Anzeigepflichtige Tierseuchen
Im innerstaatlichen und internationalen Handelsverkehr ist das Freisein von Tierseuchen Vorbedingung für die Freizügigkeit des Handels. Die Tierseuchenbekämpfung ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Staat und Tierhaltern, sowohl zum eigenen Schutze als auch zur planvollen Entwicklung des internationalen Tierverkehrs. Ohne weitsichtige Maßnahmen für die Gesundheit der Viehbestände ist keine Leistungszucht möglich.
§ 4 Absatz 4 des Tiergesundheitsgesetzes ermächtigt das BMEL, soweit es zum Schutz gegen die Gefährdung von Tieren durch Tierseuchen im Hinblick auf deren Vorkommen, Ausmaß oder Gefährlichkeit erforderlich ist, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die anzeigepflichtigen Tierseuchen zu benennen.
Aufgrund der Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juli 2011 (BGBl. I S. 1404) sind nachstehend aufgeführte Tierseuchen anzeigepflichtig:
Die Liste der anzeigepflichtigen Tierseuchen umfasst auch solche Tierseuchen, die in der Bundesrepublik Deutschland noch nie oder seit langer Zeit nicht mehr vorgekommen sind. Dies ist aus Gründen der Übernahme von EG-Recht (Richtlinie 82/894/EWG des Rates vom 21. Dezember 1982 über die Mitteilung von Viehseuchen in der Gemeinschaft (Amtsblatt EG Nr. L 378 Seite 58)) in der jeweils geltenden Fassung), wegen bilateraler Abkommen sowie internationaler Meldeverpflichtungen erforderlich (Bekanntmachung des Internationalen Übereinkommens zur Einrichtung eines Internationalen Tierseuchenamtes in Paris vom 29. April 1974 (Bundesgesetzblatt II Seite 676)).
Staatliche Maßnahmen zum Schutze der Tierbestände
Die staatlichen Maßnahmen zum Schutze der Tierbestände setzen dort ein, wo der einzelne Besitzer allein seinen Bestand vor Verlusten nicht schützen kann. Die Notwendigkeit staatlicher Maßnahmen ist jedoch nur dann gegeben, wenn die Tierseuche eine volkswirtschaftliche Bedeutung hat, gemeingefährlich ist oder die menschliche Gesundheit gefährdet. Die Anzeigepflicht für die genannten Tierseuchen soll bewirken, dass Seuchenausbrüche frühzeitig erkannt und getilgt werden können, bevor die Tierseuche weiterverbreitet wird. Anzeigepflichtig ist nicht nur der Ausbruch (d. h. die amtliche Feststellung) einer Tierseuche, sondern bereits der Tierseuchenverdacht. Tierseuchen können in ihrem Erscheinungsbild so verschieden auftreten, dass bereits jeder Tierseuchenverdacht umgehend durch entsprechende Untersuchungen abgeklärt werden muss. Es liegt im eigenen Interesse des Tierbesitzers, so bald wie möglich über die seuchenverdächtigen Erscheinungen Klarheit zu bekommen, weil die Ausscheidung der Tierseuchenerreger in der Regel schon im Zeitraum von der Ansteckung bis zum Auftreten der Erkrankung (Inkubationsstadium) beginnt und zur Vermeidung größerer Verluste möglichst frühzeitig Maßnahmen zur Bekämpfung der Tierseuche eingeleitet werden müssen.
Darüber gibt § 4 Absatz 1 bis 3 des Tiergesundheitsgesetzes (TierGesG) Auskunft:
§ 4
Anzeigepflicht
(1) Bricht eine auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 4 anzeigepflichtige Tierseuche aus oder zeigen sich Erscheinungen, die den Ausbruch einer solchen Tierseuche befürchten lassen, so hat der Halter der betroffenen Tiere dies unverzüglich der nach Landesrecht zuständigen Behörde (zuständige Behörde) unter Angabe seines Namens und seiner Anschrift sowie
1. des Standortes und der Haltungsform der betroffenen Tiere und
2. der sonstigen für die jeweilige Tierseuche empfänglichen gehaltenen Tiere
unter Angabe der jeweiligen Tierzahl anzuzeigen. Der Tierhalter hat Maßnahmen zu ergreifen, um eine Verschleppung der Tierseuche zu vermeiden, insbesondere kranke und verdächtige Tiere von Orten, an denen die Gefahr der Ansteckung fremder Tiere besteht, fernzuhalten.
