Fragen und Antworten zum Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz - AgrarOLkG
Warum ist es wichtig, die Stellung von Landwirtinnen und Landwirten in der Wertschöpfungskette zu stärken?
Es kommt immer wieder vor, dass Landwirtinnen und Landwirtinnen keine kostendeckenden Preise für ihre Erzeugnisse bekommen. Das kann kurzfristige Gründe haben, wenn Angebot und Nachfrage nicht übereinstimmen. Es gibt aber auch strukturelle Defiziten, wie z. B. die ungleiche Verteilung der Marktmacht zwischen landwirtschaftlichen Erzeugern, der Verarbeitung und dem Lebensmitteleinzelhandel. In der Lebensmittellieferkette haben Landwirtinnen und Landwirte als kleinere Marktteilnehmer gegenüber umsatzstarken Unternehmen in der Verarbeitung oder im Handel eine geringere Verhandlungsmacht. Alternative Absatzwege sind aufgrund der Verderblichkeit vieler landwirtschaftlicher Erzeugnisse oft nicht vorhanden. Grundsätzlich können Lieferantinnen und Lieferanten daher unlauteren Handelspraktiken ausgesetzt sein.
Auf dem Milchmarkt ist das Machtgefälle besonders groß: Einer Vielzahl von Erzeugern steht eine deutlich geringere Zahl an Abnehmern gegenüber. Um die Milcherzeugerinnen und -erzeuger zu stärken, hat das BMEL die Umsetzung des Artikel 148 GMO vorbereit.
Was versteht man unter unfairen Handelspraktiken?
Unlautere Handelspraktiken sind Vertragsklauseln und Verhaltensweisen, die in Geschäftsbeziehungen zwischen gewerblichen Käufern von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen und umsatzmäßig kleineren Lieferanten als unfair anzusehen und unzulässig sind. Wenn z. B. die Bezahlung für die ausgelieferten 30 Paletten Salatköpfe auf sich warten lässt oder der Auftrag, weitere 20 Paletten anzuliefern, über Nacht storniert wird, dann sind dies unlautere Handelspraktiken, die nicht zulässig sind. Leidtragend sind oftmals die Landwirtinnen und Landwirte. Als BMEL wollen wir Fairness sowie Verhandlungen auf Augenhöhe in der Lieferkette stärken.
Wie wirkt das aktuelle Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz (AgrarOLkG) gegen unfaire Handelspraktiken?
Das AgrarOLkG setzt die Richtlinie der EU zu "unfair trading practices" (UTP-Richtlinie (EU) 2019/633) um. Erstmals gilt EU-weit ein einheitlicher Mindeststandard zum Schutz von Erzeugern landwirtschaftlicher Produkte. Die Regelung schützt Lieferanten entlang der Lieferkette: vom Gemüsebauern über den Bäckereibetrieb bis zur Molkerei.
Derzeit werden alle Unternehmen der Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung bis zu einem Jahresumsatz von 350 Millionen Euro gegenüber Unternehmen der Lebensmittelverarbeitung bzw. des Lebensmittelhandels geschützt. Zudem werden Lieferanten von Milch- und Fleischprodukten sowie von Obst-, Gemüse- und Gartenbauprodukten bis zu einem bestimmten Jahresumsatz geschützt. Durch den Schutz nicht nur der Erzeuger, sondern auch der weiteren Lieferanten wird vermieden, dass über unlautere Handelspraktiken an anderen Stellen der Lieferkette ein zu starker Druck auf die Landwirtinnen und Landwirte ausgeübt wird.
Konkret verbietet das Gesetz eine Reihe unlauterer Handelspraktiken ("schwarze" und "graue" Handelspraktiken, vgl. Frage 4 und Frage 6).
Was regeln die "grauen" Praktiken im AgrarOLkG?
"Graue" Praktiken sind nur dann erlaubt, wenn sie vorher klar und eindeutig zwischen den Vertragsparteien vereinbart wurden. Zu den "grauen" Praktiken gehören: Zahlungsverlangen des Käufers für die Listung der Erzeugnisse bei deren Markteinführung; Zahlungsverlangen des Käufers für die Vermarktung der gelieferten Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen, einschließlich Verkaufsangeboten, der Werbung, Preisnachlässen im Rahmen von Verkaufsaktionen und der Bereitstellung auf dem Markt; Zahlungsverlangen des Käufers für das Einrichten der Verkaufsräumlichkeiten.
Was wird durch das AgrarOLkG als sog. schwarze Praktik verboten?
