Grund und Boden sind ein knappes und wertvolles Gut
Rede von Bundesminister Alois Rainer auf der gemeinsamen Fachtagung der Bund-Länder-AG Nachhaltige Landentwicklung im BMLEH am 22. Mai 2025
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede,
Ich freue mich, heute zum ersten Mal in diesem Kreis bei Ihnen zu sein. Das Thema, das uns alle beschäftigt, könnte nicht wichtiger sein: die ländlichen Regionen.
Es ist mein Anspruch als Minister, sie in ihrer ganzen Vielfalt zu stärken. Ich freue mich, dass mein Ministerium die Bedeutung der ländlichen Räume – verkörpert im Begriff der "Heimat" – auch sichtbar im Namen trägt.
Heimat ist ein Begriff, den wir sehr weit spannen und auch wieder sehr eng zusammenziehen können. Auf alle Fälle steckt in dem Begriff Heimat unglaublich viel – unglaublich viel Positives, das wir auch versuchen müssen, zu vermitteln. Und ich werde nicht müde, zu betonen, dass zu unserer Heimat neben den ländlichen Räumen auch die urbanen Regionen dazugehören. Die Städte sind für viele genauso Heimat wie für viele der ländliche Raum. Beide brauchen einander und sie machen uns auch gemeinsam stark.
In meiner Rolle als Bundesminister geht es mir vor allem darum, im Rahmen meiner Möglichkeiten gleichwertige Lebensverhältnisse zu fördern. Und da haben wir im ländlichen Raum andere Gegebenheiten als im urbanen Raum, wenn wir an Infrastruktur, Daseinsvorsorge, Ehrenamt, aber auch Land- und Ernährungswirtschaft denken.
Meine Damen und Herren,
unsere ländlichen Regionen prägen Deutschland. Über die Hälfte der Bevölkerung lebt in Mittel- und Kleinstädten oder in Dörfern. Knapp die Hälfte der deutschen Wirtschaftsleistung wird in ländlichen Räumen erbracht. Die Menschen dort sind Leistungsträger – im Handwerk, in der nachhaltigen Lebensmittelproduktion, bei der Energiewende und beim Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen.
Ländliche Regionen sind nicht zuletzt aufgrund des ehrenamtlichen Engagements Rückgrat unserer Demokratie – und das soll auch so bleiben. Kurzum: Ländliche Regionen sind für viele Menschen Heimat.
Und die Politik trägt die Verantwortung, ihren Teil dazu beizutragen, damit diese Heimat lebendig und zukunftsfähig ist – und auch bleibt. Ich selbst bin in einer 2.000-Seelen-Gemeinde groß geworden, habe ein Handwerk erlernt und war 18 Jahre lang Bürgermeister. In diesen 18 Jahren habe ich eine Flurbereinigung und zwei Dorferneuerungen mitgemacht. Da bringt man schon eine große Portion Lebenswirklichkeit und auch Alltagsverständnis mit.
Ich kann mich noch gut erinnern an den Start der Dorferneuerung in meinem Heimatort Haibach.
Wenn sie nach Haibach kommen, dann sehen Sie, dass das ein schmucker Ort ist. Ich war damals ein junger Bürgermeister, so Mitte 30. Meinen Heimatort Haibach hat aber nicht der Bürgermeister, nicht der Gemeinderat, nicht das Amt für ländliche Entwicklung gestaltet, sondern die Menschen. Wir haben die Menschen mit ins Boot genommen und dort haben sie gewissermaßen das Ruder in die Hand genommen. Und dafür werbe ich auch. Dass man die Menschen auf vielfältige Weise mit ins Boot nimmt.
