Europäische Waldpolitik
Die Wälder in Europa zeichnen sich durch ihre Vielfältigkeit aus. Von den borealen Nadelwäldern Skandinaviens über die alpinen oder atlantisch geprägten Wälder in Zentral- und Westeuropa bis hin zu den mediterranen Wäldern Südosteuropas – sie alle erfüllen unterschiedliche Funktionen und sind weitgehend Teil der vom Menschen seit Jahrhunderten gestalteten Kulturlandschaft und geprägt von diversen Eigentumsverhältnissen.
So haben sich nicht nur in den EU-Mitgliedstaaten, sondern in ganz Europa eine hohe Expertise, ein großer, regional differenzierter Erfahrungsschatz und an die örtlichen Verhältnisse und Anforderungen bestmöglich angepasste Waldbewirtschaftungskonzepte etabliert. Die nachhaltige, multifunktionale Waldbewirtschaftung berücksichtigt dabei insbesondere auch die biologische Vielfalt, wodurch neben der ökonomischen auch die ökologischen und sozialen Funktionen der Wälder gezielt gefördert und erhalten werden.
Vor diesem Hintergrund sind in der Europäischen Union die Mitgliedstaaten für den Schutz, den Erhalt und die Bewirtschaftung ihrer Wälder und damit für die Waldpolitik zuständig. Die EU-Kommission besitzt gemäß des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und im Gegensatz zur Landwirtschaft nicht die Kompetenz, eine gemeinsame EU-Waldpolitik zu formulieren, die für die EU-Mitgliedstaaten rechtlich bindend und unmittelbar umzusetzen ist. So ist auch das Subsidiaritätsprinzip, das festlegt, unter welchen Umständen die Union befugt ist, vor den Mitgliedstaaten tätig zu werden, im Bereich Wald und Waldpolitik von großer Bedeutung.

Auch wenn es im Rahmen des AEUV keine formale Zuständigkeit der EU für eine gemeinsame europäische Waldpolitik gibt, werden waldrelevante und waldbezogene Aktivitäten auf EU-Ebene eng koordiniert. Dies geschieht auf fachlicher Ebene formal in der Ratsarbeitsgruppe Forstwirtschaft und informell im Ständigen Forstausschuss den beiden Beratungsgremien, in denen die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission vertreten sind und sich über alle waldpolitischen Belange austauschen, und auf ministerieller Ebene im Rat für Landwirtschaft und Fischerei. Darüber hinaus existieren weitere politische Prozesse sowie Forschungsinstitute zum Schutz, Erhalt und nachhaltigen Bewirtschaftung von Wäldern. Auf pan-europäischer politischer Ebene ist dies der Forest Europe Prozess und auf der wissenschaftlichen Ebene das Europäische Forstinstitut, auf internationaler Ebene das Waldforum der Vereinten Nationen.
EU-Waldstrategie
Grundlage für die Koordinierung und Umsetzung von waldrelevanten und waldbezogenen Aktivitäten auf EU-Ebene ist zunächst die EU-Waldstrategie, in deren freiwilligen Rahmen die Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission die Umsetzung waldrelevanter Maßnahmen abstimmen. Dazu beschließen die Mitgliedstaaten üblicherweise auch Ratsschlussfolgerungen.
Darüber hinaus üben eine Reihe weiterer EU-Politiken Einfluss auf die Wälder und die Waldbewirtschaftung in der EU aus, so zum Beispiel die im Rahmen des EU Green Deals beschlossenen Gesetze zum Klimaschutz und zum Ausbau der erneuerbaren Energien sowie die Strategie zum Schutz der biologischen Vielfalt. Die zunehmenden Ansprüche der Gesellschaft an die Wälder und der damit einhergehende Einfluss anderer Politikbereiche auf den Wald hat zur Folge, dass die waldbezogenen Politiken und Strategien auf EU-Ebene zunehmend aufgesplittert und weniger kohärent wird. So liegt die Bedeutung der EU-Waldstrategie vor allem darin, diese vielfältigen und z.T. konträren Ansprüche an den Wald aus den verschiedenen EU-Politikbereichen, insbesondere Naturschutz, Klimaschutz, Energie und Wirtschaft miteinander in Einklang zu bringen und einen Rahmen abzustecken, in denen unter Wahrung der Subsidiarität und Zuständigkeit waldpolitische Maßnahmen gemeinsam vorangebracht werden können.
