Geschichte der Gemeinsamen Agrarpolitik

Die sechs Gründerstaaten der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) verankerten bereits in den Römischen Verträgen von 1957 die Ziele und Aufgaben einer europäischen Agrarpolitik.

Um die Menschen im zerstörten Nachkriegseuropa mit ausreichend Nahrungsmitteln zu angemessenen Preisen zu versorgen, legten Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg im EWG-Vertrag fest, die Produktivität in der Landwirtschaft zu fördern, die Märkte zu stabilisieren und dabei der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu sichern.

Ein Jahr später (1958) wurden von den sechs EWG-Staaten auf einer Konferenz im norditalienischen Stresa die Leitlinien der künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik erarbeitet. Um die Ziele des EWG-Vertrages zu erreichen, sollten der Handel in der Gemeinschaft verstärkt und Handelsbeschränkungen abgebaut werden. Dabei sollte auf einen gerechten Wettbewerb zwischen den Regionen geachtet und Überschüsse vermieden werden. Im Mittelpunkt stand der bäuerliche Familienbetrieb.

Daraufhin entwarf die Kommission ein gemeinsames Regelwerk, das nach Zustimmung durch die EWG-Staaten die einzelstaatlichen Marktordnungen ersetzen sollte. 1962 war es dann soweit und die Gemeinsame Agrarpolitik trat mit der Marktorganisation für Getreide in Kraft. Die Marktorganisation beruhte auf drei Grundprinzipien: Einheit des Marktes, Gemeinschaftspräferenz und finanzielle Solidarität. Ihre Wirkung entfaltete diese Marktorganisation allerdings erst 1967, als erstmals ein Mindestpreis für Getreide festgesetzt wurde, zu dem der Staat jegliches ihm angebotene Getreide mit einer bestimmten Qualität ankaufen musste. Nach und nach entstanden für die unterschiedlichsten Warenbereiche insgesamt 22 Marktorganisationen, die im Grunde alle das gleiche Ziel verfolgten: Absicherung eines bestimmten Erzeugerpreisniveaus und damit Einkommens in der Landwirtschaft.

Strukturwandel der Landwirtschaft begleiten

Die Gemeinsame Agrarpolitik konnte jedoch den tief greifenden Strukturwandel der Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten nicht aufhalten. Seit den 60er-Jahren ging die Zahl der Betriebe in Deutschland von 1,6 Millionen um 80 Prozent auf rund 275.000 zurück. Zugleich wurden die verbleibenden Betriebe immer größer und produktiver.

Weil auf dem durch hohe Einfuhrabgaben abgeschotteten Binnenmarkt die Stützpreise noch bis zu Beginn der 80er-Jahre in einzelnen Jahren teilweise um mehr als zehn Prozent angehoben wurden und zugleich die Intervention keiner Mengenbeschränkung unterlag, häuften sich in der Europäischen Union (EU) riesige Überschüsse an. Produktionsbegrenzungen in Form von Quoten (Milch, Zucker, Stärke) brachten keine durchgreifende Entlastung, da die Quoten die heimische Nachfrage teilweise um mehr als 20 Prozent übertrafen. Auch Einschränkungen bei der Intervention sowie der subventionierte Absatz auf dem Binnenmarkt und in Drittländern führten nicht zu einer nachhaltigen Änderung der Situation.

Erst vor dem Hintergrund des Agrarhandelsabkommen (im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, GATT), das 1994 in Marrakesch im Rahmen der so genannten Uruguay-Runde beschlossen worden war, und rasant gestiegener Agrarausgaben – in den 80er-Jahren entfielen bis zu 70 Prozent des EU-Haushaltes auf die Landwirtschaft – vollzog sich ein Paradigmenwechsel in der Gemeinsamen Agrarpolitik. Mit der Verpflichtung, die interne Stützung abzubauen, Einführzölle auf Agrarerzeugnisse zu senken und Ausfuhrbeihilfen zu reduzieren, wandte sich die europäische Agrarpolitik von der Markt- und Preisstützung ab und stellte die direkte Einkommensstützung in den Vordergrund.

In Ergänzung der marktpolitischen Instrumente bildete der Mansholt-Plan von 1968 die Grundlage für die landwirtschaftliche Strukturpolitik. Seit Anfang der 70er Jahre wurde der Strukturwandel in der Landwirtschaft durch die Förderung von einzelbetrieblichen Investitionen zur Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen flankiert. Seit Mitte der 70er Jahre wurde zudem die Fortführung einer nachhaltigen Landbewirtschaftung in Berggebieten und anderen von der Natur benachteiligten Gebieten durch eine Ausgleichszahlung für die ständigen natürlichen und wirtschaftlichen Nachteile gefördert.

