Ich merke, dieses Jahr ist - bei aller Belastung - eine große Chance, die wir so lange nicht mehr hatten

Bundesministerin Julia Klöckner: Dritte Berliner Rede zur Landwirtschafts- und Ernährungspolitik anlässlich des politischen Erntedank in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Herzlich willkommen zu unserem Erntedankfest 2020.

Erntedank: Das ist für uns der Moment, innezuhalten. Denn wer nachdenkt, kommt zum Danke. Machen wir uns bewusst: In dieser vom Coronavirus geprägten Zeit. Dass mitnichten alles so selbstverständlich ist, wie wir es annehmen, weil wir uns bisher in jüngster Zeit kaum Gedanken darüber machen mussten.

Zeitweise war selbst das Selbstverständlichste, das Wichtigste, nicht ohne weiteres möglich:

  • nicht der Besuch bei der Familie,
  • nicht die Umarmung der Großeltern,
  • nicht das gemeinsame Osterfest,
  • nicht der Krankenbesuch.

"Abstand ist Ausdruck von Fürsorge." So hat es Bundeskanzlerin Angela Merkel auf den Punkt gebracht. Und so heiße ich Sie heute Abend willkommen.

Sie, liebe Preisträgerinnen und Preisträger, hier vor Ort, mit Abstand, in kleiner Runde. Und alle anderen, mit noch größerem Abstand, virtuell. Aber nicht weniger herzlich begrüße ich Sie zu diesem besonderen Erntedankfest.

Realitätsschock: Das Basissortiment war weg

Besonders ist das Fest in diesem Jahr, weil gerade die Notwendigkeiten, für die wir heute danken, auch die Dinge waren, bei denen es zeitweise gehakt hat: Bei unseren Mitteln zum Leben.

Für viele war es ein Realitätsschock, ungewohnt, dass zu Beginn der Pandemie Mehl, Hefe oder Pasta plötzlich zeitweise ausverkauft waren. Dass wir im Laden gebeten wurden, das zweite Päckchen Mehl oder Nudeln doch bitte wieder zurückzulegen.

Gerade in den ersten Tagen, da fehlte mancherorts frisches Obst und Gemüse, weil unsere Lieferketten aus dem Tritt gekommen waren. Weil LKW an den Grenzen eben nicht wie sonst in Minuten abgefertigt wurden, sondern warten mussten, oft mehrere Stunden. Bei Konserven, die sonst verschrien sind, waren die Regale schnell leer.

Das Forschungsinstitut GfK hat Anfang März Zahlen veröffentlicht, danach lag bei Fisch- und Obstkonserven der Umsatz-Anstieg bei 70 Prozent, bei Pasta bei 73 Prozent, bei Gemüsekonserven bei um die 80 Prozent.

Das Basissortiment wurde knapp. Diese besondere Lage dauerte zwar nur wenige Tage an, schnell haben wir, - Politik und Wirtschaft – gehandelt, um Lösungen zu finden. Dennoch blieb diese Erfahrung für viele Verbraucher elementar.

Landwirtschaft und Verbraucher wieder in Einklang bringen

  • Was macht diese Erfahrung mit uns?
  • Was bedeutet sie für die Zukunft?

Eine Antwort darauf haben wir schon: Laut unserer Umfrage aus dem April hat für mehr als jeden Dritten (39 Proszent) die Landwirtschaft während der Corona-Krise weiter an Bedeutung gewonnen.

Regionales Einkaufen hatte schon vor Corona einen hohen Stellenwert. Aber während der Krise kam der Wunsch nach mehr Regionalität auch bei den Bauern an: Um 20 bis 30 Prozent sind die Umsätze von Wochen- und Bauernmärkte, von Hofläden während der Pandemie in einzelnen Regionen gestiegen.
Und noch eine neue Erfahrung aufgrund der Situation von Kurzarbeit, geschlossener Gastronomie und Läden im Lockdown. Menschen aus vielen Branchen, aus der Gastronomie, aus dem Verkauf, Frisöre, Studenten haben zum ersten Mal in ihrem Leben in der Landwirtschaft gearbeitet, als Erntehelfer.
Danke an den Deutschen Maschinenring – er hat eine erfolgreiche Vermittlungsplattform – Das Land hilft – aufgesetzt. Gemeinsam haben wir erfolgreich dafür geworben. Auf dem Höhepunkt der Krise im April und Mai waren auf der Seite mehr als 16.000 Inserate geschaltet.