- Kaufpreiszahlungen
- für verderbliche Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse später als 30 Tage nach der Lieferung oder – wenn die Erzeugnisse regelmäßig geliefert werden – nach Ablauf des vereinbarten Lieferzeitraums oder später als 30 Tage nach dem Tag der Festlegung des zu zahlenden Betrags und
- bei anderen als verderblichen Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen später als 60 Tage nach der Lieferung oder – wenn die Erzeugnisse regelmäßig geliefert werden – nach Ablauf des vereinbarten Lieferzeitraums oder später als 60 Tage nach dem Tag der Festlegung des zu zahlenden Betrags;
- Zurückschicken unverkaufter Erzeugnisse vom Käufer an den Lieferanten ohne Zahlung des Kaufpreises und, soweit die Erzeugnisse nicht mehr verwendbar sind, der Beseitigungskosten ("Retourenverbot");
- kurzfristige Stornierung von Bestellungen verderblicher Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse durch den Käufer;
- Abwälzung der Lagerkosten des Käufers auf den Lieferanten;
- einseitige Änderung der Bedingungen einer Lieferung in Bezug auf Häufigkeit, Art und Weise, Ort, Zeitpunkt oder Umfang der Lieferung, der Qualitätsstandards, der Zahlungsbedingungen oder der Preise oder bestimmter Dienstleistungen durch den Käufer;
- Zahlungsverlangen des Käufers für Qualitätsminderung oder vollständige Qualitätseinbuße von Erzeugnissen nach Übergabe der Lieferung an den Käufer; oder für die Bearbeitung von Kundenbeschwerden im Zusammenhang mit den Erzeugnissen des Lieferanten; ohne dass ein Verschulden des Lieferanten vorliegt;
- Forderung von Zahlungen, die nicht im Zusammenhang mit dem Verkauf von Erzeugnissen des Lieferanten stehen;
- Zahlungsverlangen des Käufers für die Listung markteingeführter Produkte;
- Drohung des Käufers mit Vergeltungsmaßnahmen geschäftlicher Art oder deren Anwendung, wenn der Lieferant von seinem vertraglichen oder gesetzlichen Rechten Gebrauch macht oder seine gesetzlichen Pflichten erfüllt;
- Weigerung des Käufers, eine geschlossene Liefervereinbarung oder bestimmte Zahlungen- und Kostenschätzungen auf Verlangen des Lieferanten in Textform zu bestätigen;
Rechtswidrige Erlangung, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen des Lieferanten durch den Käufer.
Wer überwacht, ob das AgrarOLKG eingehalten wird?
Für die Überwachung ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) zuständig. Sie kann sowohl aufgrund von (anonymen) Beschwerden als auch von Amts wegen tätig werden, dabei stehen ihr verschiedene Sanktionsbefugnisse zu.
Warum soll das AgrarOLkG nun geändert werden?
Das BMEL hat das Gesetz 2023 evaluiert. Die Evaluierung hat gezeigt, dass das Gesetz wirkt und unlautere Praktiken zurückgegangen sind. Vor allem bei verspäteten Kaufpreiszahlungen gibt es Verbesserungen für kleinere Betriebe. Die Evaluierung hat auch gezeigt, dass sich der befristet eingeführte Schutz bestimmter großer Lieferanten bewährt hat. Daher haben sich die regierungstragenden Fraktionen im Agrarpaket auf die Entfristung geeinigt
Welche Änderungen beim AgrarOLkG sieht das Agrarpaket der Koalition vor, um noch mehr Fairness in den Lieferketten zu erreichen?
Auf Basis des Evaluierungsberichts sind nun folgende Änderungen vorgesehen: Ausweichbewegungen, mit denen schwarze Praktiken umgangen werden sollen, werden verboten. Der Anwendungsbereich des Gesetzes für Lieferanten bestimmter Produktgruppen wie Milch, Obst und Gemüse mit Umsatzgrößen bis 4 Milliarden Euro hat sich besonders bewährt. Daher wird die zur Zeit im Gesetz noch bestehende zeitliche Befristung aufgehoben, so dass diese Lieferanten dauerhaft geschützt werden. Der Schutz gilt bis zu einem globalen Jahresumsatz von 15 Milliarden Euro. Bei zwei geschwärzten Praktiken werden tatbestandliche Eingrenzungen vorgenommen, um überschießenden Tendenzen zu begegnen.
Wer profitiert von den Änderungen?
Die Entfristung des erweiterten Anwendungsbereichs sorgt dafür, dass auch strukturell verhandlungsschwächere große Lieferantinnen und Lieferanten, wie bspw. Molkereigenossenschaften, weiterhin gegen unlautere Handelspraktiken geschützt sind.
Von den Änderungen, die die Ausweichbewegungen einschränken, profitieren Landwirtinnen und Landwirte genauso wie andere Lieferantinnen und Lieferanten, die solchen Handelspraktiken ausgesetzt sind, die ebenso unfair sind wie die bereits aktuell verbotenen.
Wie ist der Zeitplan für die Änderung des AgrarOLkG?
Der Bundestag strebt einen Beschluss vor der Sommerpause an. Anschließend erfolgt die verfassungsmäßige Beteiligung des Bundesrats, wobei der Gesetzentwurf nicht zustimmungsbedürftig ist. Wird dieser Zeitplan eingehalten, werden die Vorschriften noch in diesem Jahr in Kraft treten.
Ich habe weitere Fragen. Wo finde ich weitere Informationen?
Weitere Informationen finden Sie im Evaluierungsbericht und auf den Seiten der Europäischen Kommission und der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.