Schließlich wurde 1988 mit der Reform der Strukturfonds die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums geschaffen. Hierzu zählen auch über die Landwirtschaft hinausreichende Maßnahmen für neue Wirtschaftstätigkeiten, Infrastruktur, Humanressourcen, Forst sowie Umwelt- und Naturschutz. Im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative "LEADER" unterstützte auch die Europäische Kommission über den Sektor Landwirtschaft hinausgehende Projekte zur Förderung der lokalen und ländlichen Entwicklung, die unter Mitwirkung der lokalen Bevölkerung initiiert werden.

Einkommensstützung durch Direktzahlungen

MacSharry-Reform 1992

Einen Wendepunkt markierte die Agrarreform von 1992, benannt nach dem damaligen Agrarkommissar Ray MacSharry. Die Stützpreise für Getreide und Rindfleisch wurden schrittweise um bis zu 33 Prozent gekürzt und Ackerflächen stillgelegt. Als Ausgleich erhielten die Landwirte Direktzahlungen. Zudem wurden flankierende Maßnahmen wie Extensivierung, Aufforstung und Vorruhestand im Bereich der Agrarstrukturpolitik eingeführt. Erstmals fanden damit in größerem Maße Umweltbelange Eingang in die Gemeinsame Agrarpolitik.

Agenda 2000

Die Reformen in der Agrarpolitik wurden 1999 mit der Agenda 2000 fortgesetzt. Die Stützpreise wurden erneut schrittweise gesenkt, für Getreide (minus 15 Prozent), Rindfleisch (minus 20 Prozent) und erstmals auch für Milch (minus 15 Prozent). Im Gegenzug wurden die Direktzahlungen angehoben. Neu war auch eine freiwillige Umweltkonditionierung, das heißt die Mitgliedstaaten konnten die Direktzahlungen an die Einhaltung von Umweltvorschriften knüpfen. Die wichtigste Änderung war jedoch der Ausbau der flankierenden Maßnahmen und die Erweiterung der Agrarstrukturpolitik zur wesentlich breiter angelegten "Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums", als so genannte 2. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik. Ziel ist die Förderung der Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes durch langfristige Maßnahmen zugunsten einer Verbesserung der Produktions-, Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen sowie der Rahmenbedingungen der landwirtschaftlichen Tätigkeit. Gefördert werden unter anderem Investitionen in moderne Stallbauten und Maschinen, umweltverträgliche Landbewirtschaftung, die Direktvermarktung, der Aufbau alternativer Erwerbsmöglichkeiten für die Landwirte, die Landwirtschaft in benachteiligten Gebieten, Dorferneuerungen, Flurbereinigung und Infrastrukturmaßnahmen, Forstwirtschaft, Handwerk und Tourismus.

Agrarreform 2003

Mit der Agrarreform von 2003 wurde ein weiterer Meilenstein gesetzt. Die Europäische Union begann, die Direktzahlungen von der Produktion zu entkoppeln. Damit eröffneten sich den Landwirten neue unternehmerische Freiräume. Zudem trug die EU mit dieser Maßnahme dazu bei, Wettbewerbsverzerrungen im internationalen Handel abzubauen. Um die Direktzahlungen in voller Höhe zu erhalten, müssen die Landwirte im Rahmen der so genannten "Cross Compliance" zahlreiche im Fachrecht vorgesehene Verpflichtungen des Umwelt-, Tier- und Pflanzenschutzes, bei der Tiergesundheit, beim Boden- und Gewässerschutz sowie bei der Lebensmittelsicherheit erfüllen und die Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand erhalten. Darüber hinaus wird ein Teil der Direktzahlungen gekürzt und ebenfalls für Programme im Rahmen der 2. Säule zu Verfügung gestellt (so genannte "Modulation").

Health Check 2008

2008 wurde von der EU im Zuge des so genannten Health Check (Überprüfung der Reform von 2003) beschlossen, die Kürzungen der Direktzahlungen bis auf zehn Prozent ab 2012 anzuheben. Das Geld sollte insbesondere dazu dienen, über die 2. Säule verstärkt Projekte in den Bereichen Klimawandel, erneuerbare Energien, Biodiversität, Wassermanagement, Innovation und Forschung sowie in der Milchviehhaltung zu fördern. 2013 betrugen die Agrarausgaben noch rund 39 Prozent des EU-Haushaltes.

