Unser klares Ziel sind gleichwertige Lebensverhältnisse überall in Deutschland

Interview der Bundesministerin Julia Klöckner mit der Passauer Neue Presse

Frage: Frau Klöckner, Ihr Ministerium hat eine Umfrage zum Leben in ländlichen Regionen in Auftrag gegeben. Was sind die drei wichtigsten Ergebnisse?

Julia Klöckner: Heimat liegt den Menschen am Herzen. 71 Prozent sagen, ländliche Regionen sind attraktive Orte, um dort zu leben. Bei den Befragten auf dem Land sind es sogar 80 Prozent. Genau dafür arbeite ich mit meinem Ministerium. Unser klares Ziel sind gleichwertige Lebensverhältnisse überall in Deutschland. Die Programme, die wir mit den Menschen vor Ort entwickeln, wirken: 80 Prozent sind grundsätzlich zufrieden mit den Einkaufsmöglichkeiten, mit der hausärztlichen Versorgung sind es rund Dreiviertel der Befragten. Ich konnte mich an vielen Stellen überzeugen, wie kreativ vor Ort Lösungen erarbeitet wer- den. Wir haben viele Modellprojekte gefördert – von vollautomatisierten Dorfläden über Mitfahrerbänke für Menschen ohne Auto bis zu Mehrfunktionshäusern mit Platz für eine Landarztpraxis.

Frage: Welche Handlungsnotwendigkeiten hat die Studie aufgezeigt?

Julia Klöckner: Luft nach oben ist noch bei der Taktung des öffentlichen Nahverkehrs – hier sind nur ein Drittel der Befragten in sehr ländlichen Regionen zufrieden, nicht zuletzt deswegen nutzen mehr als 80 Prozent das Auto oder das Motorrad. Es zeigt sich, dass die ländlichen Regionen als Orte zum Leben und zur Erholung hoch im Kurs stehen. Aber weniger als die Hälfte schätzen das Land als Arbeitsort. Gute Arbeitsplätze und Wertschöpfung müssen wir deshalb weiter verbessern. Hier ist auch der Trend zum Homeoffice eine große Chance, das hat Corona nochmal deutlich gemacht. Aber für digitale Arbeit oder Bildung brauchen wir besseres Internet. Nur 61 Prozent der Befragten bewerten ihre Internetversorgung als gut oder sehr gut. Als Bundesregierung haben wir gehandelt – 1,1 Milliarden Euro stehen zur Verfügung. Vieles ist auf den Weg gebracht, klar ist aber auch, dass das weiter eine der großen Aufgaben bleiben wird.

Frage: Wie stark ist das Gefühl der Menschen auf dem Land, abgehängt zu sein?

Julia Klöckner: Unsere ländlichen Regionen sind nicht der "kranke Mann" Deutschlands. Sie sind vielerorts Kraftzentren und Heimat von Innovationen und den "Hidden Champions". Die große Mehrheit – weit über 80 Prozent – hat auch nicht das Gefühl, abgehängt zu sein. Aber natürlich haben wir strukturschwache Regionen, in denen wird es negativer gesehen. Dort wo es Handlungsbedarf gibt, brauchen wir auch in Zukunft passgenaue Lösungen, die mit den Beteiligten dort entwickelt werden.

Frage: Droht die Verfestigung ungleicher Lebensverhältnisse?

Julia Klöckner: Nein, das glaube ich nicht. Bei meinen vielen Besuchen habe ich in ganz Deutschland tolle, engagierte und kluge Köpfe erlebt, die sich mit Ideen, Taten- drang und Herzblut für ihre Heimat einsetzen. Uns geht es darum, dass diese Menschen überall die gleichen Chancen haben. Denn Herausforderungen gibt es auf beiden Seiten: In den Städten haben wir überhitzte Wohnungsmärkte, in vielen Dörfern Leerstand. Deswegen arbeiten wir auf unterschiedlichen Ebenen mit passgenauen Instrumenten daran, gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen. Ich will das betonen: Es geht um gleichwertige, nicht gleiche Lebensverhältnisse. Denn unser Land ist vielfältig. Aber die Grundvoraussetzungen müssen da sein: Kita, Schule, Ärzte, Nahversorgung, Internet, Mobilität – und natürlich Arbeit. Nur dann kann ich frei entscheiden, wo ich leben möchte

Frage: Genießt der ländliche Raum in der deutschen Politik genug Aufmerksamkeit?

Julia Klöckner: Dafür habe ich gesorgt. In den vergangenen Koalitionsverhandlungen habe ich dafür gekämpft, dass unsere ländlichen Regionen ein starker und sichtbarer Teil meines Ministeriums bleiben, und die Strukturen aufgestockt. Der Blick auf das Land ist mir häufig zu städtisch geprägt. Deswegen haben wir Kommunen, Kreise, Vereine, Institutionen vor Ort immer mit einbezogen. Mit allen zusammen haben wir Projekte umgesetzt, die zum Leuchtturm wurden. Mit einer guten Vernetzung sorgen wir zudem dafür, dass von diesen guten Erfahrungen auch andere profitieren können. Über unser Programm für ländliche Entwicklung haben wir rund 2000 Projekte gefördert. Mit der neu gegründeten Stiftung Ehrenamt stärken wir das gesellschaftliche Engagement. Wir haben viel geschafft, aber fertig sind wir noch nicht.

Quelle: "Passauer Neue Presse" vom 24.09.2021

Fragen von Gernot Heller

Erschienen am im Format Interview

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