Ich bin überzeugt, dass die Zukunft sowohl der Agrar- als auch der Umweltpolitik nicht im Gegeneinander liegt
Rede von Bundesminister Cem Özdemir im Bundestag zur 1. Lesung Einzelplan 10 BMEL am 10. September 2024 im Deutschen Bundestag
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede,
Hinter uns liegen intensive Debatten. Mit diesem Haushalt ist es uns, glaube ich, gelungen, eine gute Lösung zu finden. Wir setzen die richtigen Schwerpunkte, um unsere Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft zukunftsfester aufzustellen. Wir bekennen uns zu unseren ländlichen Räumen als die Kraftzentren unseres Landes. Wir sind verlässlich bei der agrarsozialen Sicherung und verbinden damit auch die Wertschätzung für frühere Generationen und für das, was sie für uns geleistet haben.
Dass der Weg zu diesem Haushalt angesichts der Zwänge und Notwendigkeiten nicht einfach war, das werden wir in diesen Debatten noch häufiger hören. Hinzu kommt, dass es bei unseren Themen generell nicht immer die einfachen Lösungen gibt. Das sah man, als letzte Woche die Ergebnisse des Strategiedialogs zur Zukunft der Landwirtschaft der Europäischen Union (EU) in Brüssel vorgestellt wurden. Die Reaktionen waren – wie formuliere ich das jetzt? – sehr unterschiedlich.
Ich bin überzeugt, dass die Zukunft sowohl der Agrar- als auch der Umweltpolitik nicht im Gegeneinander liegt, sondern nur im Miteinander. Und dieser Strategiedialog zeigt einen Weg auf, wie beide Seiten, die Landwirtschaftsseite als auch die Umweltseite, Gewinner sein können, damit wir Böden schützen, das Wasser schützen, das Klima und die Artenvielfalt schützen, aber auch dafür sorgen, dass unsere Landwirtinnen und Landwirte in der Breite ein verlässliches, sicheres Einkommen haben. Das ist der Weg, zu dem wir uns bekennen. Wir unterstützen den Weg, wenn Brüssel diesen Weg vorangeht.
Es liegen jetzt gute Ideen und Lösungsansätze auf dem Tisch, die dazu führen werden, dass die Leistungen, die unsere Landwirtschaft für das Gemeinwohl erbringt, auch entsprechend honoriert werden. Jetzt muss die EU-Kommission das allerdings auch umsetzen. Ich will es nochmals ausdrücklich sagen: Die Bundesrepublik Deutschland bekennt sich zu den Ergebnissen des Strategiedialogs und wird die Umsetzung kraftvoll unterstützen. Ein bloßes Weiter-so oder gar Nein zu allen Vorschlägen ist jedenfalls nicht die richtige Antwort.
Ich will auch hier sagen – ich habe das schon oft gesagt und will es heute wiederholen: Mein Angebot an alle demokratischen Parteien, an alle Akteure aus der Landwirtschaft und auf der Umweltseite gilt weiterhin. Zusammenarbeit und Kooperation sind die Stichworte der Zeit. So machen wir es bei der Vorlage zur Reform des Waldgesetzes. So machen wir es beim Zukunftsprogramm Pflanzenschutz. Und ich halte es aus, wenn es jetzt dabei klassischerweise – auch das kennen wir – den einen immer zu weit geht, zu schnell ist und den anderen wiederum zu langsam geht, zu wenig ist. Das ist nun mal so, wenn man Politik mit Maß und Mitte macht, wie wir es uns vorgenommen haben.
Wir ringen dabei stets um die beste Lösung. Alle bringen sich ein, man bewegt sich aufeinander zu. Und wer sich nicht bewegt – auch das will ich hier sagen –, hat vieles im Sinn, aber ganz sicher nicht das Wohl unserer deutschen Landwirtschaft. Demokratie heißt eben, Kompromisse zu schließen, damit es vorangeht.
Verlässlichkeit ist auch die Voraussetzung für Investitionen. Wenn wir wollen, dass es den Tieren besser geht, dann gibt es das halt nicht zum Nulltarif, dann geht das vor allem nicht von jetzt auf gleich. Das heißt, es braucht verlässliche Unterstützung. Die liefern wir. Unser Bundesprogramm zur Förderung des Umbaus der Tierhaltung läuft entgegen allen Unkenrufen seit Beginn des Jahres.
Wir unterstützen die Betriebe in der Schweinehaltung, die ihre Ställe für die tier- und umweltgerechte Haltung umbauen wollen. Das beantragte Gesamtvolumen liegt inzwischen bei rund 150 Millionen Euro. Das zeigt ja, dass der Bedarf da ist. Deshalb werden auch im Haushalt 2025 wie geplant 200 Millionen Euro für unser Bundesprogramm zur Verfügung stehen. Dafür danke ich auch dem Gesetzgeber, wenn er das unterstützt. Unsere Tierhalterinnen und Tierhalter können sich auf uns verlassen.
