprachen sich für ein Level Playing Field und einen effizienten Mechanismus der Streitschlichtung aus; einige MS thematisierten Hindernisse im sanitären und phytosanitären (SPS) Bereich.
Betr. UKR wurde seitens der Anrainer-MS auf die Notwendigkeit von funktionierenden Schutzklauseln hingewiesen.
Bundesminister Özdemir wies darauf hin, dass die bisherigen Untersuchungen über die kumulativen Auswirkungen der EU-Handelsabkommen die Vorteile des internationalen Handels, auch für den Agrarbereich, bestätigten. Gleichzeitig sei es wichtig, dass wir uns weiterhin für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft einsetzen. Es sei wichtig, die gute Zusammenarbeit im SPS-Bereich fortzusetzen. Handelshemmnisse sollten abgebaut und Märkte für den Export unserer Agrarprodukte und Lebensmittel geöffnet und offengehalten werden. Dies gelte nicht nur für den Handel mit Drittländern, sondern auch für den Binnenmarkt. Der internationale Handel sei in letzter Zeit von zunehmenden Spannungen, Meinungsverschiedenheiten und Maßnahmen zur Marktabschottung geprägt.
Gerade vor dem Hintergrund der Ankündigungen von Donald Trump zum Handel seien gemeinsames Handeln, offene Märkte sowie ein regelbasiertes, multilaterales Handelssystem mit der WTO im Zentrum wichtig. Der Abschluss der Verhandlungen mit Mexiko sei zu begrüßen. Der zügige Abschluss des Abkommens mit den MERCOSUR-Staaten habe eine große strategische Bedeutung für die gesamte EU (historische Chance, mit rund 750 Millionen Einwohnern einen der größten Handelsräume der Welt zu schaffen).
Der Ukraine gebühre weiterhin unsere vollumfassende Unterstützung und Solidarität. Er begrüße, dass die Kommission und die Ukraine über eine langfristige Anpassung der Zölle im Rahmen des DCFTA verhandeln wollen; die Wirtschaft der Ukraine solle nahtlos ab Juni gestärkt werden, ohne die EU-Märkte über Gebühr durch Einfuhren aus der Ukraine zu belasten.
Zu LUX-AOB: Der Bundesminister sah eine Erhöhung von Nachhaltigkeitsstandards als erforderlich an; die EU sollte hier global eine Führungsrolle einnehmen.
Dabei seien der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Produktion und die Einhaltung des handelsrechtlichen Rahmenwerks der WTO von zentraler Bedeutung. Zudem sei handelspolitischen Interessen Rechnung zu tragen.
Daher sei ein Absehen von der Festsetzung von Importtoleranzen und der Übernahme bzw. Beibehaltung von international vereinbarten Codexwerten in das EU-Recht im Einzelfall mit entsprechender wissenschaftlicher Begründung bzw. Risikobewertung für bestimmte, in der EU nicht genehmigte Pflanzenschutzmittelwirkstoffe denkbar, insbesondere, wenn sie Gefahren für die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen bergen. Dies könnte etwa für Stoffe, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 als „Cut-off-Wirkstoffe“ eingestuft sind, gelten.
Sogenannte Spiegelklauseln würden grundsätzlich kritisch gesehen. Der handelspolitische und -rechtliche Spielraum hierfür sei sehr gering; eine Beeinträchtigung der notwendigen Diversifizierung des (Agrar-) Handels und der Stärkung von Handelsbeziehungen müsse vermieden und die Sorgen von Handelspartnern an einseitigen Maßnahmen ernst genommen werden.
Kommissar Hansen bezeichnete das Anliegen von LUX als überzeugend, es greife auch eine der Hauptforderungen des Landwirtschaftssektors auf. Zudem müsse die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden.
TOP GAP-Leistungsabschluss & weiterer Vereinfachungsbedarf
Die MS thematisierten unter diesem Punkt die weiterhin hohe Bürokratie im Rahmen des New Delivery Model, und sprachen sich für stärkere Zielorientierung und weitere Flexibilisierungen aus.
Hinsichtlich des Leistungsabschlussverfahrens wurde auf das Ministerschreiben von ESP an die KOM (Dok 16555/24), das alle 27 MS unterzeichnet hätten, verwiesen.
Kommissar Hansen erklärte, die Bedenken der MS hinsichtlich des Leistungsabschlusses zu teilen und erklärte, er werde empfehlen, das bestehende Verfahren abzuschaffen. Darüber hinaus kündigte er insgesamt ein nächstes Vereinfachungspaket an. Betr. GLÖZ werde er Änderungen prüfen, die aber das Umweltambitionsniveau nicht absenken dürften. Gleiches gelte für die Umschichtung von Mitteln der 1. in die 2. Säule. Auch das bisherige Genehmigungsverfahren von Änderungsanträgen werde er überprüfen. Zur sog. N+3 Regelung wies er darauf hin, dass diese durch die Staats- und Regierungschefs entschieden worden sei.
