Tierwohlkennzeichnung kommt - und das ohne Fragezeichen

Rede des Parlamentarischen Staatssekretärs bei der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Hans-Joachim Fuchtel, im Deutschen Bundestag am 15.05.2018.

Es gilt das gesprochene Wort.

Herr Präsident!

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Unsere Bundesministerin Julia Klöckner musste heute aus familiären Gründen überraschend nach Hause fahren. Deswegen habe ich es als der zuständige Staatssekretär übernommen, die Rede zu halten.

Vorweg ein Wort zu den Besorgnissen: Der erste Haushaltsentwurf und seine Daten gelten jetzt nicht mehr. Wir haben durch eine Anhebung im zweiten Entwurf einen Etat von über 6 Milliarden Euro zur Verfügung. Ich möchte daher dem Finanzministerium, liebe Bettina Hagedorn, danken. Die Verhandlungen waren hart, aber fair und erfolgreich.

Jetzt können wir Projekte von hoher Priorität voranbringen. Wir haben mehr Geld für die Entwicklung und Stabilisierung der ländlichen Räume. Wir haben mehr Geld für Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation; ein Aufwuchs von immerhin 62 Millionen Euro. Wir haben Geld für Pflanzenzüchtungen, Biodiversität und Insektenschutz. Wir haben zusätzliche Finanzen für Ernährungsbildung und Lebensmittelsicherheit und für neue Schwerpunkte, insbesondere Digitalisierung und Tierwohl.

Förderung der ländlichen Räume und der Landwirtschaft

Im Koalitionsvertrag sind für die Förderung der ländlichen Räume und der Landwirtschaft zusätzlich 1,5 Milliarden Euro für die nächsten Jahre vorgesehen; Geld, das wir in unserem Haushalt dringend brauchen, um etwa angekündigte Einschnitte im EU-Agrarhaushalt zu kompensieren und in Zukunft noch viel mehr für den ländlichen Raum zu tun. Wir brauchen gleichwertige Lebensverhältnisse. Es geht um nicht weniger als den Zusammenhalt der Gesellschaft und gegen noch mehr Polarisierung. Die Politik Julia Klöckners ist dabei erstens ausgerichtet auf Ideologiefreiheit, zweitens auf eine Politik - ich sage das ausdrücklich -, die auf wissenschaftliche Erkenntnisse setzt, und drittens auf eine Politik, die Neuerungen und Modernisierungen mit digitaler Dimension zu verbinden.

In der öffentlichen Debatte spielt zurzeit gesunde Ernährung eine besondere Rolle. Wir nehmen den Lebensstil als Ganzes und die verschiedenen Lebensphasen noch stärker in den Blick. Wir wollen, dass sich die über 80 Millionen Menschen in Deutschland in jeder Lebenslage gut ernähren. Deshalb ist für den Etat des Ernährungsinstituts, des Max-Rubner-Instituts, zur Weiterentwicklung der Gesamtkonzeption ein Aufwuchs um immerhin fast 12 Prozent vorgesehen. Wir bauen auch die Beschäftigung mit Kinderernährung in einem Institut tatkräftig aus, meine Damen und Herren.

Die meisten Ernährungsentscheidungen werden die Menschen selbst treffen, jeder von uns. Deshalb ist Ernährungsbildung, auch klare Kennzeichnung wichtig.

In den Rezepturen muss der Anteil von Zucker, Fetten und Salz sinken. Dazu stehen wir bereits mit Wirtschaft und Wissenschaft und dem Verbraucherschutz im direkten Gespräch. Wir haben sie bereits an den Tisch geholt.

Keine Reduktionsstrategie light

Die Botschaft ist klar: Ministerin Klöckner wird nicht auf Zeit spielen. Sie möchte auch keine Reduktionsstrategie light; das wird es mit ihr nicht geben. Sie will Ergebnisse sehen mit konkreten Zahlen, mit nachprüfbaren Verpflichtungen oder, auf einen Punkt gebracht, Reduktion durch Innovation.

Die klare Zielrichtung lautet: nicht verbieten, sondern informieren und Angebote machen - auf wissenschaftlicher Basis und ohne Ideologie.

