Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration
Seit dem 1. Januar 2021 ist eine betäubungslose Ferkelkastration in Deutschland nach dem Tierschutzgesetz verboten.
In Deutschland gab es im Jahr 2020 rund 32.000 Betriebe, die Schweine halten. Darunter waren etwa 6.800 Betriebe mit Zuchtsauenhaltung, in denen Ferkel für die Mast und die Nachzucht erzeugt werden. Im Bundesdurchschnitt wurden knapp 250 Sauen je Betrieb gehalten. Der Großteil der für die Mast bestimmten männlichen Ferkel in Deutschland wird derzeit chirurgisch kastriert. Der Grund: Das Fleisch männlicher Schweine kann unter Umständen einen sehr unangenehmen Geruch entwickeln und gilt dann als schwer bis gar nicht verkäuflich.
Das deutsche Tierschutzgesetz ist mit Blick auf die Ferkelkastration eines der ambitioniertesten Gesetze innerhalb der EU. Zum einen sieht das deutsche Recht, im Vergleich zu vielen anderen Mitgliedstaaten, ein Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration vor; zum anderen ist die Betäubung in Deutschland als „wirksame Schmerzausschaltung“ definiert.
Bei vergleichbaren Regelungen anderer Mitgliedstaaten wird hingegen lediglich eine Schmerzlinderung als ausreichend betrachtet.
Alternativen der betäubungslosen Ferkelkastration
Bis zum Inkrafttreten des im Tierschutzgesetz 2013 aufgenommenen Verbots zum 1. Januar 2021 waren in Deutschland unter acht Tage alte Ferkel ohne Betäubung kastriert worden. Die Zeit zum Inkrafttreten des Verbots der betäubungslosen Ferkelkastration am 1. Januar 2021 wurde genutzt, um die Umstellung zu erreichen. Für die Schweinehalter gibt es derzeit drei Alternativen:
- Die chirurgische Kastration unter Narkose: Bei diesem Verfahren wird das Tier mittels Injektionsnarkose oder Inhalationsnarkose unter Vollnarkose gesetzt. Die Vollnarkose mit Isofluran durfte bis Anfang 2020 nur von einem Tierarzt durchgeführt werden. Deshalb hat das BMEL eine Verordnung erlassen, mit der es sachkundigen Personen ermöglicht wird, die Isofluran-Betäubung (Inhalationsnarkose) selbst durchzuführen. Die Injektionsnarkose darf nur von einem Tierarzt vorgenommen werden.
- Die Ebermast: Bei diesem Verfahren erfolgt keine chirurgische Kastration am Tier. Bei der Ebermast werden höhere Anforderungen an das Haltungsmanagement gestellt. Dafür haben die Jungeber eine bessere Futterverwertung und weisen einen höheren Fleischanteil auf. Bei der Ebermast besteht ein relativ geringes Risiko, dass das Fleisch einen sogenannten Ebergeruch annimmt, so dass am Schlachthof eine Qualitätskontrolle erfolgen muss.
- Die Immunokastration: Bei diesem Verfahren wird das männliche Mastschwein zweimal geimpft. Diese Impfung bewirkt eine zeitlich begrenzte Unterdrückung der Hodenfunktion. Dadurch wird ein möglicher Ebergeruch verhindert. Neben den zusätzlichen Kosten wird hier von Kritikern ins Feld geführt, dass der logistische Aufwand sich erhöht.
Jede Alternative hat Vor- und Nachteile. Welche Alternative ein Landwirt letztendlich wählt, hängt insbesondere von den Möglichkeiten der Vermarktung und der Akzeptanz der Abnehmer ab. Da das Fleisch von den Tieren aus den o. g. Alternativen unterschiedliche Fettanteile bzw. Fettqualitäten besitzen und daher u. U. unterschiedliche Verarbeitungsqualitäten haben kann, müssen sich auch die Verarbeiter und Metzger mit den unterschiedlichen Alternativen auseinandersetzen. In diesem Zusammenhang fördert das BMEL ein Forschungsprojekt, in dem u. a. die Aspekte der Verarbeitung untersucht werden.