Das Interesse in der Bevölkerung war hoch, in der Landwirtschaft mitzuarbeiten, sich Geld zu verdienen. Aber: Auch viele mussten erkennen, Landromantik ist etwas anderes. Diese harte Arbeit war nicht jedermanns Berufung. Aber Pflanz- und Erntezeiten richtet sich nicht nach persönlicher Belastbarkeit, sie warten nicht.

Für unsere Aktion #UnsereErnte, UnserEssen haben wir einige der Helfer und Betriebe begleitet und für unseren Instagram-Kanal porträtiert. Über den großen Zuspruch haben wir uns sehr gefreut. Ein Mitarbeiter eines Logistikunternehmens, der in Kurzarbeit war und deshalb auf dem Acker aushalf, sagt etwa: "Wir Ungeübten schaffen nur einen halben Tag."

Auch wenn das skurril erscheinen mag: So haben wir doch eine neue Kontaktaufnahme zwischen einem Teil der Verbraucher und einem Teil der Landwirt erleben dürfen. Für beide Seiten sicher hilfreiche neue Einblicke. Ich merke, dieses Jahr ist – bei aller Belastung - eine große Chance, die wir so lange nicht mehr hatten. Wir müssen sie nutzen. Es ist die Chance, Landwirtschaft und Verbraucher wieder in Einklang zu bringen. Damit sie wieder gemeinsam in die gleiche Richtung blicken.

Dass Verbraucher erkennen: Geht es unseren heimischen Landwirten gut, geht es auch uns Konsumenten gut.

Perspektive Verbraucher: Landwirtschaft ist aus dem Blick geraten

Früher war alles besser. Diesen Satz werden Sie von mir im Hinblick auf unsere Landwirtschaft sicher nicht hören. Aber: Früher war der besondere Zusammenhang von Landwirtschafts- und Verbraucherwohlergehen für jeden klarer.

Das Erntedankfest, das wir heute hier feiern und das viele von uns am vergangenen Sonntag in den Gottesdiensten begangen haben, es ist aus einer Zeit, in der schlechte Ernte existentiellen Hunger bedeutete. Der Dank an Gott stand im Vordergrund, das Gebet. Und jeder hatte unmittelbar vor Augen, dass Landwirtschaft die Basis des allgemeinen Lebens war.

Auch in der Stadt schaute man mit Sorge auf das Land, weil die eigene Existenz vom Gelingen der Arbeit auf dem Feld abhängig war. Es war von existentiellem Eigeninteresse, dass das Land eine Vielzahl von Bauern hatte. Denn gerade einmal vier Menschen konnte ein Landwirt mit seiner Wirtschaftsweise im Jahr 1900 von seiner Hände Arbeit ernähren. Heute hat sind es 140.

In vielen Regionen kann man es auf den ersten Blick sehen: Kleine Höfe stehen leer, während in den Außenbereichen wenige große Betriebe die Bewirtschaftung der Flächen übernommen haben.

Landwirtschaft ist immer mehr aus unserem Alltag verschwunden. Und damit auch das Bewusstsein für deren Wandel und deren Modernisierung. So erklärt sich auch das noch zu romantische Bild vom Bauernhof, dass wir aus alter Zeit in die Vorstellung der heutigen „gerettet“ haben. Umso größer ist der Realitätsschock für manche.

Verschwunden ist die Landwirtschaft auch aus unseren Portemonnaies. Nur 14 Prozent unserer Konsumausgaben flossen 2019 in den täglichen Konsum, also in Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren. 1900 waren es 57 Prozent, 1960 noch 38 Prozent.

Und je mehr Landwirtschaft aus dem Blick gerückt ist, je stabiler die Produktion wurde, desto mehr haben sich Wunsch und Wirklichkeit in der Verbrauchervorstellung auseinander bewegt.

Unsere Lebensmittel,

  • sie sollen ästhetisch sein, von höchster Qualität, naturnah zu romantischen Bedingungen erzeugt. Und gerne zu günstigen Preisen.
  • Aber sie sollen am besten dazu ganz ohne Dünger und Pflanzenschutzmittel wachsen.

Dass mit dieser Haltung aber dann auch Ernteverluste wegen Schädlingsbefall einhergehen können, das wird schnell ausgeblendet oder erst gar nicht mitgedacht.

Und bei der Tierhaltung?