Agrarreform 2014

Mit der Ende 2013 beschlossenen Reform wurden der Kurs der Marktorientierung fortgesetzt, die GAP stärker als bisher auf die Entlohnung gesellschaftlicher Leistungen ausgerichtet und die Integration von Umweltanforderungen in die GAP verstärkt. Die GAP sollte die Erzeuger und die ländlichen Regionen bei der Bewältigung ihrer Herausforderungen unterstützen: rentable Nahrungsmittelerzeugung, nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und Klimaschutz sowie eine ausgewogene räumliche Entwicklung. Dementsprechend wurden neue Elemente eingefügt. Das sog. Greening hatte zur Folge, dass Landwirte bei den Direktzahlungen weitere Umweltleistungen zu erbringen hatten (z.B. Erhalt von Dauergrünlandflächen, eine verstärkte Anbaudiversifizierung sowie die Bereitstellung so genannter "ökologischer Vorrangflächen" auf Ackerland).

Agrarreform 2021

Für die GAP stehen in der EU-27 im Zeitraum 2021 bis 2027 insgesamt 387 Mrd. € einschließlich Mitteln aus dem Wiederaufbaufonds zur Verfügung. Dies sind durchschnittlich 55,2 Mrd. € pro Jahr und damit etwas mehr Mittel als – ebenfalls bezogen auf die EU-27 – im Jahr 2020 (also zum Ende des vorherigen Mehrjahreszeitraums) mit 54,6 Mrd. € (alle Angaben in laufenden Preisen).

Da die Verhandlungen auf EU-Ebene nicht zeitgerecht abgeschlossen werden konnten, galten für die beiden Übergangsjahre 2021 und 2022 die bestehenden Vorschriften fort. Die neue GAP startet zum 01. Januar 2023. Zentrale Elemente der Reform sind die Einführung eines neuen GAP-Umsetzungsmodells (mit nationalen Strategieplänen und stärkerer Ausrichtung auf Zielerreichung) sowie eine neugestaltete so genannte „Grüne Architektur“, die Umwelt- und Klimaaspekte im Zusammenspiel verschiedener Instrumente (Öko-Regelungen, Konditionalität und Agrarumwelt- und klimamaßnahmen) einbezieht und finanziell verstärkt.

In der neuen EU-Strategieplanverordnung werden die mit den Strategieplänen verbundenen Fragen (GAP-Ziele, Planaufstellung, Indikatoren usw.), die möglichen Interventionen (Direktzahlungen, Sektorprogramme und Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums), die Grüne Architektur (Konditionalität und Öko-Regelungen) sowie die Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung geregelt.

Die beiden Säulen der GAP (Direktzahlungen der 1. Säule und Marktmaßnahmen sowie Politik der ländlichen Entwicklung in der 2. Säule) erhalten durch den nationalen Strategieplan ein gemeinsames Dach. Zudem können in größerem Umfang als bisher Finanzmittel zwischen den Säulen umgeschichtet werden. In Deutschland wurde ein Umschichtungssatz von 10% im Jahr 2023 und danach ansteigend auf 11% (2024), 12,5% (2025) und 15% im Jahr 2026 festgelegt.

Die Konditionalität mit Anforderungen an die Bewirtschaftung und die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand baut auf dem bisherigen Cross-Compliance-System auf. Bei Verstößen werden die Zahlungen an den Landwirt gekürzt.

Neben dieser Konditionalität sind in der ersten Säule Öko-Regelungen als neues Förderinstrument verankert, die von den Mitgliedstaaten in ihren Strategieplanen angeboten werden müssen, deren Inanspruchnahme durch die Landwirtinnen und Landwirte aber freiwillig ist.

Die Kommission hat mit ihren in 2020 vorgelegten Green-Deal-, Farm-to-Fork- und Biodiversitätsstrategien die Erwartung verbunden, dass die dort genannten Ziele ebenfalls maßgeblich in die GAP-Strategiepläne einfließen.

Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass Deutschland die aktuelle Architektur spätestens zur Mitte der Legislaturperiode überprüft und im Sinne der Zielerreichung anpasst. Für die Weiterentwicklung der GAP ab 2027 will die Bundesregierung mit dieser Evaluierung ein Konzept vorlegen, wie die Direktzahlungen durch die Honorierung von Klima- und Umweltleistungen angemessen ersetzt werden können.

 

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