Wir als Bundesregierung wollen die Land- und Ernährungswirtschaft auf ihrem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen.

Rede des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir zur Eröffnung der Anuga am 7. Oktober 2023 in Köln

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Es ist gerade ein paar Stunden her, da kam ich aus Ländern zurück, von denen ich mich sehr freue, dass sie zum großen Teil hier auf der ANUGA zu den Ausstellern gehören. Ich war auf dem Westbalkan, in Nord Mazedonien, im Kosovo, in Moldau und in der Ukraine.

In der Ukraine habe ich mir die Hafenanlagen angeschaut, in denen ukrainisches Getreide verladen wird. Damit es so schnell und günstig und so viel wie möglich dort ankommt, wo es dringend benötigt wird: Im globalen Süden, um die Preise zu dämpfen, aber auch um zur Bekämpfung von Hunger beizutragen. Wenige Tage später haben russische Drohnen Getreidespeicher bombardiert. Das zeigt, welche Natur dieser Krieg Russlands gegen die Ukraine hat.

Manchmal ist es gut, wenn man von außen auf die Gemeinschaft der EU blickt. Da scheint der ein oder andere Konflikt, den wir hier haben, doch etwas relativ. Die Länder, die ich besucht habe, sind Länder, die gerne Mitglieder der Europäischen Union werden wollen. Und ich bin überzeugt: Über Kulinarik und Ernährung lässt sich zumindest ein Teil dieses Weges in EU ebnen – das konnte ich dort geradezu schmecken! Europa auf dem Teller, über den Gaumen und die Köpfe – noch nie war Essen so politisch wie heute!

Sie sind die Expertinnen und Experten, wenn es darum geht, verlässlich für hochwertige, gesunde und sichere Lebensmitteln zu sorgen. Und sie sind ein innovations- und leistungsstarker Industriezweig. Deshalb freue ich mich sehr, hier auf der weltgrößten Nahrungsmittelmesse zu erleben, was "state of the art" ist. 

Mit dem Leitthema "Sustainable Growth" richtet die Anuga ihren Blick in die Zukunft klar auf Nachhaltigkeit aus. Und das ist gut so. Denn wir sind uns sicher einig: Die Krisen unserer Zeit – ob Klimakrise, Artensterben oder der Angriffskrieg auf die Ukraine – sie gehen mit dramatischen Auswirkungen auf die Ernährungswirtschaft einher. Diese Krisen erfordern zukunftsfeste Antworten, wenn wir erfolgreich gegen den wieder wachsenden Hunger in der Welt angehen wollen. Antworten, die eben nicht nur heute, sondern auch noch morgen und übermorgen tragen; Antworten, die also einen fairen Ausgleich zwischen unserer und den kommenden Generationen schaffen. Genau das ist für mich Nachhaltigkeit.  

Ich denke, die meisten von Ihnen teilen diese Überzeugung. Es gibt unterschiedliche Ansichten, wie schnell und konsequent wir Nachhaltigkeit verfolgen und zu einem Gewinn für unsere Leben und unsere Gesellschaft machen. Aber in der Notwendigkeit zum Handeln stecken ja zum Glück auch jede Menge Chancen für Ihre Branche. Denn wir sehen, dass sich die Märkte verändern. Insbesondere bei jüngeren Menschen erleben wir eine Veränderung des Essverhaltens. Sie realisieren, dass mehr Nachhaltigkeit auf ihrem Teller gut für ihre Gesundheit und zugleich gut für unseren Planeten sein kann. Und diesen Verhaltenswandel haben viele hier längst als erfolgreiches Geschäftsmodell für sich erkannt. 

Wir als Bundesregierung wollen die Land- und Ernährungswirtschaft auf ihrem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen.

  • Das machen wir, beispielsweise indem wir den Ökolandbau fördern, da er besonders ressourcenschonend arbeitet.
  • Das machen wir, indem wir ein Tierhaltungskennzeichen voranbringen, das sichtbar macht, wo Tiere besser gehalten werden und indem wir zugleich unsere Landwirte beim Umbau ihrer Ställe finanziell unterstützen. Denn ich will dafür sorgen, dass "Made in Germany" auch künftig für gutes Fleisch aus Deutschland steht.
  • Das machen wir, indem wir unsere Eiweißpflanzenstrategie deutlicher als bisher in Richtung menschliche Ernährung weiterentwickeln.
  • Und das machen wir auch, indem wir Wege suchen und aufzeigen, die es allen Menschen in Deutschland leichter machen, sich selbstbestimmt gesund und nachhaltig zu ernähren.

Das alles zahlt auch ein auf eine gute und nachhaltige Wertschöpfung. 

Dass wir hier – Politik und Wirtschaft im Schulterschluss – gemeinsam vorankommen können, haben wir zuletzt im Sommer gezeigt. Mit dem Pakt gegen Lebensmittelverschwendung, den wir im Juni geschlossen haben, gehen wir das Thema Lebensmittelverschwendung an. Im Zusammenspiel von Politik und Handel wurden verpflichtende Maßnahmen und verbindliche Ziele erarbeitet. Wir gehen damit sogar über das hinaus, was andere EU-Staaten gesetzlich geregelt haben. Besonders wertvoll ist aus meiner Sicht dabei die vereinbarte Kooperationspflicht mit gemeinnützigen Einrichtungen, um Spenden noch verzehrfähiger Lebensmittel zu erhöhen. Herzlichen Dank an Wirtschaft und Unternehmen, dass sie da mitmachen. 

Gute, das heißt gesunde und nachhaltige Ernährung, die es allen Menschen ermöglicht, gesund alt zu werden – das sollte gerade in der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Doch die Zahlen zur Fehlernährung – Stichwort Adipositas – sprechen leider eine andere Sprache. Bis zu zwei Millionen Kinder in Deutschland haben Übergewicht. Viele dieser Kinder behalten es ihr ganzes Leben lang. Gerade mit Blick auf Kinder ist das ein Armutszeugnis. Darum lasse ich nicht locker, wenn es darum geht, dass wir auch auf diesem Feld unserer Verantwortung endlich nachkommen

Wir brauchen etwa in der Außer-Haus-Verpflegung eine stärker pflanzenbetonte Ernährung – mehr Bio, stärker regional, stärker saisonal! Darum geht es. Da können und müssen wir einfach besser werden. Wir müssen diesen Hebel nutzen, um die Nachfrage und Wertschöpfung nachhaltiger Produkte zu erhöhen. 

Neben einer besseren Gemeinschaftsverpflegung ist die Zusammensetzung der verarbeiteten Lebensmittel ein wichtiger Schlüssel. Die Gehalte an Zucker, Fetten und Salz in diesen Lebensmitteln müssen weiter reduziert werden. Viele Lebensmittelhersteller haben bereits mit der Reformulierung ihrer Produkte begonnen – aber da können und müssen wir noch deutlich besser werden.

Wir brauchen Ihr Knowhow. Denn der Staat ist bekanntlich nicht der bessere Unternehmer und gekauft wird letztlich, was den Kundinnen und Kunden schmeckt. Der Bedarf an Produktinnovationen und Lösungen, die unsere Ernährung nachhaltig verbessern und bei den Kundinnen und Kunden ankommen, ist größer denn je! Und ich bin mir sicher: Er ist für Ihre Branche auch wertvoller denn je! Denn, wenn es uns gelingt hier überzeugende Antworten zu finden, werden Sie im internationalen Wettbewerb weiterhin vorne mitspielen. Und ich bin auch überzeugt, dass uns das gelingt.

Vielen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Köln


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