(2) Die Pflichten nach Absatz 1 hat außer dem Tierhalter auch, wer
1. in Vertretung des Tierhalters den Betrieb leitet,
2. mit der Aufsicht über Tiere an Stelle des Tierhalters beauftragt ist,
3. als Hirte, Schäfer, Schweizer, Senner oder in vergleichbarer Tätigkeit Tiere in Obhut hat oder
4. Fischereiberechtigter, Fischereiausübungsberechtigter oder Betreiber einer Anlage oder Einrichtung zur Zucht, Haltung oder Hälterung von Fischen ist.
Die Pflichten nach Absatz 1 hat ferner
1. für Tiere auf dem Transport ihr Begleiter,
2. für Haustiere in fremdem Gewahrsam der Inhaber des Gewahrsams.
(3) Zur unverzüglichen Anzeige sind auch die Tierärzte und Leiter tierärztlicher oder sonstiger öffentlicher oder privater Untersuchungs- oder Forschungseinrichtungen sowie alle Personen verpflichtet, die sich mit der Ausübung der Tierheilkunde, der künstlichen Besamung, der Leistungsprüfung in der tierischen Erzeugung oder gewerbsmäßig mit der Kastration von Tieren beschäftigen. Satz 1 gilt auch für Tiergesundheitsaufseher, Tiergesundheitskontrolleure, Veterinärassistenten, Veterinäringenieure, Veterinärtechniker, Veterinärhygienekontrolleure, amtliche Fachassistenten, Lebensmittelkontrolleure, Futtermittelkontrolleure, Bienensachverständige, Fischereisachverständige, Fischereiberater, Fischereiaufseher, Natur- und Landschaftspfleger, Hufschmiede und Klauenpfleger, ferner für Personen, die gewerbsmäßig schlachten, sowie solche, die sich gewerbsmäßig mit der Behandlung, Verarbeitung oder Beseitigung geschlachteter, getöteter oder verendeter Tiere oder tierischer Bestandteile beschäftigen, wenn sie, bevor ein behördliches Einschreiten stattgefunden hat, von dem Ausbruch einer anzeigepflichtigen Tierseuche oder von Erscheinungen, die den Ausbruch einer solchen Tierseuche befürchten lassen, Kenntnis erhalten.“
Die Seuchenmeldung ist unverzüglich zu erstatten, und zwar an die nach Landesrecht zuständige Behörde; dies ist in der Regel das örtlich zuständige Veterinäramt. Unverzüglich bedeutet: ohne jeden Zeitverlust und ohne schuldhafte Verzögerung. Auch am Wochenende darf es keine Verzögerung geben. Der Amtstierarzt oder sein Vertreter sind immer zu erreichen.
Die Bedeutung der unverzüglichen Tierseuchenanzeige sollte jedem Tierbesitzer klar sein. Eine Tierseuchenverheimlichung oder eine verspätete Anzeige würde den betreffenden Tierbesitzer mit einer schweren Verantwortung belasten, da gegebenenfalls die Tierseuche direkt (beispielsweise über den Tierhandel) oder indirekt (beispielsweise über den Personenverkehr) aus dem Gehöft verschleppt und weit verbreitet werden kann.
Die Gewährung von Entschädigungen für Tierverluste durch Tierseuchen (§§ 15 ff TierGesG) soll die Auswirkungen und die Folgen einer Tierseuche tragbar machen und die Tierseuchentilgung sowie die Mitarbeit der Tierbesitzer fördern. Der Anspruch auf Entschädigung entfällt, wenn der Besitzer der Tiere beispielsweise die Tierseuchenanzeige schuldhaft nicht oder nicht unverzüglich erstattet.