  • Möglichst die höchsten Standards, ein gutes Gefühl, der günstigste Preis.

Die Vorstellung von großen Einheiten oder moderner Technik, die im Sinne des Tierwohls die Körperfunktionen überwacht, das passt selten in die gefühlte Wunschvorstellung. Ist aber Realität. Es ist schon verwunderlich: Wir, die Technik- und IT-affin sind, wollen es aber der Landwirtschaft vorenthalten? Denn während beim Smartphone jeder neue Techniksprung bejubelt und bezahlt wird, wird ein Mehr an Technik in der Landwirtschaft häufig als ein Mehr an Entfremdung wahrgenommen und als "Agrarindustrie" abgestempelt.

Menschen wünschen sich ein Landwirtschaftsidyll, weil sie für ihre Lebensmittel Ursprünglichkeit wollen, weil sie selbst vielleicht am wenigsten ursprünglich leben?

Perspektive Landwirte: Der Diskurs folgt einer anderen Logik

Und unsere Bauern? Sie fühlen sich zurzeit in der Mitte eines Sturms. Der besteht aus einem Diskurs über Klimaschutz, Tierwohl, Pflanzen- und Grundwasserschutz, Biodiversität. Gleichzeitig sehen die Landwirte die Realitäten auf dem Feld und im Stall: Ernteverluste, Dürre, neue Schädlinge.

Am Schweine- und Ferkelmarkt spitzt sich aktuell die Situation zu. Nicht nur aufgrund der niedrigen Preise. Weil Schlacht-, Zerlege- und Kühlkapazitäten aufgrund der Corona-Pandemie und der Afrikanischen Schweinepest, dem wegbrechenden asiatischen Markt, knapp werden, entsteht ein Verarbeitungs-Stau bei schlachtreifen Schweinen. Mit direkten Konsequenzen für den Tierschutz, weil die Ställe voller und damit das Platzangebot der Tiere geringer wird. Hier prüfen wir aktuell, wie konkrete Hilfen aussehen könnten.

Schwierige Planbarkeit, schwankende Erträge, sinkende Einkommen – und dazu noch die Debatte um die neue europäische Agrarpolitik.

Freihandelsabkommen wie Mercosur erhöhen die Unsicherheit, gerade in Zeiten, in denen Planungssicherheit eingefordert wird. Ich selbst bin immer skeptischer geworden mit Blick auf das Abkommen. In Brasilien werden Wälder für günstiges Ackerland gerodet, für eine Produktion unter Bedingungen, die unseren Landwirten nicht erlaubt ist. Warum sollten wir diese ungleichen Wettbewerbsbedingungen umsetzen?

Pauschale Reduktionsziele bei Pflanzenschutz und Düngung werden über die europäische Farm to Fork Strategie in den Raum gestellt. Das verunsichert. Das verstehe ich. Deshalb fordern wir erst eine klare Folgenabschätzung und Konkretheit von der Kommission.

Viele, die fordern, aber nicht umsetzen müssen, vergessen gerne die Gebrauchsanleitung.

Nehmen wir nur das Beispiel der Farm to Fork-Strategie, die die Europäische Kommission im Mai vorgestellt hat:

  • Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und die dadurch entstehenden Risiken sollen danach um 50 Prozent reduziert werden.
  • Der Nährstoffverlust soll um 50 Prozent verringert werden, sodass der Einsatz von Düngemitteln einschließlich Wirtschaftsdünger um 20 Prozent zurückgeht.
  • Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung soll um 50 Prozent zurückgehen.
  • Klingt natürlich gut, theoretisch. Aber jetzt zur Realität.

Unsere Landwirte sehen auf den ersten Blick, wo hier die Fallstricke und Widersprüche sind. Dass der Diskurs einer anderen, neuen Logik folgt.

Nicht der Logik der guten Ernte. Denn als wichtigste Aufgabe der Landwirtschaft sehen wir nach wie vor natürlich, dass Menschen ernährt werden. Der Diskurs folgt nicht der Logik, dass Leistung – auch Ökosystemleistung – bezahlt werden muss, weil sie Kosten verursacht. Bauernfamilien fragen sich zu Recht, wo die Gegenrechnung ist, wo die Folgenabschätzung. Denn sie wissen: Wenn wir auf die Behandlung von Getreide gegen Pilzgifte komplett verzichten, dann laufen wir Gefahr, ganze Ernten zu verlieren.

