Die Vielfalt unserer Landwirtschaft stärken: Bürokratie abbauen, Planungssicherheit herstellen, Vertrauen schaffen
Rede von Bundesminister Alois Rainer im Deutschen Bundestag bei der Aussprache zur Regierungserklärung Landwirtschaft, Ernährung und Heimat am 15.05.2025
Es gilt das gesprochene Wort!
Die Land- und Ernährungswirtschaft braucht eine starke Stimme in unserem Land und in Europa. Wir werden diese starke Stimme sein. Es braucht ein klares Bekenntnis für eine bäuerliche und moderne, für eine wettbewerbsfähige und vielfältige Landwirtschaft. Ich will damit gerade der jungen Generation mehr Lust auf Landwirtschaft machen und auch die Übergabe der Betriebe im Blick behalten.
Deshalb müssen wir Vertrauen schaffen. In der Landwirtschaftspolitik bedeutet das: unnötige Bürokratie abbauen und Planungssicherheit für unsere Landwirtinnen und Landwirte schaffen. Deshalb wollen wir für mehr Beinfreiheit in der Landwirtschaft sorgen. Denn wer Tiere versorgt oder Felder bestellt, braucht Freiräume statt Formulare.
Ich weiß aus meinem eigenen Alltag, wie vielfältig unsere Landwirtschaft, unser Lebensmittelhandwerk und die vielen Beschäftigten dort sind. Und es ist mein Anspruch, diese Vielfalt in ihrer ganzen Breite zu stärken, auch im Sinne unserer Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir stehen für mündige Bürgerinnen und Bürger, die selbst entscheiden, was in den Einkaufskorb oder auf den Teller kommt. Sie sollen sich gut informiert für einen gesunden und ausgewogenen Lebensstil entscheiden können. Und zu einer ausgewogenen Ernährung gehören für mich Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch, meine Damen und Herren. Es geht um gesundes Essen sowie um sichere und hochwertige Lebensmittel für Jung und Alt.
Aber bevor wir die Entscheidung treffen, was wir essen, braucht es Menschen, die uns mit diesen wertvollen Produkten versorgen. Das sind unsere Landwirtinnen und Landwirte, gemeinsam mit Gärtnern, Obst- und Gemüsebauern, Winzern, Fischern und vielen anderen mehr. Sie alle leisten einen wichtigen Beitrag zu unserer Versorgungssicherheit. Ob kleine oder große Betriebe, ob konventionell oder ökologisch wirtschaftende Betriebe, sie alle verdienen großen Respekt und Anerkennung.
Aber Respekt und Anerkennung reichen nicht aus. Was unsere Bauernhöfe, Forstbetriebe, die Gärtnereien und die Lebensmittelerzeuger vor allem verdienen, sind gute Rahmenbedingungen, Planungs- und Investitionssicherheit. Deshalb legt diese Bundesregierung sofort los, um im Einklang mit Umwelt und Tierwohl beste Bedingungen für eine starke Landwirtschaft, ein erfolgreiches Ernährungshandwerk, funktionierende Wertschöpfungsketten, sichere Versorgung und lebendige ländliche, aber auch urbane Regionen in Deutschland zu erhalten und zu schaffen.
Mir geht es um die Vielfalt auf unseren Tellern und die Vielfalt in der Landwirtschaft. Das geht von der Nord- und Ostsee mit ihren Fischern bis zu den Alpen, vom Obst-, Gemüse- oder Weinanbau und Ackerbau bis hin zu den viehhaltenden Betrieben oder den Damen und Herren, die im Forst tätig sind. In all diesen Bereichen setzt unsere Landwirtschaft schon jetzt Standards durch Hightech mit modernsten Geräten und steht gleichzeitig aber auch für traditionelle Produktionsverfahren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sorgen für einen echten Kurswechsel. Die entscheidenden Stichworte sind: weniger Bürokratie und mehr Freiheit, gezielte Förderung von Innovationen und gesellschaftliche Wertschätzung. Vor allem aber müssen wir die Rolle der Frauen in der Landwirtschaft weiter stärken. Wir alle wissen, dass es ohne sie auf den Höfen nicht geht. Aber in der Realität haben wir immer noch zu wenige Hofnachfolgerinnen.
Wir begegnen den Diskussionen um mehr Tierwohl in unseren Ställen mit konkreten Angeboten. Ich möchte ein Förderprogramm für Tierwohlställe auf den Weg bringen, das langfristige Planungssicherheit schafft. Es ist wichtig, dass Tierhaltung bei uns stattfindet und unseren Wirtschaftsstandort stärkt. Denn wenn Tierhaltung ins Ausland abwandert, dient das sicherlich nicht dem Tierwohl; das macht nichts besser. Tierhaltung in Deutschland steht schon jetzt für höchste Qualität. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Das haben unsere Landwirtinnen und Landwirte auch so verdient, die sich Tag und Nacht verantwortungsvoll um ihre Tiere, um ihre Höfe kümmern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Schreibtisch darf nicht länger die zeitaufwendigste Ackerfläche unserer Landwirtinnen und Landwirte sein. Deshalb können wir beim Bürokratieabbau gar nicht schnell genug sein. Ich habe mein Haus um Prüfung bisheriger Maßnahmen gebeten und neue Vorschläge erbeten. Wir wollen und wir werden eine spürbare Entlastung bei Berichts- und Dokumentationspflichten erreichen. Wir setzen auf Marktwirtschaft und Vertrauen. Ich werde mir zukünftig regelmäßig über die Entwicklungen berichten lassen und falls notwendig, müssen wir zusammen nachsteuern.