TOP Vorschlag zur grenzüberschreitenden Durchsetzung der Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette (UTP-Richtlinie) und
TOP Vorschlag zur Änderung der Verordnung über die gemeinsame Marktorganisation (GMO) im Hinblick auf die Stärkung der Stellung der Landwirtschaft in der Wertschöpfungskette
Diese beiden TOPs wurden zusammen behandelt. Kommissar Hansen erläuterte beide Vorschläge.
Bundesminister Özdemir unterstützte die Bestrebungen, die Stellung der Landwirtschaft in der Lieferkette zu stärken und begrüßte Ansätze, mit denen mehr Planungssicherheit generiert werde. Der verpflichtenden Einführung von Art. 148 und 168 GMO stehe er offen gegenüber. Wie auch eine Reihe anderer MS hielt er eine Folgenabschätzung für erforderlich, die dringend nachgeholt werden müsste. Er begrüßte die Stärkung von Erzeugergemeinschaften; diese spielten beispielsweise bei nachhaltig erzeugten Lebensmitteln eine große Rolle. Auch das Ziel des Bürokratieabbaus müsse weiterverfolgt werden.
Bundesminister Özdemir sprach sich dafür aus, die dramatische Lage im EU-Weinsektor in den Blick zu nehmen und die Vorschläge der Hochrangigen Gruppe Wein in den aktuell vorgelegten GMO-Änderungsvorschlag aufzunehmen; diese Vorschläge sollten so bald wie möglich umgesetzt werden. Er verwies abschließend auf die bereits übermittelten Stellungnahmen zu beiden Vorschlägen.
Die MS begrüßten ebenfalls grundsätzlich die Zielsetzung der Vorschläge, die Stellung der Landwirtschaft in der Lieferkette zu stärken. Sie betonten die Wichtigkeit, den Generationenwechsel zu fördern und die Landwirtinnen und Landwirte vor unlauteren Handelspraktiken zu schützen.
Zum UTP-Vorschlag hatten viele MS Fragen zur Frist des Informationsersuchens und zum Verhältnis zu bereits national bestehenden Regelungen. Offen seien insbesondere die Kostenfrage bei Amtshilfefällen sowie der Umgang mit unterschiedlich strengen UTP-Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten.
Hinsichtlich des GMO-Vorschlags hatten die MS insbesondere Anmerkungen zur Verpflichtung schriftlicher Verträge (Ausnahmen für nationale Regelungen), zum Mediationsmechanismus, zur Stärkung von nicht-anerkannten Erzeugerorganisationen, zur Definition von Begriffen wie „fair“ und zu erweiterten Möglichkeiten der Nutzung der Agrarreserve. FRA und ESP äußerten sich ebenfalls zu den Ergebnissen der HLG Wein.
Kommissar Hansen hielt eine schnelle Verabschiedung der Vorschläge für erforderlich. Eine Folgenabschätzung sei vor diesem Hintergrund nicht zielführend; eine KOM-Studie sei aber in Arbeit.
Zu den schriftlichen Verträgen führte er aus, dass einige MS eine entsprechende Verpflichtung bereits national eingeführt hätten; er strebe eine Regelung an, die einfach umsetzbar sei (auch Vertragsschluss per E-Mail möglich etc.).
Zur den Empfehlungen der HLG Wein gab er zu bedenken, dass eine gemeinsame Beratung eine zeitliche Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens bedeuten könnte; er sagte aber Prüfung zu.
Abschließend appellierte er an die MS, schnelle Beratungen zu unterstützen.
Unter dem TOP Sonstiges wurden folgende Punkte behandelt:
a) Maul- und Klauenseuche (MKS)
Bundesminister Özdemir informierte über den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche und die ergriffenen Maßnahmen. In Brandenburg sei am 10. Januar 2025 ein MKS-Ausbruch festgestellt worden (der erste Fall in DEU seit 1988). Zwar sei nicht genau bekannt, wie der Eintrag erfolgte; es sei aber bekannt, um welchen Stamm es sich handele. Bisher seien keine weiteren Fälle festgestellt worden.
Obwohl alle erforderlichen Maßnahmen durchgeführt worden seien (z.B. unschädliche Beseitigung aller Klauentiere im 1-Kilometer-Radius um den betroffenen Betrieb, Einrichtung der notwendigen Sperrzonen und Schließung der nahegelegenen Zoos), hätte eine Reihe von Drittstaaten den Import deutscher Produkte gesperrt.