Gute Landwirtschaft bietet Lebensraum, für viele der mehr als 33.300 Insektenarten, die wir in Deutschland haben. Denn vielerorts sind es ja die Felder, die von den Landwirten gepflegten Kulturlandschaften, die den Insekten Nahrung liefern. Es sind die Strukturelemente in der Landschaft, die den Insekten Lebensräume bieten.

Und gleichzeitig sind unsere Bäuerinnen und Bauern auf der Suche nach Lösungen. Denn sie merken schon jetzt schmerzlich, wie sie selbst betroffen sind vom Klimawandel. Der Vegetationsbeginn hat sich bei vielen Pflanzen schon jetzt verschoben. Apfelbäume und Raps blühen heute 20 Tage früher als noch vor 50 Jahren. Was beim Gemüse oder beim Mais gut sein kann für die Ernte, hat gleichzeitig fatale Folgen:

  • Obst wird anfälliger gegenüber Spätfrösten.
  • Mildere Winter führen dazu, dass sich Pilze, Viren und Insekten stärker ausbreiten und die Pflanzen schädigen.
  • Und mehr Hitzetage bedeuten mehr Stress für viele Pflanzen.

Auch deshalb haben Landwirte sich intensiv eingebracht, in unsere Ackerbaustrategie. Weil Insekten- und Klimaschutz nicht ihr Hobby ist, sondern Grundlage für ihr Lebenswerk.

Ich verstehe, dass Landwirte da auch reflexhaft reagieren, im ständigen Verteidigungsmodus sind. Jeder sagt dazu in den Medien eine Meinung, NGO oder Gesellschaft, nur wenige müssen diese aber umsetzen: die Landwirte.

Positionen werden leider radikaler geäußert, Kompromisse gelten schnell als Schwäche, werden als Einknicken abgelehnt. Wir haben zu viel Schwarz und Weiß, Gut und Böse. Zu wenig Ausgleich, Lösung von Zielkonflikten.

Die Studie des Umweltinstituts aus der vergangenen Woche zu Pestiziden in der Luft ist ein aktuelles Beispiel dafür. Was blieb hängen, pauschal? Moderne Landwirtschaft steht allein für Gifte - überall. Das bleibt hängen in der Öffentlichkeit. Dass das der Landwirtschaft nicht gerecht wird, ist sicher allen klar.

Ja, ich verstehe die demonstrierenden Bauern, die auf sich aufmerksam machen. In Berlin gehen täglich Gruppen auf die Straße. Warum also sollen Landwirte das nicht auch für sich in Anspruch nehmen?

Aber, liebe Bauern, das entbindet nicht von der Verantwortung zu schauen, unter welcher Fahnen man mit welchen Aussagen läuft. Wer mit rohen Drohungen und Beleidigungen aggressiv jedem die Ernsthaftigkeit auf der anderen Seite abspricht, der läuft ins Abseits und erweist seinem Berufsstand einen Bärendienst. Wer sich radikalisiert, wird nicht mehr als ernsthafter Partner wahrgenommen.

Und auf diese sehr vielschichtige, in vielen Teilen widersprüchliche Debatte hat die Corona-Krise wie eine Notbremse gewirkt. Der deutsche Publizist und Trendforscher Matthias Horx beschreibt das als Kontrollverlust, den die Gesellschaft erlebt hat. Wir waren gezwungen, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und das, so beschreibt es Horx, "war heilsam".

Wir haben zusammengestanden, trotz aller Widrigkeiten Erntehelfer ins Land geholt, für Hygienemaßnahmen gesorgt. Das haben wir gemeinsam schnell und gut geregelt.

Es gab natürlich keinen Grund zur Panik, Hunger musste keiner leiden. In vielen Bereichen liegt unser Selbstversorgungsgrad über 100 Prozent:

  • Kartoffeln (148 Prozent),
  • Käse (126 Prozent),
  • Frischmilchprodukten (116 Prozent)
  • und Getreide (107 Prozent).

Aber bei Obst und Gemüse, bei den Produkten, die wir alle gerne aus der Region kaufen, sieht es anders aus.

  • Bei Gemüse 35,71 Prozent
  • Bei Obst 22,44 Prozent

Wer also regional konsumieren will, dazu mehr Obst und Gemüse, sollte auch immer im Blick haben, dass die Pflanzen gesund bleiben müssen und auch einen Schutz brauchen. Wenn wir Schädlinge unterschätzen, vernichten wir nicht nur Ernten, sondern wichtige Ressourcen.