Ganz oben auf der To-do-Liste steht zudem die vollständige Wiedereinführung der Agrardieselrückvergütung. Sie wird unsere Betriebe sofort entlasten. Und wie im Koalitionsvertrag vereinbart, werden wir die konkrete Umsetzung zusammen mit dem federführenden Finanzministerium schnellstmöglich anpacken.
Mit unserer Arbeit wollen wir in den kommenden Jahren die Wettbewerbsfähigkeit in der gesamten Wertschöpfungskette steigern, die landwirtschaftliche Produktion sichern und gleichzeitig ökologische Ziele erreichen. Wir werden zeigen, dass dies kein Widerspruch ist, genauso wie "konventionell" und "bio" kein Widerspruch ist. Ich will alle unsere Landwirtinnen und Landwirte in ihrer unternehmerischen Freiheit stärken.
Zur Wertschätzung unserer Landwirtschaft gehört auch, dass wir unsere hochqualitativen Produkte über eine Exportstrategie besser vermarkten. Und dazu werden wir auch im Ministerium die nötigen Strukturen schaffen. Ich möchte die vielen in Deutschland entwickelten Innovationen im Agrar- und Ernährungsbereich bürokratieärmer und schneller in die Praxis und damit in die breite Anwendung bringen. Nur so können wir die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Agri-Food Business auf nationalen und internationalen Märkten stärken.
Ich stehe für eine Politik, die auf innovative Technologien und eine nachhaltige Bewirtschaftung setzt. Wir setzen auf Anreize, Vertragsnaturschutz, die Honorierung von Natur- und Umweltschutz. Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. Wir unterstützen die Forstwirtschaft und Jagd, die mit einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung und Nutzung des Waldes seine vielfältigen Funktionen sichern wird. Gleichzeitig verbessern wir die Rahmenbedingungen für die Entwicklung von klimaresilienten und artenreichen Mischwäldern mit standortgerechten Baumarten. Wir sehen gerade bei der jetzigen Trockenheit, wie schwierig es die Wälder haben, gegen den Borkenkäfer anzukämpfen. Deshalb müssen wir hier etwas tun.
Wir stehen zur Fischerei und stärken deren Entwicklung entsprechend den Empfehlungen der Zukunftskommission Fischerei und der Leitbildkommission Ostseefischerei.
Wir werden das Kulturgut Weidetierhaltung besser schützen. Wölfe müssen in den Regionen, wo sie ein Problem darstellen, bejagt werden können.
Eine sicherlich herausfordernde Aufgabe werden die Gespräche und Verhandlungen um die Zukunft der GAP sein. Die Gemeinsame Agrarpolitik braucht ein angemessenes Budget. Sie muss bürokratiearm und effizient ausgestaltet sein. Ich bin fest überzeugt, dass die Koalitionspartner hier für gute Lösungen kämpfen werden und wir auch hier zusammen gute Lösungen erreichen werden.
Vor allem ist im Ministerium aber auch die Zuständigkeit für das Thema Heimat angesiedelt. Ich will die Schere zwischen Stadt und Land schließen. Dazu rücken wir unsere ländlichen Regionen wieder in das Zentrum der Politik. Wir wollen sie als Lebensraum stärken, ihre Wirtschaftskraft fördern und sie als Heimat lebendig halten, ohne dabei aber eine Stadt-gegen-Land-Debatte zu führen, weil Stadt genauso Heimat ist wie der ländliche Raum. Das dürfen wir, meine Damen und Herren, nicht aus den Augen verlieren. Es ist richtig, beides im Auge zu behalten.
Meine Damen und Herren, ich habe das Amt des Bundesministers für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat mit Demut, Freude, aber auch mit großem Respekt angetreten. Ich bin hoch motiviert, gute Ergebnisse mit Ihnen zusammen zu erzielen. Wir alle wissen: Es ist nicht einfach; die Zeit der vollen Kassen ist vorbei. Aber als ehemaliger Haushälter weiß ich: Mit guten Argumenten kann man das eine oder andere doch erreichen. Ich möchte die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben der Landwirtschaft konkret benennen und zusätzliche Gelder gezielt bereitstellen, indem wir beispielsweise die GAK stärken und ausbauen, indem wir für Tierwohlställe Geld zur Verfügung stellen.
Lassen Sie uns gemeinsam Lösungen finden, die den Menschen einen Mehrwert bringen. Dazu gehört sicherlich auch, dass wir intensiv diskutieren und auf dem Weg zu einem guten Kompromiss nicht immer einer Meinung sind. Aber das ist der Weg, um Veränderungen und Verbesserungen zu erreichen. So können wir wieder Vertrauen in unser politisches Handeln aufbauen und beweisen, dass unsere Politik wirkt. Lasst uns damit beginnen.
Vielen herzlichen Dank.
Ort: Berlin