Wir brauchen ein neues Landwirtschaftsbewusstsein

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner auf dem Eröffnungsabend der DLG "Max-Eyth-Abend" auf der Agritechnica

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

In Zeiten, in denen Stichworte wie nationale Abschottung und Zollgrenzen die Tagespresse füllen, ist es ein wertvolles Zeichen, dass diese Agritechnica 2019 so international ist. Fast zweidrittel der Aussteller kommen aus dem Ausland, das ist ein beeindruckendes Zeichen.

Unsere Agrarbranche braucht offene Märkte, den globalen Handel. Denn damit schaffen wir Wertschöpfung in vielen Regionen der Welt.

Ich begrüße ganz herzlich alle Aussteller aus dem Ausland, die in den kommenden Tagen hier in Hannover bei der Agritechnica präsent sind.

In den kommenden Tagen werden die Besucher sehen, wie Umweltschutz und High-Tech miteinander wirken. In den Messehallen wird gezeigt, wie der Transfer von Lösungen zwischen ökologischem und konventionellem Landbau aussehen kann.

Die Agritechnica präsentiert alle zwei Jahre der ganzen Welt, wie sich Landwirtschaft weiterentwickelt, hin zu einer digitalisierten Landwirtschaft. Ich habe eben bei meinem Messerundgang viele neue Eindrücke gesammelt. Mir haben junge, motivierte Leute erklärt, welche kreativen Neuerungen und Optimierungen in diesem Jahr wieder vorgestellt werden.

Dass zeigt mir, unsere deutsche Landwirtschaft ist modern und digital. Ich bin davon überzeugt, dass wir dies auch kommunikativ über unsere Branche hinaus noch erkennbarer machen müssen.

Denn wir alle wissen: Autonomes, satellitengesteuertes Fahren ist auf den Äckern bereits Realität. Sensoren helfen gezielt bei passgenauer Aussaat und Düngung. Die Digitalisierung ist also kein Selbstzweck. Sie hilft, konkrete Zielkonflikte zwischen Umwelt- und Naturschutz sowie Produktivität zu lösen. Hier brauchen wir Lösungen.

Außerdem macht die digitalisierte Landwirtschaft Lust auf die Zukunft, denn die Arbeit auf dem Acker und im Stall steht für einen "Hightech-Arbeitsplatz".

Ich habe mich vorhin am Gemeinschaftsstand der deutschen Hochschulen für angewandte Wissenschaften im Agrarbereich intensiv mit Studentinnen und Studenten unterhalten. Wir haben darüber diskutiert, wie man in emotionalisierten Debatten über die Landwirtschaft wieder zu Sach- und Fachthemen übergehen kann. Welche Rolle die Wissenschaft spielt, um auf Basis von Daten und Fakten Veränderungen zu gestalten. Dabei hat mich der Wille dieser jungen Leute begeistert, die positive Perspektive für die Landwirtschaft zu sehen.

Veränderungen aktiv gestalten

Ich bin überzeugt, dass:

  1. motivierte, junge Leute und
  2. eine moderne, digitale Landwirtschaft

ein Zukunftsversprechen für die gesamte Branche sind.

Wir beschließen in dieser Woche die Mobilfunkstrategie der Bundesregierung, damit die Zeit von Funklöchern und fehlendem Breitband in den ländlichen Räumen bald vorbei ist. Wir setzen uns dafür ein, dass wir heute 4G und perspektivisch auch 5G an jeder Milchkanne und in jeder Ackerfurche haben werden. Wir investieren zudem in moderne Technologien, haben den viertgrößten Haushalt für Forschung und Entwicklung aller Bundesministerien.

Ganz aktuell fördern wir als Landwirtschaftsministerium mit über 50 Millionen Euro digitale Experimentierfelder im Stall und auf dem Feld. Wir wollen den mit 5G-vernetzen Betrieb zur Realität machen, High-Tech für mehr Tierwohl einsetzen. Das sind Beiträge zur Gestaltung der Zukunft unserer Branche.

Wir wollen mit unserer Politik Antworten auf aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen bieten. Im Sinne der Bauern, der Akzeptanz und Perspektive unserer Landwirtschaft.

Der Rückgang der Insektenpopulation beschäftigt breite Teile der Bevölkerung. Das Thema beschäftigt auch die Landwirtschaft, denn sie ist auf Leistungen der Insekten angewiesen. Wir wollen auch nicht die schon erbrachten Leistungen des Berufsstandes für Natur und Umwelt, für den Klimaschutz, schmälern. Wir wollen in Deutschland mit einem von der Bundesregierung vorgelegten Aktionsplan Insektenschutz konkret handeln. Wir werden noch im November im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung von BMEL und BMU eine Bestandsaufnahme machen. Wir werden bei der Umsetzung unsere Landwirte aktiv unterstützen.

So wie mit unserer Agrarpolitik. 6,5 Milliarden Euro sind im Haushaltsplan unseres Ministeriums für das kommende Jahr vorgesehen, ein Rekordhaushalt. Dazu kommt noch fast 1 Milliarde Euro aus dem Klimapaket der Bundesregierung.

Wir sind in intensiven Verhandlungen dabei, das Baurecht anzupassen, damit sich Klimaschutz und Tierwohl nicht im Wege stehen. Mit dem Tierwohlkennzeichen wollen wir die Wertschöpfung in der Branche steigern. In Dänemark und den Niederlanden können wir sehen, dass für hochwertige Produkte auch höhere Preise erzielt werden können.

Das alles sind eindeutige Bekenntnisse zu Ihrer Branche und der täglichen Arbeit im Stall und auf dem Feld.

Ein neues Landwirtschaftsbewusstsein schaffen

Zudem möchte ich auch den Verbraucher stärker in die Pflicht nehmen. Denn wenn wir unseren Einkaufskorb zusammenstellen, dann müssen wir uns im Klaren sein, dass wir mit unserer Nachfrage auch das Angebot bestimmen. Und das lässt sich ganz einfach erklären:

  • Wer Bio auf den Feldern will, muss Bio kaufen.
  • Wer mehr Tierwohl in den Ställen will, muss bereit sein, dafür mehr zu bezahlen.
  • Wer dem Klimawandel ganz praktisch begegnen will, sollte sich darüber informieren, wo der nächste Direktvermarkter ist, wo er regionale Lebensmittel einkaufen kann.

Denn unsere Landwirtschaft ist auch das Ergebnis dessen, wie und was wir einkaufen, was und wie wir essen.

Ich meine deshalb: Wir brauchen ein neues Landwirtschaftsbewusstsein.

Für eine Landwirtschaft, die wir unterstützen, sich weiter zu entwickeln. Die aber zugleich die Akzeptanz der landwirtschaftlichen Arbeit in der Gesellschaft sichert.

Wir setzen uns dafür ein, dass der Beruf des Landwirts für die nächste Generation attraktiv bleibt. Dass unsere Bauernfamilien gute Rahmenbedingungen vorfinden, dass sich unser ländlicher Raum entwickeln kann. Damit auch weiterhin Höfe stolz an die nächste Generation übergeben werden können.

Lassen Sie uns diskutieren, auch kontrovers.

Deshalb wird Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel Anfang Dezember zu einem Landwirtschaftsgipfel einladen. Wir als BMEL werden danach alle relevanten Akteure zu uns einladen.

Wir wollen im Frühjahr 2020 intensiv in vielen Regionen eine Debatte über unsere Landwirtschaft führen.

Mir ist eines wichtig: Dass wir nicht übereinander reden, sondern miteinander, dass wir im Dialog bleiben.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Hannover


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