Drei Punkte für die Landwirtschaft der Zukunft

Mehr Wertschätzung: Das alleine zahlt noch keine Kredite ab. Unser Ja zur Landwirtschaft muss auch an der Ladenkasse tragen.

Die Themen sind es, die uns in der Agrarpolitik begleiten und die ich – trotz mancher Widerstände - voranbringe.

Warum? Um den Berufsstand vor die Welle zu bringen. Es hilft nichts, sich gegen Veränderungen zu stemmen, gegen Insektenschutz, gegen Reduktion von Pflanzenschutzmitteln oder mehr Tierwohl. Die gesellschaftliche Entwicklung, wo sie hingeht, ist klar. Und ich werde die Landwirte vor den Verbrauchern nicht davor schützen können. Warum auch?

Nehmen wir sie statt dessen beherzt an. Stellen wir uns an die Spitze der Bewegung für

  • mehr Klimaschutz
  • mehr Biodiverstität
  • mehr Tierwohl.

Nicht, um eine bessere PR zu haben, sondern um die eigenen Grundlagen zu schützen und zu fordern: einen Ausgleich für diese Allgemeinwohlleistung!

Erstens: Klimaschutz und Nachhaltigkeit

Alle reden von Klimabewusstsein. Ich sage: Klimabewusstsein und Landwirtschaftsbewusstsein bedingen sich. Denn die Rolle der Land- und Forstwirtschaft ist einzigartig. Mit ihrer CO2-Speicherleistung ermöglicht sie es, dass unvermeidbare Emissionen ausgeglichen werden können.
Jetzt geht es darum, die nicht vermeidbaren Belastungen von Wasser, Luft und Boden weiter zu reduzieren.

  • Wir fördern über das Energieeffizienz-Programm die energetische Sanierung von Gewächshäusern.
  • Wir investieren in Forschung, um den Methanausstoß aus der Tierhaltung zu verringern.
  • Insbesondere die gesunkenen Zahlen an Rindern und Milchkühen haben in der Tierhaltung nach bisherigen internen Berechnungen des Thünen Instituts einen Rückgang von ca. 50,9 Mio. t CO2-Äquivalenten in 1990 auf ca. 38 Mio. t CO2-Äquivalenten im Jahr 2019 verursacht.
  • Betrachtet man nur den Zeitraum von 2014 bis 2019 (inoffizielle Zahlen des TI) verzeichnen wir einen Rückgang bei Milchkühen und Rindern von 8,7 %. Das ist gleichbedeutend mit 4,4 % Rückgang der Treibhausgasemissionen

Gleichzeitig entwickeln sich die Erträge durch Effizienz- und Optimierungsgewinne positiv weiter. Ich fordere und fördere dazu messbare Nachhaltigkeitsindikatoren. Diese geben den Landwirten Orientierung, um die Förderung der Artenvielfalt und die Verbesserung der Biodiversität zielgerichtet umzusetzen.
Unsere Landwirtschaft wird dazu immer digitaler. Wir investieren in diesem Jahr eine knappe Milliarde Euro in die Bereiche Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation. Wir investieren einen zweistelligen Millionenbetrag in die Förderung der Künstlichen Intelligenz, in digitale Experimentierfelder.

  • Immer mehr Drohnen werden über Feldern schweben, direkt aufs Handy über Feuchtigkeit, Nährstoffgehalt und Zusammensetzung des Bodens informieren.
  • Landwirte bekommen Unterstützung von autonom fahrenden Maschinen erhalten Daten in Echtzeit.
  • Kleine Roboter fahren über die Äcker, analysieren die Pflanzen.
  • Tiergesundheitsdaten bekommt der Landwirt in Echtzeit auf sein Smartphone.

Digitalisierung hilft effizienter und damit ressourcenschonender Mittel einzusetzen. Ökologie muss immer auch die Ökonomie mitdenken. Wer frühzeitig einen Schädlingsbefall erkennt, wer nur exakt so viele Nährstoffe ausbringt, wie gebraucht werden, wer die Widerstandskraft seiner Pflanzen erhöht, weniger Pflanzenschutzmittel benötigt, der schont nicht nur den Geldbeutel, dessen Arbeit steigt auch noch einmal mehr in der Akzeptanz.