Verlässlichkeit bietet dieser Haushalt auch bei der Finanzierung der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes". Für die Stärkung unserer ländlichen Räume stehen 2025 wieder 907 Millionen Euro zur Verfügung. Ich habe bei meiner Sommertour gesehen, wie sinnvoll dieses Geld vor Ort eingesetzt wird. Ich glaube, Sie alle hier können mit Blick auf Ihre Wahlkreise bestätigen: Es ist gut angelegtes Geld, nicht nur für unsere ländlichen Räume, sondern auch für den demokratischen Zusammenhalt unseres Landes, wenn wir die ländlichen Räume finanziell verlässlich ausstatten und sie nicht im Stich lassen.
Zur Zukunft der Landwirtschaft gehört aber auch immer der Blick nach vorne, in Richtung neuer Märkte. Für Maßnahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau stehen erneut Mittel in Höhe von 40 Millionen Euro bereit. Wichtig ist uns, auch den Bereich der eiweißreichen pflanzlichen Ernährung stärker zu fördern, weil es ein wichtiger Wachstumsmarkt ist. Wir wollen, dass unsere Landwirtschaft davon profitiert, weil es gleichzeitig auch dem Klima und der Umwelt dient.
Wir unterstützen mit dem Chancenprogramm Höfe und der Eiweißpflanzenstrategie diejenigen, die sich auf den Weg machen, Neues auszuprobieren. Und wer sich vielleicht hier und da noch mit dem Gedanken schwertut, dass unweit von hier mittlerweile Kichererbsen angebaut werden, sollte vielleicht mal – es lohnt sich! – einen Blick in die Vergangenheit werfen: Vor dem 18. Jahrhundert konnte sich in Preußen auch niemand richtig vorstellen, dass dort mal Kartoffeln angebaut werden. Es ist aber der Alltag, und die Klimakrise erzwingt, dass wir neue Wege gehen. Wir werden unsere deutsche Landwirtschaft dabei nicht alleinlassen.
Natürlich garantiert auch dieser Haushalt unseren Bauernfamilien Planungssicherheit und Verlässlichkeit bei der eigenständigen Absicherung der Altersvorsorge und bei der Unfallversicherung. Auch im kommenden Jahr stellen wir Zuschüsse von 4,1 Milliarden Euro zur Verfügung. Der Zuschuss zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung bleibt auf gleicher Höhe von 100 Millionen Euro.
Der aktuelle Erntebericht zeigt: Die zunehmenden Wetterextreme gefährden die Erträge. Veränderungen und Anpassungen sind deshalb zwingend. Ich habe viele Menschen vor Ort kennengelernt, die dafür gute, passende Lösungen entwickeln, Neues wagen, auch ins Risiko gehen. Dafür braucht es die bestmöglichen Rahmenbedingungen, damit man mit dem Mut zur Veränderung nicht alleingelassen wird. Dazu gehören wirtschaftliche Anreize. Aber mindestens ebenso wichtig ist es – auch das habe ich schon mehrfach gesagt –, dass unnötige Bürokratie abgeschafft wird, damit die Landwirte das machen, wofür sie Landwirte geworden sind, nämlich auf dem Acker zu sein und nicht vor allem am Schreibtisch sitzen zu müssen. Da geht es um die Abschaffung von unnötigen Sanktionen bei verlorenen Ohrmarken – es hat übrigens niemand die frühere Regierung daran gehindert, das schon zu machen – oder um umfassende Erleichterungen bei der Umsetzung der europäischen Agrarpolitik.
Aber ich sage hier auch: Das reicht mir nicht. Wir sitzen aktuell an weiteren Erleichterungen. Wir machen den Weg frei für bauliche Erleichterungen für unsere Höfe. So können leere Ställe anderweitig sinnvoll genutzt werden. Außerdem wollen wir es Jung und Alt einfacher machen, auf dem Hof zusammenzuleben.
Da meine Zeit zu Ende ist, will ich an der Stelle sagen: Wir machen mit Hochdruck weiter, um unsere Landwirtinnen und Landwirte von unnötiger Bürokratie zu befreien. Wir können jetzt wieder in die alten Oppositionsreflexe zurückfallen und uns gegenseitig vorwerfen, wer was in der Vergangenheit nicht gemacht hat, oder aber die Zusammenarbeit suchen. Mein Angebot ist die Zusammenarbeit.
Herzlichen Dank.
Ort: Berlin