Für den EU-Binnenmarkt gelte das Prinzip der Regionalisierung, d. h. Verbringungen außerhalb der Sperrzonen seien weiterhin möglich. Die Anerkennung der EU-Regionalisierung sowie der Normen der Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH) seien von elementarer Bedeutung. Nur gemeinsam und solidarisch könnten diese und zukünftige Krisen im Binnenmarkt bewältigt werden.
Die wortnehmenden MS dankten für die umfassenden Informationen, begrüßten die zügig ergriffenen Maßnahmen, äußerten Solidarität mit DEU und wiesen teilweise darauf hin, dass verstärkt EU-Mittel für die Bekämpfung von Tierseuchen zur Verfügung gestellt werden sollten.
Kommissar Hansen dankte DEU für die ergriffenen Maßnahmen. Alle MS hätten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel diese Maßnahmen mitgetragen.
Drittstaaten würden seitens der KOM gedrängt, die Regionalisierung anzuwenden und Lieferungen aus nicht betroffenen Gebieten zuzulassen. Nur gemeinsam könne erreicht werden, dass die wirtschaftlichen Folgen und die weitere Verbreitung eingedämmt würden.
b) Bürokratieabbau im EU Öko-Recht (DEU)
Bundesminister Özdemir forderte mit diesem AOB die Kommission auf, das Öko-Recht zu vereinfachen und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Er forderte einen Fahrplan zum weiteren Vorgehen auf Basis des Fit-For-Future Reports.
Die Initiative wurde von vielen MS unterstützt, wobei teilweise betont wurde, dass die hohen Standards beibehalten werden müssten bzw. der Verwaltungsaufwand in allen Sektoren abgebaut werden müsse.
Kommissar Hansen wies darauf hin, dass die Verhandlungen über die Reform der Öko-VO vier Jahre gedauert habe und sich dadurch einige komplexe Detailregelungen erklären würden. Er sagte Prüfung zu, wie diese vereinfacht werden könnten.
c) Fischereimanagement im westlichen Mittelmeer: Rechtlicher und wissenschaftlicher Handlungsbedarf (ESP)
Spanien strebt eine Änderung des Mehrjahresplan (MAP) für die Fischerei im westlichen Mittelmeer an, in welcher die sozioökonomischen Effekte des Fischereimanagements stärkere Berücksichtigung finden sollen. Erreicht werden solle dies unter anderem durch die Einführung von stabilisierenden Faktoren in der Berechnung von Fangmöglichkeiten und eine Flexibilität, mit welcher Fangmöglichkeiten zwischen den Jahren ausgeglichen werden können.
Eine Reihe von MS unterstützte das Anliegen Spaniens.
d) Bekämpfung unfairer Handelspraktiken in der Lebensmittelkette (SVK)
SVK thematisierte die Notwendigkeit, unlautere Handelspraktiken besser zu bekämpfen und den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch bestimmte Akteure in der Lebensmittelversorgungskette zu verhindern. Die KOM wurde aufgefordert, Konsultationen mit Landwirten und anderen Interessensträgern zu leiten und sich in weiteren Gesetzesänderungen auf das Verbot solcher unlauteren Handelspraktiken zu konzentrieren.
Eine Reihe von MS unterstützte diese Initiative.
Kommissar Hansen verwies auf die Vorschläge zu UTP und GMO, die nun zügig beraten werden sollen. Er sagte Prüfung zu, ob weiterer Handlungsbedarf bestehe; eine Evaluierung werde in diesem Jahr vorgelegt.
e) Gemeinsames Schreiben der MED9-Minister*innen betreffend steigende Risiken des Klimawandels in der Mittelmeerregion (CYP)
Die MED9-Minister*innen wiesen auf gravierende Folgen der Klimakrise für die Wasserverfügbarkeit hin. Die Landwirtschaft sei auf ausreichend Wasser zwingend angewiesen. Daher müsse die Resilienz gesteigert und Investitionen in Wasserspeicher, Forschung und Entwicklung etc. gefördert werden.
Die wortnehmenden MS unterstützten diese Initiative. Auch Deutschland führte aus, dass aufgrund der sektorübergreifenden Bedeutung ein integriertes, nachhaltiges Wassermanagement essenziell für eine nachhaltige Entwicklung sei. Die Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme sei notwendig.
In Deutschland habe die Bundesregierung im März 2023 erstmals eine Nationale Wasserstrategie verabschiedet, welche die Vorsorge in den Mittelpunkt stelle: Innovative und holistische Lösung sowie kooperative Ansätze seien notwendig; eine „Wasser-Resilienz-Strategie“ auf EU-Ebene werde aufmerksam verfolgt.
Kommissar Hansen betonte, dass die Arbeiten daran vorangetrieben würden.