Zweitens: Ackerbau

Mit unserer Ackerbaustrategie, die ich vorgelegt habe, beschreiben wir einen zukunftsfähigen Ackerbau in Deutschland, wir zeigen Perspektiven auf. Eine Art Gebrauchsanleitung, die wir mit vielen Praktikern entwickelt haben.

Mein Ziel ist es, unter anderem die Abhängigkeit von Eiweißimporten zu reduzieren. Wir werden mehr standortangepasst Eiweißpflanzen anbauen. Und Leguminosen helfen uns, natürlichen Stickstoff besser im Boden zu binden, deshalb brauchen wir weniger energieintensiven Mineraldünger und verbessern so die Klimabilanz.

Wir wollen den Humusgehalt unserer Böden mit den Landwirten zusammen steigern, so bildet sich die Grundlage für fruchtbaren Boden und generationenübergreifende Landwirtschaft.

Denn ich meine, Landwirte üben nicht nur einen Beruf aus:

  • Sie sind Ernährer und Versorger,
  • sie sind Umwelt- und Klimaschützer,
  • sie sind Aushängeschild und Lebensader für vitale ländliche Räume.

Dafür steht der Rekordhaushalt von 7,66 Milliarden Euro meines Ministeriums für das kommende Jahr. Geld, mit dem wir dabei unterstützen können, notwendige Veränderungsprozesse zu flankieren, damit unsere Landwirte hier in Deutschland weiterhin Planungssicherheit haben.

Drittens: Nutztierhaltung

Nichts wird so emotional diskutiert wie die Tierhaltung. Nach dem Atom- und Kohleausstieg ist das die nächste Debatte gleichen Formats. Auch das Wort Ausstieg fällt nicht selten. Aber Ausstieg heißt natürlich nicht, dass kein Fleisch mehr gegessen wird. Sondern:

  • Wir verlieren die Tierhaltung und mit ihr die Wertschöpfung.
  • Wir importieren mehr Waren aus dem Ausland, auf deren Standards wir keinen Einfluss haben.

Neue Standards in der Nutztierhaltung, die langfristig gesellschaftliche Akzeptanz sichern, sind unumgänglich!

  • Mehr Platz im Stall, mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für die Tiere: Einfach Haltungsverfahren, die sich am Wohl der Tiere orientieren, nicht umgekehrt. Das unterstreicht die von mir eingesetzte Borchert-Kommission.
  • Ich habe dazu Kriterien für ein staatliches Tierwohlkennzeichen vorgelegt. Weil ein Kennzeichen die Grundlage dafür ist, dass Verbraucher mehr Tierwohl auch erkennen und honorieren können.
  • Wir stellen eine Rekordsumme von 300 Millionen Euro für den Umbau der Ställe, für mehr Tierwohl zur Verfügung. Wir passen das Baugesetzbuch und Emissionsbestimmungen an.
  • Das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration gilt ab dem 1.1.21. Wir begleiten auch finanziell die Tierhalter bei der Umstellung.
  • Wir steigen aus dem Kükentöten aus; das gesetzliche Verbot habe ich vorgelegt.
  • Wir bauen gerade Tierwohl-Kompetenzzentren auf.

Wir bauen die Tierhaltung um, um sie in Deutschland zu halten. Das geht nicht in einer Legislaturperiode. Aber es muss ambitioniert vorangehen. Deshalb will ich auch keine Zeit verlieren.

Appell: Führen Sie die Debatten mit Respekt

Wenn man etwas ändern will, sollte man sich nicht auf das Defizit konzentrieren, sondern auf den nächsten Schritt, die positive Zukunft, die aus der Veränderung entsteht.

Deshalb ist jedes Schauen nach einer rückwärtsgedachten "Agrarwende" falsch! Wir wollen eine optimistische, vorwärts denkende Agrar-Zukunft! In der unsere Bäuerinnen und Bauern mit viel Freude täglich auf dem Acker, im Weinberg oder im Stall arbeiten. Und damit die Grundlage unserer Existenz erzeugen.

Wir wollen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher die Leistung unsere Landwirte wertschätzen. Weil Umwelt- Klima- und Tierschutz zentraler Teil unserer Landwirtschaft von morgen sind. Und Sie sich auch rechnet, im Wettbewerb und an der Ladentheke.