Ferkelkastration unter Lokalanästhesie – nicht gesetzeskonform
Die Kastration unter Lokalanästhesie ist bisher nicht gesetzeskonform: Die lokale Betäubung bewirkt – im Gegensatz zur Vollnarkose – nach derzeitigem Erkenntnisstand keine wirksame Schmerzausschaltung. Die wirksame Schmerzausschaltung ist aber seit dem 1. Januar 2021 zwingende gesetzliche Voraussetzung. Ob mit einer Lokalanästhesie grundsätzlich eine wirksame Schmerzausschaltung erreicht werden kann, wird derzeit in einem Forschungsprojekt untersucht.
Das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) hat umfangreiche Informationen für Schweinehalterinnen und -halter erarbeitet und ein Informationspaket zusammengestelt.
Branchenvertreter aller Stufen der Lebensmittelkette unterstützen Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration
Das BMEL hat alles darangesetzt, alle rechtskonformen Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration zu unterstützen, insbesondere mit Blick auf ihre praxistauglichen Lösungen Dazu bedurfte es eines konzertierten Zusammenwirkens aller Stufen der Produktionskette.
Vor diesem Hintergrund hat Bundesministerin Julia Klöckner mehrfach Vertreter der Landwirtschaft, der Fleischwirtschaft, des Tierschutzes, des Lebensmitteleinzelhandels, der Tierärzte sowie der Wissenschaft im Vorfeld des Verbots zu Gesprächen am runden Tisch geladen. Anfang Januar 2021 verschaffte sie sich – pandemiebedingt virtuell – beim nunmehr „5. Runden Tisch Ferkelkastration“ einen umfassenden Überblick über die verwendeten Alternativen und betonte: „Seit Beginn des Jahres ist die betäubungslose Ferkelkastration in Deutschland verboten. Eine vollständige Schmerzausschaltung muss garantiert sein – Ferkel dürfen nur noch unter Vollnarkose chirurgisch kastriert werden. Das ist ein bedeutender Fortschritt für den Tierschutz. Für die Tierhalter bedeutet das einen höheren Aufwand und Investitionen. Deshalb habe ich Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Handel frühzeitig eingebunden und aufgefordert, auf die alternativen Verfahren umzustellen. Als Ministerium haben wir geliefert: Wir haben das Ende der betäubungslosen Ferkelkastration mit vielfältigen Maßnahmen unterstützt, etwa die Anschaffung von Narkosegeräten mit Millionenbeträgen gefördert. Von den Beteiligten der Wertschöpfungskette erwarte ich nun Offenheit für alle Alternativen.“
Hintergrund: Unterstützung des BMEL
Um Wettbewerbsnachteile durch die strengeren Vorgaben zu verhindern, unterstützt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in vielfältiger Weise die Einführung der alternativen Verfahren und Methoden zur betäubungslosen Ferkelkastration – Beispiele sind:
Ferkelbetäubungssachkundeverordnung
- Die Ferkelbetäubungssachkundeverordnung ist seit Januar 2020 in Kraft.
- Damit ist der Grundstein gelegt, mit dem es Landwirten ermöglicht wird, die Isofluran-Narkose bei der Ferkelkastration selbst durchzuführen.
Staatliche Förderung der Narkosegeräte
- Mit Ablauf der Auszahlungsfrist (15.10.2020) lagen knapp 2.700 vollständige Auszahlungsanträge vor, die alle bis Ende 2020 bearbeitet, bewilligt und ausgezahlt wurden. Die Anträge umfassen ein Fördervolumen von rund 13,5 Millionen Euro.
- Damit haben etwa 40 Prozent der Sauenhalter in Deutschland diese Förderung in Anspruch genommen.
Informationsveranstaltungen für Landwirte
- Insgesamt wurden im Jahr 2020 im gesamten Bundesgebiet 99 Informationsveranstaltungen (coronakonform) zum Thema Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration durchgeführt.
- An diesen Veranstaltungen haben insgesamt knapp 2.900 Teilnehmer teilgenommen.
- Die Veranstaltungen wurden vom BMELmit über 2 Millionen Euro gefördert.
Durchführung von an Verbraucher gerichtete Aufklärungskampagne über Alternativmethoden
- Das BMEL informiert Verbraucher über die Thematik der betäubungslosen Ferkelkastration und die Alternativverfahren.