Wir wollen starke ländliche Räume. Niemand soll sich hier abgehängt fühlen. Wir werden deswegen weiterhin 55 Millionen Euro in das Bundesprogramm "Ländliche Entwicklung" investieren. Hier geht es um Projekte, die ganz konkret vor Ort mitgestaltet und mitgetragen werden. Das ist das Neue. Die Leute mitwirken zu lassen bei der Entwicklung im ländlichen Raum, das steht hier als Perspektive dahinter.

Gemeinsam mit den Bürgern wollen wir neue Impulse setzen in Sachen Digitalisierung, für Kultur, demnächst auch für das Ehrenamt.

Wir haben auch ein weiteres Programm, den Sonderrahmenplan "Förderung der ländlichen Entwicklung". Auch hier gibt es weite Möglichkeiten, die Spielräume der Förderkulisse zu erweitern. Das wollen wir in guter Zusammenarbeit mit dem Kollegen Seehofer tun. Nochmals: Damit verhindern wir, dass sich unsere Gesellschaft weiter polarisiert.

In diesen Zusammenhang gehört auch die Weiterentwicklung unserer Waldstrategie 2020. Ich kündige an, dass wegen der Bedeutung des Waldes ein Kompetenz- und Informationszentrum „Wald und Holz“ eingerichtet werden wird. Wir brauchen eine moderne und wettbewerbsfähige Landwirtschaft, die man auch arbeiten lässt. Auch das möchte ich hier unterstreichen, meine Damen und Herren.

Wir brauchen eine Atmosphäre, in der sich junge Leute für den ländlichen Raum interessieren, sich damit identifizieren und gerne einen Beruf in der Landwirtschaft ergreifen.

Wir sorgen auch dafür, dass unsere Landwirtschaft ordentlich abgesichert ist. Das tun wir mit der agrarsozialen Sicherung. Wir setzen immerhin - die Zahl muss man einfach immer wieder nennen - in einem Haushalt von 6 Milliarden Euro fast 4 Milliarden Euro für diese agrarsoziale Sicherung ein.

Insgesamt wollen wir eine Versöhnung der Verbraucher mit der modernen Landwirtschaft. Das geht nicht mit alten Rezepten, sondern mit denen von morgen.

Da geht es um die Einsparung von Pflanzenschutzmitteln und Dünger sowie die Erhaltung und Steigerung unserer Wettbewerbsfähigkeit, um Rückverfolgbarkeit in der Lebensmittelkette und vieles mehr. Deswegen erhöhen wir den Ansatz für Forschung und Innovation insgesamt. Das Programm für Energieeffizienz in Landwirtschaft und Gartenbau wird fortgesetzt und die Digitalisierung in der Landwirtschaft wird systematisch entwickelt. Das unterstreiche ich hier in diesem Rahmen nochmals, auch auf besondere Bitte des Koalitionspartners.

Der ökologische Landbau hat dabei einen festen Platz in der Landwirtschaft und soll den in Zukunft noch stärker bekommen. Deswegen werden die Mittel des Bundesprogramms um 50 Prozent erhöht.

Tierwohlkennzeichnung kommt

Noch ein Wort zum Tierwohl. Wir werden unseren Bauern Planungssicherheit geben. Deswegen entwickeln wir eine Ackerbaustrategie. Wir haben eine nationale Nutztierhaltungsstrategie vorgelegt, die den Umweltschutz, die Emissionen aus der Tierhaltung und das Tierwohl in den Blick nimmt. Und - das möchte ich gleich sagen, weil es dazu nachher wieder Wortmeldungen geben wird -: Ein Baustein ist hier die Tierwohlkennzeichnung. Ich sage: Sie kommt - und das ohne Fragezeichen.

Wer allerdings eine verpflichtende Kennzeichnung fordert, sollte eines auch sagen: Das muss auf europäischer Ebene geregelt werden. Das braucht Zeit. Wir sind der Meinung: Diese Zeit haben wir nicht. Wir müssen jetzt eine Weichenstellung vornehmen.

Meine Damen und Herren, damit möchte ich es bewenden lassen. Für die weitere Beratung im parlamentarischen Verfahren bitte ich um Ihre Unterstützung. Sie wissen, ich bin neu in diesem Ministerium und sage gerade aus dieser Sicht: Es lohnt sich, für diese Arbeit hart zu kämpfen und noch mehr Mittel einzusetzen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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