Wir haben damals gemeinsam ein Leitbild gemacht. Als ich damals gesagt habe, dass wir ein Leitbild brauchen für unseren Ort, da haben manche skeptisch reagiert: Ein Leitbild? Warum? Wir brauchen schöne neue Straßen und Plätze? Aber wenn man die Menschen vor Ort über die Verständigung auf ein Leitbild mitnimmt und es dann auch umsetzt, dann haben alle ein anderes Verständnis für ihren Ort und ihre Mitmenschen. Und die Menschen sind heute noch stolz auf ihren Ort.
Ich weiß auch, welche Kraft in der Gemeinschaft des Landlebens steckt. Ich weiß aber auch, wo die besonderen Aufgaben liegen. Und eine Aufgabe ist es, den Menschen zu zeigen, dass die Politik der Bundesregierung nahe an der Lebenswirklichkeit ist. Das bedeutet nicht, dass wir auf einmal zaubern können und sich alle Probleme oder Aufgaben in Luft auflösen. Es geht sicher auch um eine angemessene Erwartungshaltung. Aber dem Anspruch, dass die Menschen erkennen können, dass es Schritt für Schritt vorangeht und dass wir echte Probleme lösen wollen – diesem Anspruch müssen wir alle gerecht werden.
Wir sind ein vielfältiges Land, von Bayern und Baden-Württemberg bis nach Schleswig-Holstein. Da braucht es auch vielfältige Lösungen. Aber eben Lösungen, die vor Ort und in der Praxis auch funktionieren. Und auch Lösungen, die den Menschen signalisieren: Wir wissen nicht alles besser, sondern vertrauen auf eure Kompetenz vor Ort. Genau diesem Geist fühlt sich unser Bundesprogramm Ländliche Entwicklung und Regionale Wertschöpfung (BULEplus) verpflichtet. Es sichert die Anschubfinanzierung für verschiedenste Projekte – unter anderem in den Bereichen Dorfentwicklung, Digitalisierung, Kultur und Teilhabe.
Wenn staatliche Unterstützung und Engagement vor Ort in dieser Form zusammenkommen, kann wahrlich Großartiges entstehen.
Lebensverhältnisse auf dem Land und in der Stadt können nie gleich sein – aber sie sollten gleichwertig sein. Dieses Ziel spiegelt sich auch im Koalitionsvertrag wider.
Dort ist verankert, dass wir die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GAK) mit dem wichtigen Förderbereich "Integrierte ländliche Entwicklung" deutlich stärken wollen.
Wir alle wissen, dass die Zeit voller Kassen vorbei ist. Aber als ehemaliger Haushälter weiß ich auch: Mit guten Argumenten kann man gerade bei knappen Mitteln doch einiges, wenn nicht sogar vieles erreichen. Ich werde mich mit ganzer Kraft dafür einsetzen, dass Mittel aus dem Sondervermögen Infrastruktur auch sichtbar in die ländlichen Räume fließen. Es ist mir zwar schon signalisiert worden, dass es schwierig ist. Aber ich werde mich dafür einsetzen.
Und wir wollen das, wo immer möglich, mit Förderansätzen tun, die "bottom-up" bzw. aus der Praxis vor Ort entwickelt werden.
Und apropos Mittel: Die EU spielt hier eine bedeutende Rolle. Auch dort werde ich mich für die Stärkung der ländlichen Räume einsetzen. Wichtig ist, dass sie weiterhin fest in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) verankert bleiben.
Unsere Landwirtschaft und unsere ländlichen Räume stehen vor großen Herausforderungen – vom Klimawandel über die Digitalisierung und Technisierung bis hin zum Fachkräftemangel. Wir dürfen daraus aber nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass wir alles haarklein bis ins Detail regeln müssen. Das engt ein, statt dafür zu sorgen, dass wir Potenziale fördern und auch Chancen nutzen.
Ob regionales Handwerk, kleine und mittelständische Unternehmen, örtliche Dienstleister oder Vereine – sie alle sind von starren Regelungen und Bürokratie betroffen.