Mein Appell an den landwirtschaftlichen Berufsstand:

Setzen Sie sich an die Spitze einer Bewegung der Veränderung. Die sowieso nicht aufzuhalten ist. Das ist Ihr Platz, nicht der „Besen-Wagen“, der den Berg hochgeschoben werden muss. Denn Sie sind doch die Experten, unsere Praktiker. Arbeiten Sie vor allem daran, wieder mit einer Stimme zu sprechen.
Je mehr Untergruppen für sich in Anspruch nehmen, die wahre Stimme der Landwirtschaft zu sein, desto schwächer werden sie.

Mein Appell an die NGOs:

Raus aus dem Schubladendenken. Weg mit den Ideologien und pauschalen holzschnittartigen Vereinfachungen. Neue Technologien, Forschung: lehnen Sie sie nicht pauschal ab, schauen Sie nach den Chancen.

Mein Appell an die Verbraucher:

Verwechseln Sie nicht Wunsch und Wirklichkeit.

  • Wer Bio auf den Feldern wünscht, der muss auch in der Wirklichkeit des Supermarkts Bio kaufen.
  • Wer mehr Tierwohl wünscht, muss auch bereit sein, dieses zu honorieren.
  • Wer mehr Klimaschutz will, der kann mehr tun, als dafür zu demonstrieren und von anderen Akzeptanz zu verlangen.

Das Wichtigste für uns alle aber wird sein: Dass es uns gelingt, die Debatten um die Veränderungen, die anstehen, mit Respekt voreinander zu führen.

Lassen Sie uns in diesem Sinn die Transformation gemeinsam realisieren. Weil wir alle Landwirtschaft brauchen. Sie ist alles andere als selbstverständlich.

Verleihung Professor Niklas-Medaille

Prof. Dr. Dr. Jörg Hartung

Unser erster Preisträger ist ein Urgestein im Bereich des Tierschutzes. Und eine Koryphäe. Er besitzt nationales und internationales Renommee.

Und war nicht nur langjähriges Mitglied der Tierschutzkommission meines Ministeriums. 20 Jahre lang leitete er die Kommission als ihr Vorsitzender.

Dabei hat er wesentlich dazu beigetragen, unsere Nutztierhaltung am Wohl der Tiere auszurichten.

Deshalb verdanken wir – hier im BMEL – ihm wirklich viel!

Sehr geehrter Herr Professor Dr. Hartung, ganz herzlichen Dank!

Ich freue mich sehr, Ihnen die Niklas-Medaille zu überreichen.

Stefanie Peters

Auch die nächste Preisträgerin leistet Beeindruckendes: Als studierte Biochemikerin und Landwirtin setzt sie neue Standards:

  • in der nachhaltigen Bewirtschaftung unserer Felder und Äcker;
  • beim Bienenschutz und
  • Gewässerschutz.

Und LandFrau ist sie noch dazu. So wie ich!

Als stellvertretende Vorsitzende der LandFrauen Havelland fördert sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und sie setzt sich ein für lebendige ländliche Regionen.

Sehr geehrte Frau Peters, ich freue mich sehr, Ihnen die Niklas-Medaille zu überreichen.

Von Herzen vielen Dank und alles Gute!

Prof. Dr. Johann Georg Goldammer

Er ist der Experte für Feuerökologie. Und forscht seit Jahrzehnten über Ursachen und Folgen von Waldbränden. Für unser Klima, für unsere land- und forstwirtschaftlich nutzbaren Flächen und für uns Menschen. Damit setzt er sich mit großem Engagement ein für den Schutz unserer Wälder.

Und sein Rat wird gehört –nicht nur hier bei uns, sondern auch weltweit.

Sehr geehrter Herr Professor Dr. Goldammer, mit großer Freude überreiche ich Ihnen die Niklas-Medaille.

Als Dank und Wertschätzung Ihrer wichtigen Arbeit!


Gabriele Mörixmann

Die nächste Preisträgerin ist eine wichtige Impulsgeberin. Mit ihrem Konzept des Aktivstalls sorgt sie für eine tiergerechte Haltung von Schweinen.

Und sie trägt mit bei zu einem realistischen Bild unserer Landwirtschaft. Das schafft Vertrauen in unsere bäuerlichen Betriebe. Und fördert die Wertschätzung von Verbraucherinnen und Verbrauchern für unsere Landwirtinnen und Landwirte.

Sehr geehrte Frau Mörixmann, ich freue mich sehr, Ihnen die Niklas-Medaille zu überreichen.

Herzlichen Dank für Ihre wichtige Arbeit!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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