Die Landwirtschaft wird in die anstehenden Gespräche zum Agrarpaket eng eingebunden
Bundesministerin Julia Klöckner im Interview mit der Münsterländischen Tageszeitung
Frage: Die Unzufriedenheit der Landwirte machte sich zuletzt auch an Ihrer Person fest. Hat Sie die Kritik getroffen?
Julia Klöckner: Ich habe Verständnis für die aktuell schwierige Lage der Landwirtschaft. Zu Unrecht werden unsere Bauern für alles Mögliche verantwortlich gemacht und pauschal angeklagt. Das ist weder richtig noch fair.
Ich werbe aber auch für Veränderungsbereitschaft, mute ihnen etwas zu. Denn den gesellschaftlichen Wunsch nach sauberem Grundwasser, nach Erhalt der Biodiversität und nach nachhaltiger Produktion können wir nicht unbeantwortet lassen. Das liegt im eigenen Interesse der Branche. Deshalb wird es von mir auch keine falschen Versprechungen geben. Wohl aber die klare Zusage, dass die Landwirtschaft in die anstehenden Gespräche zum Agrarpaket eng eingebunden wird. Und, dass wir die Einhaltung neuer Auflagen finanziell unterstützen und Anreize dafür schaffen.
Mehr als 80 Millionen Euro jährlich stehen etwa für die Förderung des Insektenschutzes in der Landwirtschaft bereit – wir setzen weiter auf kooperativen Naturschutz. Gefragt sind aber auch die Verbraucher: Ihren gestiegenen Erwartungen an die Lebensmittelproduktion müssen sie an der Supermarktkasse Ausdruck verleihen.
Frage: Sie kündigen neue Gespräche über das Agrarpaket an. Wo sehen Sie Möglichkeiten des Entgegenkommens?
Julia Klöckner: Die Beratungen zur Ausgestaltung der konkreten rechtlichen Regelungen beginnen jetzt erst – es gibt noch kein Gesetz. Mich verwundert daher, dass in der Debatte oftmals Auflagen kritisiert werden, die es de facto noch gar nicht gibt. Richtig ist, dass Einzelheiten des Aktionsprogramms Insektenschutz nun bei mehreren runden Tischen der Bundesregierung diskutiert werden. Mit den Vertretern der Landwirtschaft und Umweltverbände.
Mir ist wichtig, dass hier Augenhöhe herrscht. Deshalb hatte ich erfolgreich bei der Bundesumweltministerin interveniert, die das Format ursprünglich weder als gemeinsame Veranstaltung unser Ministerien geplant, noch genügend Raum für Landwirtschaftsvertreter vorgesehen hatte. Die agrarische Seite muss aber gleichberechtigt beteiligt werden. Das ist jetzt der Fall, es gibt einen neuen Termin am 20. November. Die Zielsetzung, Tagesordnung und den Einladungskreis werden wir im Vorfeld gemeinsam festlegen.
Frage: Zwischen dem Bundeslandwirtschaftsministerium und den Bauern knirscht es auch wegen
der Düngeverordnung. Sehen Sie Änderungsmöglichkeiten, die sowohl den Bedürfnissen der
Landwirte als auch den Anforderungen der EU-Kommission gerecht werden?
Julia Klöckner: Ich hätte mir gewünscht, dass die Kommission zunächst die Verschärfung der Düngeverordnung von 2017 hätte wirken lassen. Denn es braucht Jahre, bis der Erfolg im Grundwasser auch messbar ist. Diese Geduld hat die Generaldirektion allerdings nicht. Stellen wir aber kein Einvernehmen her, wären massive Strafzahlungen die Folge.
Mehr noch: Die Vorgaben zur Düngung würde dann Brüssel machen, Deutschland hätte keine Mitsprache mehr. Das kann nicht gewollt sein. Unser Ziel ist eine praktikable und zugleich umweltschonende Lösung.
Der EU-Kommission haben wir Maßnahmen vorgeschlagen, die für einen bestmöglichen Ausgleich zwischen den strengen Grenzwerten der Nitratrichtlinie und den Anforderungen an eine nachhaltige Pflanzenproduktion sorgen sollen. Dazu gehört, dass die Absenkung des Düngebedarfs um 20 Prozent im Durchschnitt der Flächen eines Betriebes umgesetzt werden soll. Die Bundesländer waren eingebunden in diesen Prozess, es gab breite Zustimmung. Dass die neuen Maßnahmen erhebliche Anstrengung bedeuten, steht außer Frage. Die Landwirte werden wir mit vielfältigen Angeboten bei der Umsetzung unterstützen.
Frage: Ihre Vorgängerin, Frau Künast, hat angeregt, Bauern Land abzukaufen, um daraus Biotope zu machen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Julia Klöckner: Unsere Ackerböden sind begrenzt – sie sichern die Lebensmittelproduktion, das Einkommen vieler Familien und können nicht vermehrt werden. Zugleich wird die verfügbare Ackerfläche durch Käufe außerlandwirtschaftlicher Investoren auf dem Bodenmarkt immer geringer. Warum sollte gerade der Staat diese bedenkliche Entwicklung noch befördern? Ein abwegiger Vorschlag. Vielmehr muss es doch darum gehen, sicherzustellen, dass landwirtschaftliche Böden bei unseren Bauern bleiben. Hier sind die Bundesländer gefragt, das Bodenmarktrecht umfassend zu reformieren, bestehende rechtliche Lücken zu schließen. Vor allem in Ostdeutschland wird landwirtschaftliches Nutzland in großem Ausmaß von Unternehmen, beziehungsweise von Vermögenden ohne nennenswerten bäuerlichen Bezug aufgekauft.
Was lässt sich politisch gegen diese Entwicklung unternehmen? Das derzeitige Vorgehen von außerlandwirtschaftlichen Investoren und Finanzinvestoren auf dem Bodenmarkt betrachte ich mit großer Sorge. Intransparenzen und Regulierungslücken werden genutzt, um die Vorrangregelung für Landwirte und die Preismissbrauchsklauseln für Kauf- und Pachtverträge im Bodenrecht gezielt zu umgehen. Mit gravierenden Folgen. Seit 1993 sind 1,1 Millionen Hektar Ackerfläche an andere Nutzungen verloren gegangen, seit 2005 sind die Kaufpreise um 193 Prozent angestiegen.
Die Preise stehen damit in keinem Verhältnis mehr zu den Erlösen. Gleiches ist bei den Pachten zu beobachten. Gerade Junglandwirte und Existenzgründer haben daher kaum noch Zugang zu bezahlbaren Agrarflächen. Das gefährdet die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft in Deutschland. Die Länder stehen hier in der Verantwortung, das landwirtschaftliche Bodenrecht an heutige Herausforderungen anzupassen, um zu verhindern, dass noch mehr Flächen an Spekulanten gehen.
Quelle: Münsterländische Tageszeitung vom 09.11.2019
Fragen von Georg Meyer