Es braucht mehr Freiraum – für unternehmerische Entscheidungen, Investitionen, aber auch Innovationen, für freiwilliges Engagement. Es braucht eine spürbare Entlastung bei Berichts- und Dokumentationspflichten. Wir werden hier für einen echten Kurswechsel sorgen.
Es geht mir hier auch um das Vertrauen in die Akteure vor Ort! Nur so können wir Ziele erreichen, Wertvolles bewahren und Wichtiges zum Besseren ändern.
Ich weiß natürlich, dass ein Thema Sie alle besonders beschäftigt: die kluge Nutzung von Land. Es gibt viele gute Projekte zur Landentwicklung. Ihre Umsetzung kann aber nur gelingen, wenn Flächen zur Verfügung stehen. Grund und Boden sind ein knappes und wertvolles Gut. Deshalb ist es wichtig, dass wir Flächennutzungs-Konkurrenzen reduzieren und den Flächenverbrauch trotz des steigenden Nutzungsdrucks versuchen zu senken – etwa durch sinnvolle Doppel- oder Mehrfachnutzung.
Ich sage bewusst: Das ist nicht immer einfach. Da müssen wir ehrlich miteinander sein. Aber nur so können wir zukunftsfähige Lösungen für Landwirtschaft, Wohnen, Naturschutz und Infrastruktur gleichermaßen finden. Deshalb ist das Instrument der Flurbereinigung eigentlich seit Jahrzehnten schon ein Goldschatz für das Flächenmanagement in ländlichen Räumen, ebenso wie in der Dorfentwicklung. Um Planungen zu beschleunigen, müssen wir Fläche von Anfang an mitdenken.
Und auch hier gilt: Wir müssen ernsthaft versuchen, die Menschen vor Ort mit ihrer Expertise, ihrer Lebenspraxis und ihrem Erfahrungsschatz aktiv mit einzubeziehen! Nur so kann in meinen Augen erfolgreiche Landentwicklung funktionieren.
Meine Damen und Herren,
wichtig ist, dass wir nicht nur verwalten, sondern auch gestalten.
Ich habe vorhin geschildert, wie ich in meiner Zeit als Bürgermeister in meiner Heimatgemeinde erlebt habe, was gemeinsames, positives und lösungsorientiertes Miteinander bewirken kann: nämlich Großes und Freude an dem, was man miteinander geschafft hat. Aus dieser Zeit weiß ich auch, dass man sich auf die Bundesländer und die Kommunen verlassen kann.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, sind Berater, Unterstützer und Macher zugleich. Deshalb ist die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Nachhaltige Landentwicklung (ArgeLandentwicklung) so wichtig. In fast genau zwei Jahren steht das 50-jährige Jubiläum ihrer gemeinsamen Arbeit an. Das ist ein echter Meilenstein!
Lieber Herr Minister Schwarz, es freut mich deshalb auch sehr, dass wir beide heute die Begrüßungsworte für diese Tagung sprechen. Lassen Sie uns auch weiterhin konstruktiv zusammenarbeiten, um gemeinsame Lösungen zu finden, die den Menschen einen echten Mehrwert bringen.
In meinen ersten Jahren in der Politik und auch jetzt noch wurde und wird mir manchmal die Frage gestellt „Warum machst du Politik?“ Ich mache es für die Menschen – für die Menschen in unserem tollen Land.
Und es ist mir auch wichtig, dass uns das bewusst ist: Dass dieses Land – mit all seinen unterschiedlichen Regionen, mit all seinen unterschiedlichen Menschen – so ein tolles Land ist. Ein Land, in dem wir auch noch einiges besser machen können. Und ich bin optimistisch, mit Menschen wie Ihnen Gutes für gleichwertige Lebensverhältnisse in unserem Land zu schaffen.
Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Tagung, gute Gespräche – und für die Zukunft alles erdenklich Gute in der Arbeit für unser Land und seine Menschen!
Dankeschön.
Ort: Berlin