Glyphosat, Ökoweinbau, ländlicher Raum – designierte CDU-Ministerin im Interview

In wenigen Tagen wird Julia Klöckner (CDU) zur Bundeslandwirtschaftsministerin ernannt. Wie sie zu Glyphosat und Ökogemüse steht – und ob sie Rheinland-Pfalz erhalten bleibt –, das fragten wir die 45-Jährige im Interview.

Frage: Frau Klöckner, hätten Sie gedacht, dass Ihr berufliches Schicksal mal von der SPD-Basis abhängt?

Julia Klöckner: Ich habe das nicht so empfunden. Die SPD-Basis macht mich ja nicht zur Ministerin, sondern die Kanzlerin.

Frage: Jetzt wechseln Sie als Ministerin ins Bundeslandwirtschaftsministerium. Der politische Gegner ätzt: Da Sie es nicht in Rheinland-Pfalz geschafft haben, flüchten Sie nach Berlin.

Julia Klöckner: Wäre ich geblieben, hätte es geheißen: Klöckner hat nicht das Zeug zu einer Bundesministerin. Ein bisschen mehr Kreativität hätte ich dem SPD-Generalsekretär schon zugetraut.

Frage: Sehen Sie Ihre berufliche Zukunft eher in Rheinland-Pfalz oder in Berlin?

Julia Klöckner: Ich bleibe ja CDU-Landesvorsitzende, mein Lebensmittelpunkt ist im Kreis Bad Kreuznach, ich werde regelmäßig hier sein. Im Übrigen ist ein Sitz des Ministeriums auch in unserem Nachbarland, in Bonn.

Frage: Halten Sie sich die Option, Spitzenkandidatur 2021 in Rheinland-Pfalz, offen?

Julia Klöckner: Für uns stellt sich diese Frage jetzt überhaupt nicht, wir regeln die Nachfolge des Fraktionsvorsitzes im Landtag. Und unser nächster Blick richtet sich nun auf die Kommunal- und Europawahl 2019.

Frage: Wie viel Einfluss kann man denn von Berlin aus auf die Landespolitik überhaupt noch ausüben?

Julia Klöckner: (lacht) Fragen Sie das Herrn Seehofer. Im Ernst, es ist gut für unser Land, den Draht nach Berlin und in die Regionen weiter auszubauen.

Frage: Apropos Horst Seehofer. Sie haben im Konflikt mit ihm einen ersten Erfolg errungen: Die Zuständigkeit für ländliche Räume bleibt in Ihrem Ministerium. Wie wichtig war dieser Etappensieg?

Julia Klöckner: Landwirtschaft und Entwicklung der ländlichen Räume gehören untrennbar zusammen. Es ist sinnvoll, dass dies in meinem zukünftigen Ministerium bleibt. Das war mir wichtig.

Frage: Sehen Sie beim Thema ländlicher Raum einen Konflikt zwischen Bundesregierung und Mainzer Landesregierung?

Julia Klöckner: Der Druck auf die Landesregierung ist enorm. Sie schließt kleine Grundschulen, hat aber keine Strategie, wie sie Strukturpolitik in den ländlichen Räumen nachhaltig macht, um Schulen zu halten. Schule, Krankenhaus, Arzt und Kindergarten sind mitentscheidend, ob eine kommende Generation im ländlichen Raum leben will. Dazu braucht man schnelles Internet und kluge Verkehrsinfrastruktur und eine Dezentralisierungsstrategie. Wenn Minister Volker Wissing mehr als 70 Millionen Euro Straßenbaumittel des Bundes nicht abruft und die nicht in unseren Regionen verbaut werden können, halte ich das für fatal. Und zu sagen "Wir haben nicht genügend Ingenieure" reicht nicht – dann müssen Planungsleistungen extern eingekauft werden.

Frage: Laut Koalitionsvertrag soll die Anwendung des Unkrautgifts Glyphosat so schnell wie möglich beendet werden. Klingt irgendwie nicht nach Julia Klöckner …

Julia Klöckner: Der Einsatz soll eingeschränkt werden, mit dem Ziel, darauf verzichten zu können. Der Glyphosat-Einsatz wurde in den vergangenen fünf Jahren um 30 Prozent reduziert. Die sachgerechte Anwendung ist nicht überall gegeben, zum Beispiel in der Hobbygärtnerei. Im Übrigen ist nicht die Landwirtschaft, sondern die Deutsche Bahn der größte Anwender, um das Unkraut zwischen den Schienen zu vernichten. Wir reduzieren Glyphosat und erhöhen gleichzeitig die Forschung an alternativen Pflanzenschutzmitteln. Wissenschaftlich basierte Entscheidungen sind wichtig. Es ist verständlich, dass die Bevölkerung verunsichert ist, weil es den Vorwurf gibt, dass Glyphosat krebserregend ist…

Frage: … das Krebsrisiko liegt laut Weltgesundheitsorganisation auf einer Ebene mit dem Verzehr von Fleisch und Wurst.

Julia Klöckner: … das habe ich auch gelesen. Mir ist es ein Anliegen, bei Pflanzenschutzmitteln die Forschung und Folgeabschätzung auf die Umwelt zu intensivieren.

Frage: Sie haben mit einer Aussage zum möglichen Pestizideinsatz im Ökolandbau für Aufregung gesorgt. Wie haben Sie das gemeint?

Julia Klöckner: Ökowinzer können den falschen Mehltau, der bei extrem feuchter und warmer Witterung auftritt, nicht mehr wie bisher behandeln, weil der Einsatz von Kaliumphosphonat von der EU verboten worden ist. Kaliumphosphonat ist ein gesundheitlich unbedenklicher, in der Natur nicht vorkommender synthetischer Wirkstoff. Er schützt Pflanzen gegen Pilzerkrankungen. Bis 2013 war er zugelassen, der Kupfereinsatz im Kartoffel- und Weinbau konnte dadurch minimiert werden. Ich will nicht, dass die Ökoweinbranche in nassen Jahren an den Rand ihrer Existenz gebracht wird, weil die Ernte bedroht ist. Deshalb wollen wir uns auf europäischer Ebene dafür einsetzen, Pflanzenschutzmittel punktuell in solchen Jahren zuzulassen, in denen die Existenz von Ökolandwirten gefährdet wäre. Das war übrigens auch der Wunsch der Branche. Dass die Grünen in Rheinland-Pfalz hier einen Skandal wittern, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Die grüne Bundestagsfraktion hatte das vor zwei Jahren selbst gefordert. Wir sollten endlich aus den ideologischen Gräben rauskommen und versöhnen.

Frage: Stichwort Lebensmittelverschwendung: Was kann da die Politik überhaupt machen?

Julia Klöckner: Wir müssen an Verwirrungen beim Thema Mindesthaltbarkeitsdatum ran. Denn viele Verbraucher verwechseln das mit Verfallsdatum oder Verbrauchsdatum. Nach Ablauf des Verbrauchsdatums gehört das leicht verderbliche Lebensmittel tatsächlich in den Abfall. Verbrauchsdatum und Mindesthaltbarkeit werden aber häufig verwechselt. Sie finden sogar Millionen Jahre altes Salz mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen, das ohne Not weggeworfen wird.

Quelle: AZ vom 07. März 2018

Fragen von Reinhard Breidenbach, Markus Lachmann, Friedrich Roeingh

Erschienen am im Format Interview

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