Schwerpunkte der EU Waldstrategie für 2030 sind:
- Unterstützung der sozioökonomischen Funktionen der Wälder und Förderung der waldbasierten Bioökonomie
- Schutz und Wiederherstellung der Wälder zur Bekämpfung des Klimawandels und Umkehr des Verlusts biologischer Vielfalt
- Überwachung der Wälder und Berichterstattung über deren Zustand
Deutschland bringt sich direkt auf EU-Ebene ein und setzt nationale Maßnahmen unter anderem im Rahmen der Waldstrategie 2050 um.
Pan-europäischer Waldministerprozess "FOREST EUROPE"
Der pan-europäische Waldministerprozess FOREST EUROPE ist ein freiwilliger Zusammenschluss von 45 Signatarstaaten und rund 50 Organisationen aus dem Wald- und Umweltbereich, der seit über 30 Jahren die Erhaltung und nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder in Europa in grenzüberschreitender Zusammenarbeit fördert.
Die durch FOREST EUROPE festgelegte Definition von nachhaltiger Waldbewirtschaftung mit nachprüfbaren Kriterien und Indikatoren ist international anerkannt, Bezugspunkt für die Signatarstaaten bei der Entwicklung ihrer Waldpolitik und Grundlage für die europaweite Berichterstattung zum Zustand der Wälder in Europa.
Der Prozess wird politisch gesteuert durch regelmäßig stattfindende Ministerkonferenzen, anlässlich derer politische Beschlüsse zu aktuellen waldpolitischen Themen von gesamteuropäischer Tragweite sowie ein Arbeitsprogramm für den aktuellen Vorsitz verabschiedet werden.
Von 2021 bis 2024 hatte Deutschland den Vorsitz über den FOREST EUROPE Prozess inne. Inhaltliche Schwerpunkte des Arbeitsprogramms unter deutschem Vorsitz waren die Weiterentwicklung des Konzepts nachhaltiger Waldwirtschaft und die Stärkung der Resilienz der Wälder. So wurde beschlossen, eine pan-europäischen Beratungsplattform „FoRISK“ für Waldrisiken am Europäischen Forstinstitut in Bonn zu errichten, die ihre Arbeit bereits aufgenommen hat. Zudem ist es unter deutschem Vorsitz gelungen, die Arbeitsmodalitäten des Prozesses zu flexibilisieren um die Unterstützungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten für alle Signatarstaaten zu vereinfachen und den Prozess damit zukunftsfest aufzustellen.
Schweden hat nun den Vorsitz über den FOREST EUROPE Prozess von Deutschland bis 2026 übernommen. Das Arbeitsprogramm hat folgende inhaltliche Schwerpunkte:
- Weiterentwicklung des Konzepts nachhaltige Waldwirtschaft
- Sicherstellung der langfristigen Stabilität des Prozesses
- Die nächste Ministerkonferenz ist für den Sommer 2026 in Stockholm geplant.
European Forest Institute

Das European Forest institute (EFI) ist eine internationale Organisation mit Hauptsitz in Finnland und regionalen Büros in Barcelona, Bordeaux und seit August 2017 auch in Bonn. Es wird von rund 30 europäischen Mitgliedsstaaten getragen und hat circa 125 Mitgliedsorganisationen aus knapp 40 Ländern, meist aus dem wissenschaftlichen Bereich.
Gemeinsam mit seinen Mitgliedern forscht EFI in über 30 Projekten zu allen Themen und Fragestellungen rund um den Wald. Das EFI fördert die Verbreitung wissenschaftlich fundierter, politisch relevanter Informationen über Wälder und Waldwirtschaft auf verschiedenen Kommunikationswegen und setzt sich darüber hinaus für deren Nutzung als Grundlage für waldpolitische Entscheidungen ein.
Als direkte Schnittstelle zur Waldpolitik sei beispielsweise das ThinkForest-Format genannt, welches ein hochrangiges europäisches Forum über die Zukunft der Wälder offeriert. Die wissenschaftliche Arbeit des EFI reicht von den ökologischen Grundlagen bis hin zur wirtschaftlichen Nutzung der Wälder. Im Jahr 2020 wurde das Buch „How to balance forestry and biodiversity conservation. A view across Europe“ veröffentlicht, welches die Herausforderungen aufzeigt, denen sich die Waldbewirtschafter stellen müssen, um die gesellschaftlichen Anforderungen an den Wald zu erfüllen und insbesondere die Förderung der biologischen Vielfalt zu integrieren.